Rettung der Unternehmer vor "Corona-Rezession"?!

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Rettung der Unternehmer vor „Corona-Rezession“?!

Der Bundestag hat Soforthilfen, Sonderkredite und andere „Hilfspakete“ beschlossen. In Niedersachsen gibt es zusätzlich Programme der N-Bank.

Riskante Kombi: Kurzarbeit und Kredite 

Es klingt verlockend, mit Kurzarbeit Geld zu sparen. Doch in Kombination mit Krediten kann das nach hinten losgehen. Anfang März 2020 wurde der Zugang zu Kurzarbeitergeld erleichtert. Viele Unternehmer sehen darin die Chance, Kosten zu sparen. Zugleich müssen sie Finanzierungszusagen der Regierung wahrnehmen. Ist die Kombination ein taugliches Instrument gegen die Auswirkungen des Coronavirus? Tatsächlich gilt für viele Unternehmen das Gegenteil: Risiken und Nebenwirkungen werden sogar erhöht!

Deutlich gesagt: Kredite mit/ohne Bürgschaften sind Sargnägel auf Zeit. Es ist der süße Strohhalm, nach welchem der Griff in Zeiten der Not probat erscheint. Neben dem kurzfristigen Risiko – viele Betriebe werden den Geldeingang erst erleben, wenn es für eine Rettung schon zu spät ist, zumal über Tage der Server der N-Bank nicht erreichbar und die Ausgestaltung der „Hilfspakete“ von katastrophal aufwendigem Verwaltungsaufwand geprägt ist – besteht eine große Gefahr in der Langzeitperspektive.

Vergegenwärtigen wir uns beispielhaft, was in der Reise- und Veranstaltungsbranche, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, den Zulieferern von VW oder fast beliebigen anderen Branchen gerade passiert. Schließlich laufen auch in Zeiten von null Aufträgen die sonstigen Kosten weiter. Die Kredite (die i.ü. zusätzlich verdient und zurückgeführt werden müssen) decken also Zeiträume ab, in denen keine oder nur geringe Erlöse fließen. Wenn nach angenommen 2 bis 4 Monaten die Erlöse durch Neugeschäft nicht sofort wieder auf (wegen der zusätzlichen Kredite mindestens) 100 % hochschnellen, werden die Kredite zur tödlichen Last auf den Schultern des Unternehmens – faktisch des Sicherheiten stellenden Unternehmers. Aus dem Liquiditätsengpass ist dann eine Überschuldung geworden. Und eines ist klar: Die Bank gewinnt immer und wird auch bei einer 80-90 %igen Risikoübernahme Zusatzsicherheiten verlangt haben, die dann im Zweifelsfall vorab verwertet werden.

Kurzarbeit – zu kurz gesprungen?

Viele Unternehmer ordnen Kurzarbeit an und tragen sich mit der Hoffnung, diese werde es schon richten. Es wird dabei aber übersehen, dass Kurzarbeit den finanziellen Spielraum zwar kurzfristig erhöht, die unternehmerischen Möglichkeiten jedoch verringert. Es stellt sich die Frage, ob die Reduzierung der Arbeitszeit dem Unternehmen nicht mehr schadet als nutzt. Wer etwa bei 50 % Kurzarbeit nur die Hälfte Gehalt bezieht, will und darf auch nur die halbe Zeit arbeiten. Unternehmer, die trotzdem länger arbeiten lassen, begehen einen Leistungsbetrug. Dabei könnte die volle Arbeitskraft gebraucht werden, um Altlasten abzuarbeiten, insbesondere aber auch, um das Unternehmen auf die Zukunft auszurichten.

Am Rande sei nur angemerkt, dass selbst die treuesten Mitarbeiter leiden, und zwar nicht nur, weil ihr Brutto sich um den fehlenden Zeitanteil reduziert, und sie lediglich 60 % oder mit Kindern 67 % des Nettoverdienstes erhalten. Aus Angst und Frust werden sie öfter krank und arbeiten nicht nur weniger, sondern meist auch schlechter. Die Produktivität sinkt folglich weiter. All das werden sie sicherlich mit Murren ertragen, wenn ihnen eine erträgliche Perspektive für die Zukunft geboten werden kann.

