Rückwirkende Beiordnung als Pflichtverteidiger bei möglichem Verstoß gg. Aufenthaltsgesetz

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Einem türkischen Staatsangehörigen, der in Italien einen Flüchtlingsstatus genießt und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, wird im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle in Deutschland der Vorwurf des illegalen Aufenthaltes gemacht, weil sein italienisches Dokument gefälscht sei und er zur Probe gearbeitet habe. Zu diesem Zeitpunkt ist er bereits mit einer in Deutschland lebenden türkischen Staatsangehörigen verheiratet und erwartet von dieser ein Kind.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main – Außenstelle Höchst – erlässt einen Strafbefehl, gegen welchen Rechtsanwalt Zeljko Grgic Einspruch erhebt und die Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt, weil keine nachvollziehbaren Gründe für den Vorwurf der Urkundenfälschung ersichtlich seien und insbesondere die Rechtslage aufgrund der besonderen Rechte von Türken nach dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei sehr komplex ist. Der Betroffene komme unter Umständen in den Genuss dieser Rechte, auch wenn ihm noch keine Aufenthaltskarte in Deutschland erteilt worden ist.

Das Amtsgericht fragt zunächst nach, ob der Rechtsanwalt den Einspruch zurücknehmen möchte, da die Sach- und Rechtslage eindeutig gegen den Betroffenen spreche. Nach ausführlicher Schilderung der rechtlichen Situation durch Rechtsanwalt Zeljko Grgic nimmt die Staatsanwaltschaft dann aber den Strafbefehl zurück. Das Amtsgericht lehnt erst einige Monate danach den Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt Grgic als Pflichtverteidiger ab, weil eine rückwirkende Beiordnung nicht möglich sei und die Rechtslage keine besondere Komplexität aufweise.

Auf die dagegen erhobene Beschwerde hebt das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 29.09.2015 – Az. 5/27 Qs 53/15 – die Entscheidung des Amtsgerichts auf und ordnet Rechtsanwalt Zeljko Grgic nachträglich als Pflichtverteidiger bei. Zur Begründung weist das Landgericht auf die Beschwerdebegründung von Rechtsanwalt Grgic hin und führt aus, dass vorliegend neben den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes insbesondere die Vorschriften des Assoziierungsabkommens EU/Türkei hätten geprüft werden müssen. Das Ausländerstrafrecht gehöre wegen der Abhängigkeit der Strafbarkeit zu den verwaltungsrechtlichen Regelungen grundsätzlich zu den für Laien ohne Rechtsbeistand schwierig zu erfassenden Rechtsmaterien.

Auch sei eine rückwirkende Bestellung zum Pflichtverteidiger vorliegend ausnahmsweise zulässig, weil der Beiordnungsantrag rechtezeitig gestellt wurde und sich die verspätete Entscheidung des Amtsgerichts nicht zu Lasten des ehemaligen Angeschuldigten auswirken darf. Das Amtsgericht hätte zeitnah über den rechtzeitig gestellten Beiordnungsantrag entscheiden müssen. Die Kosten des gesamten Verfahrens werden der Staatskasse auferlegt.


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