Riester-Rente: Fragen und Antworten zur Absenkung des Rentenfaktors

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Was bedeutet das Urteil des Kölner LG im Hinblick auf die Kürzungen der Riester-Rente?

Im Urteil zur Rentenkürzung geht es um die Klärung der Grundsatzfrage: Darf sich die Zurich Deutscher Herold Lebens-Versicherung das Recht vorbehalten, eine vereinbarte Riester-Rente nachträglich zu kürzen?

Nein! Die Entscheidung der 26. Zivilkammer des LG Köln geht eindeutig zugunsten der Verbraucher. Infolgedessen ist die Rentenkürzung des Klägers aus dem Jahr 2017 unwirksam. Der Versicherungs-Anbieter darf seine monatliche Zahlung künftig nicht einfach kürzen. Seit 2006 hat der Kölner Angestellte in eine fondsgebundene Riester-Rente des Tarifs „Förder Rente invest“ eingezahlt. Im Jahr 2017 senkte die Zurich dem Kunden einseitig den Rentenfaktor.

Demnach bekommt der Kläger statt der im Versicherungsschein vereinbarten 37,34 Euro Monatsrente pro ersparten 10.000 Euro nun nur noch 27,97 Euro. Dies entspricht einer Verringerung der Monatsrente um fast ein Viertel. Der Kölner Kunde klagte daraufhin.


Welche konkreten Entscheidungen hat das Gericht getroffen?

In drei Fragen hat das Gericht zugunsten der Verbraucher entschieden:

  • Ist die ursprünglich vereinbarte Rentenumrechnung noch gültig? Für den Verbraucher ergibt sich folgende konkrete Frage: Kann ich dem Rentenfaktor von 37,34 Euro pro 10.000 Euro Sparkapital, der im Versicherungsschein festgelegt ist, vertrauen? Ja! Den Richtern zufolge durfte sich der Versicherte auf diese Angaben verlassen.
  • War der Vorbehalt im Vertrag der Zurich, die Rente nachträglich einseitig zu kürzen, rechtswirksam?Dem LG Köln zufolge war die Klausel, die den Versicherten benachteiligt hat, unwirksam. Infolgedessen darf der Versicherer die Riester-Rente des Kunden nicht mehr aufgrund dieser Klausel einschränken. Dies ist für die Planbarkeit der Altersvorsorge des Kunden ein wichtiger Aspekt. Die Richter kamen zu dem Entschluss, dass die Regelung den Versicherungs-Nehmer benachteiligt. Denn Anpassungsklauseln müssen in einer Äquivalenz zueinanderstehen, indem Leistung und Gegenleistung in einem gleichen Verhältnis gewahrt werden.
  • Kann die von Zurich angeführte rechtliche Grundlage für die Rentenkürzung einer Überprüfung standhalten? Die Richter entschieden ebenfalls zugunsten des Versicherten. Dem Versicherer wird laut § 163 VVG somit keine Befugnis gewährt. Dies betrifft den Fall, dass der Versicherer geringere Kapitalerträge erwirtschaftet, als er bei der Festlegung des Rechnungszinses kalkuliert hat.


Was folgt als Nächstes?

Das Urteil am LG Köln hat sich für Verbraucher als großer Erfolg erwiesen, da es deren Rechte stärkte. Allerdings ist es noch nicht rechtskräftig. Legt die Zurich Berufung ein, läuft der Streit weiter. Dann verhandelt das Oberlandesgericht Köln erneut den Fall.


Wie viele Kunden der Zurich sind durch das Urteil betroffen?

Das lässt sich nicht genau bestimmen. Es ist aber anzunehmen, dass deutschlandweit einige zehntausend Versicherte eine Rentenkürzung erleiden. Aufgrund dessen übertrifft die Relevanz des Rechtsstreits den Einzelfall in Köln bei weitem. Es gibt neben der Zurich noch andere große Versicherungs-Unternehmen, zum Beispiel den Marktführer Allianz. Diese haben einseitig die künftige Rente ihrer Kunden durch ähnliche Klauseln bei fondsgebundenen Riester-Renten oder Renten-Versicherungen reduziert. Laut Medienberichten zufolge betrifft das allein bei der Allianz rund 700.000 Versicherte.


Was hat das Kölner Urteil für andere Kunden zur Folge, deren zukünftige Rente der Versicherer ebenfalls kürzte?

Dieses Gerichtsurteil, das einen vollen Erfolg für Sparer darstellt, hat Signalwirkung. Das Urteil eröffnet betroffenen Verbrauchern die Möglichkeit, ihre Chancen in einem ähnlichen Streit durchzusetzen. Nicht alle Versicherten profitieren jedoch direkt von dem Urteil. Schließlich ist der Kölner Fall als Einzelklage nur für die beteiligten Personen und Institutionen rechtlich bindend.