Das Thema „Zukunft“ ist daher aus meiner Sicht das zentrale Thema der Krise und muss das aktuelle Handeln von Unternehmern bestimmen! Das gilt insbesondere für die Frage, ob Kredite, die durch den Unternehmer persönlich abgesichert werden, überhaupt für das Unternehmen aufgenommen werden sollen oder gar dürfen. Zählt mein Unternehmen voraussichtlich zu den Krisengewinnern oder den Krisenverlierern?

Wo stehen wir?

Bislang haben wir gut 2 Wochen „Krise“ hinter uns. Die bundesweiten Betriebsschließungen und Kontaktverbote werden noch bis mind. zum 20.04. andauern. Zwar werden Stimmen laut, die eine Lockerung fordern. Gleichzeitig vernimmt man aber auch Gegenstimmen, die angesichts des Umstandes, dass der Scheitelpunkt der Infektionen noch nicht erreicht sein soll, eine Verschärfung und Verlängerung fordern. Und in der Tat ist das Argument nicht von der Hand zu weisen, dass Deutschland lediglich zeitversetzt das gleiche Leid erfahren wird, wie beispielsweise Italien – jeweils täglich knapp 1.000 Tote. Von einer besseren Gesundheitsvorsorge wird man angesichts des Umstandes, dass nicht einmal für Hausärzte ausreichend Schutzmasken vorhanden sind, nicht ernsthaft sprechen können. Andere Staaten sind dabei, weitere Einschränkungen vorzunehmen. Die USA wollen über ein Gesetz zur Kriegswirtschaft (!) General Motors zur Produktion von Beatmungsgeräten zwingen, Russland schließt die Außengrenzen und verordnet Zwangsurlaub, eine Liste, die sich beliebig fortführen lässt. 

Hinzu kommt der „Bericht Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“ (Bundestag Drucksache 17/12051), gemeinhin als „Pandemieplan“ bezeichnet, der durchaus als „Fahrplan“ angesehen werden kann. Sollte an dem so sein, dürften wir uns erst am Anfang der Krise befinden.

Ich persönlich halte es daher für unwahrscheinlich, dass die Beschränkungen zum 20.04. aufgehoben werden und befürchte eher eine Verlängerung und Verschärfung. Damit verschärft sich aber auch die Lage der meisten Unternehmen.

Wie soll es wohl gesamtwirtschaftlich weitergehen? Zwar übernimmt der Staat wie zu Beginn der Hyperinflation in der Weimarer Republik 1923 bei dem vorliegenden Produktionsausfall zumindest einen Großteil der Kosten. Derart schlimm wie damals wird es wohl aktuell nicht kommen. Gleichwohl wird der Staat (auch für Europa) Unmengen Geld in den Markt pumpen, was nur über Schulden oder ein Anwerfen der Druckerpressen finanziert werden kann. Die Wirtschaft dürfte das jedoch nicht ankurbeln, sondern eher zu einer Inflation/Geldentwertung führen.

Hinzu kommt das gerade veröffentlichte Sondergutachten der die Bundesregierung beratenden Wirtschaftsweisen, die eine tiefgreifende Rezession erwarten. Diese auch von mir geteilte Einschätzung bedeutet aber in der Konsequenz, dass die meisten Unternehmen nicht ernsthaft damit rechnen können, dass nach einem Verschwinden des Virus die Geschäfte wieder auch nur ansatzweise so laufen werden, wie vor der Krise. Wovon soll dann das Darlehen zurückgeführt werden?

