Scheidung - 10 Mythen und Legenden

  • 8 Minuten Lesezeit

Um die Scheidung schwirren sehr viele Mythen und Legenden. Mit diesem Beitrag soll zumindest ein Teil der verbreiteten Irrtümer aufgeklärt werden.

1. „Eine Scheidung ist teuer – ich werde mir die Kosten des Anwalts nicht leisten können, da ich nicht viel verdiene!“

Die Kosten einer Scheidung berechnen sich grundsätzlich nach dem monatlichen Einkommen der Eheleute. Wird der Versorgungsausgleich (Ausgleich der während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche der Eheleute) durchgeführt, erhöht sich der Verfahrenswert der Scheidung um jeweils 10 % pro Rentenanwartschaft eines Ehegatten.

Sind Sie Geringverdiener oder gehen Sie keiner Beschäftigung nach, steht Ihnen grundsätzlich Verfahrenskostenhilfe – besser bekannt als Prozesskostenhilfe – zu. Bei Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe oder Prozesskostenhilfe werden alle Kosten für die Scheidung von der Staatskasse übernommen.

Sind Sie also Geringverdiener oder arbeitslos und beziehen Arbeitslosengeld I oder II, machen Sie sich keine Sorgen um die Kosten. Ein Rechtsanwalt für Familienrecht prüft für Sie die Voraussetzungen der Verfahrenskostenhilfe oder Prozesskostenhilfe und reicht im Rahmen des Scheidungsverfahrens den Antrag beim zuständigen Familiengericht ein.

2. „Ich werde schnell geschieden, weil meine Ehe kurz war.“

Das ist falsch! Auch wenn die Ehe von sehr kurzer Dauer war, muss grundsätzlich das Ende des Trennungsjahres abgewartet werden. Eine schnelle Annullierung der Ehe aufgrund einer kurzen Ehedauer gibt es nicht. So kurz die Ehe auch gewesen sein mag, auch hier muss das formale Scheidungsverfahren durchlaufen werden. Das bedeutet, dass erst nach Ablauf des Trennungsjahres, der Scheidungsantrag beim zuständigen Familiengericht eingereicht werden kann. Bei Ehezeiten, die unter der 3-Jahresgrenze liegen, wird der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt, wenn kein Antrag hierfür gestellt wird. Hierdurch – und nur hierdurch – wird das Scheidungsverfahren unter Umständen verkürzt, weil die komplizierte Berechnung der Rentenanwartschaften unterbleibt und deshalb nur über die Voraussetzungen der Scheidung („Zerrüttung der Ehe“) zu entscheiden ist. 

3. „Nach der Scheidung kriegt die Mutter das Sorgerecht!“

Haben die Eheleute ein Kind und üben diese das Sorgerecht gemeinsam aus, ändert sich aufgrund der Scheidung nichts.

Das Sorgerecht kann nur auf einen der Elternteile übertragen werden, wenn ein Ehegatte dies auch beantragt. Durch das Scheidungsverfahren wird nicht automatisch das Sorgerecht geändert. Beantragt ein Ehegatte das alleinige Sorgerecht im Rahmen der Scheidung wird auch über diesen Antrag entschieden. Ein automatisches Sorgerechtsverfahren im Rahmen der Scheidung gibt es jedoch nicht. Ein Verfahren auf Übertragung des alleinigen oder auch gemeinsamen Sorgerechts kann unabhängig von einer Scheidung eingeleitet werden.

4. „Die Kinder bleiben nach der Scheidung immer bei der Mutter!“

Auch die Frage, wo der künftige Aufenthalt der Kinder sein wird, ist unabhängig von der Scheidung bzw. dem Scheidungsverfahren zu sehen. Haben die scheidungswilligen Eltern das gemeinsame Sorgerecht – was meistens der Fall ist – müssen sie versuchen, die Entscheidung über den Aufenthalt des Kindes, gemeinsam zu treffen. Sind sie sich hierüber nicht einig, gibt es die Möglichkeit, die Beratung des Jugendamtes in Anspruch zu nehmen. Führt auch dies nicht zu einer Einigung, gibt es die Möglichkeit, beim Familiengericht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu beantragen. Bei dem Aufenthaltsbestimmungsrecht handelt es sich um einen Teil des Sorgerechts. In solchen Verfahren verfolgt ein Elternteil das Ziel, dieses Recht auf sich allein übertragen zu lassen, damit es ohne Einfluss des anderen Elternteils entscheiden kann, wo das Kind dauerhaft verbleibt.

