Rückzahlung von Weiterbildungskosten nach der Kündigung?

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Ist das Arbeitsverhältnis beendet, steht oftmals auch die Rückzahlungspflicht von Fortbildungskosten im Raum - sei es für eine interne oder externe Weiterbildung, ein Masterstudium oder einen Lehrgang. Diese Verpflichtung zur Rückzahlung ergibt sich häufig aus dem Fortbildungsvertrag oder Rückzahlungsvereinbarung, welche der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hat. Doch häufig sind diese Rückzahlungsklauseln gar nicht wirksam!

In diesem Artikel sollen die aktuellen Unwirksamkeitsgründe von Rückzahlungsvereinbarungen veranschaulicht werden.

I. Kosten sind nicht aus der Vereinbarung klar erkennbar

Eine Vertragsklausel ist immer dann unwirksam, wenn durch sie eine ,,unangemessene Benachteiligung“ vorliegt (§ 307 Absatz 1 Satz 1 BGB).  Ein Fall einer unangemessenen Benachteiligung liegt vor, wenn die Vereinbarung nicht ,,hinreichend klar und verständlich ist“ (§ 307 Absatz 1 Satz 2 BGB).

Das LAG Niedersachsen (Urteil vom 12. Oktober 2022 - Az. 8 Sa 123/22) entschied neulich folgendermaßen:

"Eine in einer Fortbildungsvereinbarung enthaltene Rückzahlungsklausel stellt eine nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und ist nicht hinreichend klar und verständlich, wenn sie nicht erkennen lässt, welche finanziellen Belastungen - ggf. in welcher Größenordnung - auf den Arbeitnehmer zukommen konnten."

Das heißt, dass sich die möglicherweise zurückzuzahlenden Kosten aus der Vereinbarung so klar wie möglich ergeben müssen.

II. Fehlender gleichwertiger Interessenausgleich

Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (11. Dezember 2018 – Az. 9 AZR 383/18) im Allgemeinen daraus ergeben, dass die Rückzahlungsklausel nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Dabei sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen.

Umfasst die Rückzahlungsvereinbarung eines der folgenden Bedingungen, ist sie unwirksam.

1. Eigenkündigung des Mitarbeiters aus personenbedingten Gründen

Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 1. März 2022 – Az. 9 AZR 260/21) ist eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen, wenn die Rückzahlung auch dann erfolgen soll, wenn der Beschäftigte unverschuldet nicht mehr die Arbeitsleistung erbringen kann und deswegen kündigt.

"Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB , wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll.“

Eine Rückzahlungsvereinbarung muss diesen Fall explizit ausschließen. Eine Klausel z.B., die an sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers knüpft, die nicht auf einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund beruhen, würde automatisch auch den oben genannten Fall umfassen (BAG, Urteil vom 1. März 2022 – Az. 9 AZR 260/21) und wäre komplett unwirksam. Und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer tatsächlich von dieser unwirksamkeitsbegründenden Situation betroffen ist!

Dieser Gedanke gilt auch für die nachfolgenden Fälle.

2. Vom Arbeitgeber mitverursachte Eigenkündigung des Mitarbeiters

Dasselbe Urteil des Bundesarbeitsgericht unterstreicht die Unwirksamkeit einer Klausel, die die Rückzahlungspflicht auch dann auslösen könnte, wenn der Beschäftigte wegen eines Grundes aus der Sphäre des Arbeitgebers – z.B. durch ein vertragswidriges Verhalten - zu einer Kündigung veranlasst oder mitveranlasst wird.

3. Lediglich Nichtbestehen der Fortbildung

Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er die Fortbildung nicht beendet, sind grundsätzlich zulässig (BAG, 1. März 2022 – 9 AZR 260/21).

Allerdings benachteiligen nach dem aktuellen Urteil des BAG vom 25.04.2023 (9 AZR 187/22) Rückzahlungsverpflichtungen, die lediglich an ein wiederholtes Nichtbestehen des angestrebten Examens anknüpfen, den Arbeitnehmer unangemessen. Es müssen darüber hinaus praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.

Dabei reicht es nicht aus, dass bloß Fallkonstellationen, bei denen das wiederholte Nichtablegen des Examens nicht der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers stammenden Gründen zuzurechnen ist, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen sein sollen. Eine solche Regelung greift zu kurz.

Eine solche Vereinbarung erfasst nur einen Teil der praktisch relevanten Fälle und lässt insbesondere eine durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers (mit)veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unberücksichtigt.

Folglich liegt eine unangemessene Benachteiligung vor, wenn durch den Arbeitgeber mitveranlasste Gründe nicht ausdrücklich von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.

Dies hat die Unwirksamkeit der Fortbildungsvereinbarung zur Folge.

Dem Ganzen liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Rückzahlungspflicht bei wiederholtem Nichtbestehen der Prüfung geeignet sei, auf den Arbeitnehmer ein Bleibedruck im bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken. Eine Gleichwertigkeit der Interessen des Arbeitgebers gegenüber dieser Einschränkung und damit eine zumutbare Rückzahlungsverpflichtung könne nur angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer nicht auch in Situationen, in denen ein Verschulden des Arbeitgebers zum Nichtbestehen führt, zur Rückzahlung aufgefordert werden könne.

III. Überschreitung der Bindungsdauer

Auch eine zu lange Verpflichtung, nach Abschluss der Weiterbildung im Arbeitsverhältnis bleiben zu müssen, kann eine Rückzahlungsklausel unwirksam werden lassen. Die Vorteile der Bildung an den Arbeitgeber und die Dauer der Bindung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Das Bundesarbeitsgericht hat folgende Richtwerte entwickelt:

FortbildungsdauerMaximal zulässige Bindung
bis 1 Monatbis zu 6 Monate
bis 4 Monatebis zu 24 Monate
bis 12 Monatebis zu 36 Monate
mehr als 2 Jahrebis zu 5 Jahre

Bitte beachten Sie: Jeder Vertrag ist anders und muss daher im Einzelfall betrachtet werden. Gerne beraten wir Sie, ob auch Ihre Fortbildungsvereinbarung unwirksam ist. Weitere Informationen unter www.burgler.law

Foto(s): Adobe Firefly

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