Resümee 

Die Tücke steckt in jedem Einzelfall. Es werden Krisengewinner entstehen, wie ebenso unzweifelhaft die Gruppe der Krisenverlierer größer sein wird. Es kann daher keine generelle Handlungsempfehlung geben.

Wenn man als betroffener Unternehmer davon ausgeht, dass die Krise nicht in den nächsten 2 – 4 Monaten beendet sein werde und die Umsätze dann nicht über den zur Darlehensrückführung gewohnten 100 % belegen sein werden, sollte der Unternehmer sehr genau überlegen, ob er seine persönlichen Sicherheiten zum jetzigen Zeitpunkt einer Bank zur Verfügung stellen will. Sollte die Krise nämlich fortbestehen und sich die sich abzeichnende Rezession einstellen, besteht die große Gefahr, dass diese Sicherheiten schlicht verloren sind. Nach Verwertung stehen diese Sicherheiten aber für einen Neuanfang nicht mehr zur Verfügung! Selbst auferlegte Denkverbote sind in dieser Situation sicher kontraproduktiv und darf es daher nicht geben!

Jetzt bitte nicht erschrecken!

Eine Lösung des Dilemmas könnte darin bestehen, sein eigenes Unternehmen mit dem Ziel des Erhalts (!) des Unternehmens durch eigene Übernahme in eine geordnete Insolvenz zu führen. Dieses Thema ist für jeden Unternehmer ein Schrecken, kling zunächst suspekt, muss aber emotionslos und ohne falsche Scham behandelt werden. Die geordnete Insolvenz – in all ihren verschiedenen Facetten und Möglichkeiten – kann auch gerade bei drohender Zahlungsunfähigkeit ein geeignetes Mittel zur Restrukturierung und einen Neustart sein.

Dazu braucht der Unternehmer aber Kapital, das er hoffentlich nicht in der Krise durch im Ergebnis nutzlose Sicherheiten-Gewährung verloren hat.

Für eigentlich profitable Unternehmen, die aktuell unter Liquiditätsengpässen leiden, ist das vorgeschaltete vorläufige Insolvenzverfahren auch aus finanziellen Gründen optimal. Über bis zu 3 Monate übernimmt nämlich die Bundesanstalt für Arbeit die Gehälter und Sozialabgaben. Das ersparte Geld kann in die Unternehmensrettung gesteckt werden.

Auch die Mitarbeiter profitieren von der Insolvenz: Statt 60 % bzw. 67 % des Nettogehaltes erhalten sie für 3 Monate den vollen Lohn und stehen voll zur Verfügung. Geht der Arbeitgeber offen mit der Lage um, fühlen sich die Mitarbeiter sicherer, haben mehr Vertrauen und arbeiten engagierter für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Das gilt umso mehr, wenn ihnen das Ziel der Insolvenz rechtzeitig vermittelt wird.

Jeder Einzelfall liegt anders. Ich will hier auch nicht vermitteln, dass eine Insolvenz allein selig macht und allen Unternehmern anraten, einen Insolvenzantrag zu stellen. Bevor aber Kredite in Anspruch genommen und durch Zusatzsicherheiten abgesichert werden, sollte im Eigeninteresse emotionslos kalkuliert werden. Dazu gehört auch, sich mit den Vor- und auch Nachteilen einer geordneten Insolvenz zu beschäftigen und sich Rat einzuholen. Letztlich sprechen wir nicht nur über das Unternehmen, sondern vielmehr über den Unternehmer und seine Familie.

Unzweifelhaft wird es daher in vielen Fällen eher Sinn ergeben, Eigenkapital zu sichern und nicht zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Hierbei sind aber sowohl straf- wie auch zivilrechtliche Bestimmungen einzuhalten. Daher muss jeder Einzelfall mit all seinen Facetten für sich nüchtern analysiert werden. Hierbei kann ich auf eine mehr als 20-jährige Erfahrung als Insolvenzverwalter und Wirtschaftsanwalt zurückgreifen.

Hendrik A. Könemann

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Insolvenzverwalter



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