Die Entscheidung des dauerhaften Aufenthalts des Kindes richtet sich immer nach dem Kindeswohl. Ist der Lebensmittelpunkt des Kindes im Haushalt der Mutter zu sehen, dürfte es dem Kindeswohl entsprechen, wenn das Kind weiterhin bei der Mutter wohnt. Ist der Lebensmittelpunkt dagegen beim Vater, sollte aus Gesichtspunkten des Kindeswohls das Kind beim Vater bleiben.

Es gibt also im Ergebnis keine Regel, bei der die Kinder nach der Scheidung bei der Mutter bleiben sollen.

5. „Mein Ex stimmt der Scheidung nicht zu. Was nun?“

Eine Zustimmung zur Ehescheidung beschleunigt und vereinfacht das Scheidungsverfahren, es handelt sich jedoch nicht um eine Voraussetzung für die Scheidung.

Ist ein Ehegatte im Zuge der Trennung vor einem Jahr aus der ehemals ehelichen Wohnung ausgezogen oder lebt er noch immer in der gleichen Wohnung, wurde aber vor einem Jahr die Trennung im ehelichen Haushalt durchgeführt – sog. Trennung von Tisch und Bett – kann die Scheidung auch ohne seine Zustimmung durchgeführt werden. Es muss dann erläutert werden, wie die Trennung vor einem Jahr vollzogen wurde. Liegt die Trennung also auf der Hand und ist das Trennungsjahr abgelaufen, wird die Scheidung auch ohne Zustimmung durchgeführt.

6. „Um Kosten zu sparen, kann man sich für die Scheidung einen gemeinsamen Anwalt nehmen.“

Ehepartner, die sich einvernehmlich scheiden lassen wollen, gehen oft davon aus, dass sie gemeinsam einen Anwalt für die Scheidung beauftragen können, um nur einmal die Anwaltskosten bezahlen müssen. Dies ist jedoch so nicht ganz richtig.

Die scheidungswilligen Ehepartner können richtigerweise nur entscheiden, dass einer von Ihnen einen Anwalt für die Scheidung beauftragt. Der Rechtsanwalt reicht dann für den einen Ehegatten die Scheidung ein. Der andere Ehepartner stimmt dann im Rahmen der Scheidung ohne anwaltlichen Beistand der Scheidung zu. Im Scheidungsverfahren ist man nämlich von dem Anwaltszwang befreit, wenn man der Scheidung nur zustimmen will. Die Eheleute können bei solchen einvernehmlichen Scheidungen untereinander vereinbaren, dass sie sich dann die Kosten des Anwalts teilen. Nur in dieser Hinsicht werden also Kosten gespart.

Gibt es im Laufe der Scheidung aber Streitpunkte (z.B. Unterhalt), sollte sich der andere Ehepartner ebenfalls einen Anwalt nehmen. Der Grund, weshalb es nicht möglich ist, einen gemeinsamen Anwalt zu beauftragen, liegt darin, dass es sich auch bei einvernehmlichen Scheidungen bei den Eheleuten um Antragsteller und Antragsgegner handelt. Aus den jeweiligen Rechtspositionen können also verschiedene Ansprüche für den jeweiligen Ehepartner resultieren. Da es sich in solchen Fällen um gegensätzliche Ansprüche handeln würde, kann ein gemeinsamer Anwalt die gegensätzlichen Interessen nicht vertreten. Beide Eheleute müssen oder sollten sich in solchen Fällen anwaltliche Hilfe holen.

7. „Bei der Scheidung wird auch der Unterhalt geregelt.“

Der Unterhalt wird im Rahmen einer Scheidung nicht automatisch geregelt. Gibt es gemeinsame minderjährige Kinder, muss geprüft werden, ob Ansprüche auf Kindesunterhalt bestehen. Die Berechnung des Kindesunterhalts richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle.

Das Gleiche gilt für den Unterhalt seit der Trennung bis zur Scheidung, den sog. Trennungsunterhalt und für den nachehelichen Unterhalt (Unterhalt nach der Scheidung).

Alle Ansprüche auf Unterhalt müssen im Einzelnen geprüft werden. Erst, wenn ein Ehepartner solche Ansprüche geltend macht, spielen sie im Rahmen einer Scheidung eine Rolle. Macht im Scheidungsverfahren keiner irgendwelche anderen Ansprüche geltend, geht es nur um die Scheidung der Ehe.

8. „Nach der Scheidung wird das Vermögen geteilt.“

Dass nach der Scheidung das Vermögen geteilt wird, ist ein sehr verbreiteter Irrglaube.

In Deutschland gilt bei Ehen der Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet, dass das während der Ehe erworbene Vermögen grundsätzlich dem Ehepartner gehört, der es erwirtschaftet hat.