Aber es gibt noch kein endgültiges höchstrichterliches Urteil. Somit entscheiden Gerichte noch unterschiedlich. Darüber hinaus kommt es stets auf den Einzelfall und die exakte Formulierung in den Vertrags-Bedingungen an. Dies unterscheidet sich je nach Tarif und Abschlusstermin sogar bei demselben Anbieter. Von nun an haben Versicherte mit laufenden Verfahren und ähnlichen Klauseln die Möglichkeit, sich auf das Urteil des Kölner Gerichts (Az. 26 O 12/22) zu berufen.


Welche Bedeutung hat der Rentenfaktor?

Der Rentenfaktor spielt eine sehr wichtige Rolle. Denn die Kunden wissen zu Beginn der fondsgebundenen Riester-Rente oder Renten-Versicherung nicht sicher, wie viel Rente sie erhalten. Die Höhe der Auszahlung eines fondsgebundenen Produktes hängt davon ab, wie gut sich Börse und Fonds der Kunden entwickeln.

Der Rentenfaktor ist die maßgebliche Rechengröße, um das angesparte Kapital in eine monatliche Rente umzuwandeln. Pro 10.000 Euro erhält der Versicherte mit dem Faktor 30 eine monatliche Rente von 30 Euro. Wenn beispielsweise 120.000 Euro angespart sind, bedeutet das, dass der Sparer eine Rente von 360 Euro im Monat bekommt.


Welche Vertragsklausel ist hier gemeint?

In den folgenden Klauseln behält sich die Zurich das Recht vor, den Rentenfaktor einseitig zu verringern:

„Bereits bei Vertragsschluss nennen wir Ihnen die Monatsrente je 10.000 EUR Vertragsguthaben zum Ende der Ansparphase. […] Wenn sich die Lebenserwartung unerwartet stark erhöht bzw. die Rendite der Kapitalanlagen nicht nur vorübergehend absinkt und dadurch die langfristige Erfüllbarkeit einer lebenslangen Rentenzahlung nicht mehr sichergestellt ist, sind wir berechtigt, Ihre Monatsrente je 10.000 EUR Vertragsguthaben so weit herabzusetzen, wie dies erforderlich ist, um diese langfristige Erfüllbarkeit zu gewährleisten. […]“

Um eine Kürzung der Rente vorzunehmen, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein.

  • Die langfristige Auszahlung der Rente ist gefährdet.
  • Ein unabhängiger Treuhänder bestätigt die Kürzung.


Welche Versicherer haben die Riesterrente ebenfalls gesenkt?

Auch andere Versicherer, einschließlich Branchenführer, haben in Anbetracht der Niedrigzinsphase den aktuellen Rentenfaktor reduziert. Damit stützt sich nicht nur die Zurich Lebens-Versicherung auf solche Anpassungsklauseln hinsichtlich der Herabsenkung des Rentenfaktors.

  • Sparer, die im Zeitraum von 2004 bis 2006 eine Renten-Versicherung bei der VHV abgeschlossen haben, mussten ebenfalls eine Verringerung des Rentenfaktors hinnehmen.
  • 2017 hatte die Allianz eine Senkung des Rentenfaktors für Verträge veranlasst, die in den Jahren 2001 bis 2011 abgeschlossen wurden. Zu Beginn waren die Tarife „Invest alpha-Balance“, „InvestGarantie“ und „IndexSelect Invest“ betroffen. Zu einer weiteren Senkung der Tarife „Invest alpha-Balance“, „InvestGarantie“, „IndexSelect Invest“ und „Portfolio-Police“, die zwischen 2001 und 2013 abgeschlossen wurden, kam es im Jahre 2021.
  • Wer zwischen 2000 und 2014 einen Vertrag bei der AXA abgeschlossen hat, hatte ebenfalls eine Kürzung der Ersparnisse hinzunehmen. Das betraf etwa 700.000 Versicherte.
  • Auch Verträge der R+V Lebens-Versicherung, die bis zum Jahre 2005 abgeschlossen wurden, haben eine Reduzierung des Rentenfaktors erhalten.


Wer ist die Zurich Lebens-Versicherung?

Die Zurich Deutscher Herold Lebens-Versicherung ist in Deutschland eines der größten Unternehmen im Bereich des Lebens-Versicherungs-Geschäfts. Die Gesellschaft, die in Köln ansässig ist, hat sich seit vielen Jahrzehnten auf den Verkauf von fondsgebundenen Versicherungen spezialisiert. Die Zurich gehört somit zu den drei größten Anbietern in diesem Bereich. Daher befasst sich der anhängige Rechtsstreit mit einem der Hauptanbieter von fondsgebundenen Riester-Renten und Renten-Versicherungen.

Wir beraten Sie kostenlos und unverbindlich, ob Ihre Renten-Versicherung betroffen ist, und welche Rechte Ihnen zustehen. Wenden Sie sich jederzeit schriftlich oder telefonisch an mich und meine Kollegen der Kanzlei Wawra & Gaibler:

Wir helfen Ihnen gerne weiter und prüfen Ihren Fall bundesweit. Mit Ihnen gemeinsam besprechen wir die Erfolgschancen sowie das weitere Vorgehen.

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