Hat während der Ehe ein Ehepartner mehr Vermögen angehäuft als der andere, dann kann im Rahmen der Scheidung der andere Ehepartner den sogenannten „Zugewinnausgleich“ beantragen.

Der Zugewinn ist die Differenz zwischen dem Endvermögen eines Partners zum Zeitpunkt der Scheidung und seinem Anfangsvermögen zum Zeitpunkt der Eheschließung.

Steht am Ende der Berechnung der jeweiligen Zugewinne im Ergebnis fest, dass ein Ehepartner einen größeren Zugewinn hat als der andere, dann hat der andere Ehepartner einen Anspruch auf Zahlung der Hälfte der Differenz der Zugewinne („Zugewinnausgleich“).

9. „Er bekommt das Haus, dann habe ich nix mehr damit zu tun.“

Haben die Eheleute ein Haus erworben und wurde hierfür ein Darlehensvertrag gemeinsam abgeschlossen, sind beide Ehepartner gegenüber der Bank zur Zahlung der Kreditverbindlichkeiten verpflichtet. Es spielt hierbei keine Rolle, ob beide Ehepartner als Eigentümer im Grundbuch stehen oder nicht.

Der Darlehensvertrag, der mit der Bank abgeschlossen wurde, ist unabhängig von der Eigentumsposition zu sehen. Meistens zahlt ein Ehepartner die komplette Darlehensrate und der andere Ehegatte geht davon aus, dass er nicht zu irgendeiner Zahlung verpflichtet ist. Der zahlende Ehegatte könnte aber grundsätzlich gegen den anderen die Hälfte der von ihm gezahlten monatlichen Rate verlangen. Dies kommt jedoch bei (noch) intakten Ehe selten vor.  

Überträgt im Rahmen einer Trennung oder Scheidung ein Ehepartner dem anderen seine Eigentumshälfte, wird er nicht automatisch von der Verpflichtung freigestellt, die Hälfte der Darlehensrate an die Bank zu zahlen. Um eine solche Freistellung oder Entpflichtung zu erhalten, sollte der jeweilige Ehepartner mit der Bank ein Gespräch suchen, um eine Lösung des Ganzen zu finden. Im besten Falle kann er unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Kreditvertrag entlassen werden. Dies liegt jedoch in der Entscheidungsmacht der Bank.

Es gibt auch noch die Möglichkeit, dass in solchen Fällen der Ehepartner, dem das ganze Haus gehört, auch die komplette Darlehensrate bezahlt und den anderen Ehegatten im Innenverhältnis von der Verpflichtung freistellt, die andere Hälfte der Darlehensrate zu bezahlen. Hierbei besteht aber die Gefahr, dass der zahlende Ehepartner irgendwann nicht mehr zahlungsfähig ist, die Bank sich deshalb wieder an den anderen Ehepartner wendet und die Zahlung der Kreditraten beansprucht, obwohl dieser Ehepartner nicht mehr Eigentümer des finanzierten Hauses ist.

Bevor im Rahmen einer Trennung oder Scheidung die eigene Eigentumsposition aufgegeben wird und eine Immobilie an den anderen Ehepartner komplett übertragen wird, sollte anwaltlicher Rat in Anspruch genommen werden.

10. „Eheverträge dürfen nur vor der Ehe geschlossen werden?“

Nein! Eheverträge können auch nach Eheschließung geschlossen werden. Im Rahmen dieser Verträge kann beispielhaft geregelt werden, dass auf die gegenseitige Zahlung von Unterhalt nach Scheidung der Ehe verzichtet wird. Die Eheleute können vereinbaren, dass der Versorgungsausgleich ausgeschlossen und dass der Zugewinnausgleich nur im Falle des Todes eines Ehegatten durchgeführt wird (sog. modifizierter Zugewinnausgleich).

Ist eine Scheidung in Sicht, können diese Punkte auch im Rahmen einer sogenannten „Scheidungsfolgenvereinbarung“ geregelt werden. Diese unterscheidet sich kaum von einem Ehevertrag. Beachten muss man aber, dass sowohl der Ehevertrag als auch die Scheidungsfolgevereinbarung notariell beurkundet werden müssen, damit sie wirksam sind.

Die hiesigen Texte sind allesamt überprüft worden, können jedoch keine Rechtsberatung ersetzen, da sie nicht jeden konkreten Einzelfall darstellen können. Es wird keine Garantie und keine Haftung für Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der gemachten Angaben übernommen.

Ihr Rechtsanwalt Giuseppe M. Landucci aus Köln


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt & Mediator Giuseppe M. Landucci

Beiträge zum Thema