Schriftliches Vorverfahren | Rechtsanwalt | Heidelberg

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Rechtsanwälte der Kanzlei Fathieh in Heidelberg

Ein Zivilprozess soll in der Regel an einem einzigen Termin erledigt werden, § 272 Abs. 1 ZPO.  Geht eine Klage in einer Zivilsache bei Gericht ein, entscheidet die Richterin oder der Richter, noch bevor die Klage dem Beklagten zugestellt wird, wie dieser Vorgabe bestmöglich entsprochen werden kann, indem er zwischen einem frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und dem schriftlichen Vorverfahren wählt.  Von dieser Entscheidung hängt der weitere Verfahrensablauf ab.

Entscheidung des Richters im Zivilprozess

Für welche der Möglichkeiten sich die Richterin oder der Richter oder das Gericht entscheidet, steht in seinem freien Ermessen. Es gibt keine gesetzlichen Regelungen darüber, in welchen Fällen ein schriftliches Vorverfahren oder ein früher erster Termin durchgeführt werden soll.  Der Kläger kann zwar bereits in seiner Klageschrift ein schriftliches Vorverfahren anregen, hieran ist der Richter jedoch nicht gebunden. Die Entscheidung des Richters für eine der beiden Vorgehensweisen kann nicht angefochten werden.

Ob sich ein Richter für einen frühen ersten Termin oder für die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens entscheidet hängt von vielen Faktoren ab. Geht die Richterin oder der Richter beispielsweise davon aus, dass ein Vergleich oder Anerkenntnis möglich ist, oder wenn die Sache besonders eilt, wird er tendenziell eher einen frühen ersten Termin anberaumen.

Auf der Kanzleiseite finden Sie eine Unterseite zum Thema Ablauf des Zivilprozesses mit weiteren Informationen zum frühen ersten Termin.

Ablauf des schriftlichen Vorverfahrens

Entscheidet sich der Richter für das schriftliche Vorverfahren, bestimmt er zunächst keinen Termin.

Verteidigungsanzeige

Der Beklagte wird mit Zustellung der Klage aufgefordert, seine Verteidigung anzuzeigen. Die Frist zur Verteidigungsanzeige beträgt zwei Wochen ab Zustellung der Klage. Wird diese Frist versäumt, kann auf Antrag ein Versäumnisurteil ergehen. Die Frist zur Verteidigungsanzeige ist eine Notfrist und kann auch vom Gericht nicht verlängert werden

Zum Thema Fristen im Zivilprozess gibt es einen anderen Rechtstipp der Kanzlei Fathieh.

Klageerwiderung

Der Beklagte hat, wenn er seine Verteidigungsbereitschaft wirksam angezeigt hat, nach Ablauf der Verteidigungsanzeigefrist mindestens zwei weitere Wochen Zeit, um zu der Klage Stellung zu nehmen. Diese Frist kann vom Gericht auf Antrag auch verlängert werden. Die Stellungnahme des Beklagten zu der Klage wird Klageerwiderung genannt. Vereinfacht gesagt stellt der Beklagte hier seine Sicht der Dinge dar und bietet Beweismittel an, die diese stützen. Auch hat der Beklagte die Möglichkeit, seine Rechtsauffassung dem Gericht mitzuteilen.  Hat ein Beklagter seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt, lässt jedoch die Frist zur Klageerwiderung verstreichen, ohne, dass dem Gericht eine Klageerwiderung zugeht, bestimmt der Vorsitzende Richter einen Termin zur Hauptverhandlung, in dem der Beklagte jedoch unter Umständen nichts Weiteres vorbringen kann, da durch Ablauf der Klageerwiderungsfrist das Vorbringen verspätet sein kann.

Weiterer Ablauf

Ist eine Verteidigungsanzeige und eine Klageerwiderung bei Gericht eingegangen, kann das Gericht nun einen Haupttermin bestimmen.

Kommt der Richter allerdings zu dem Schluss, dass es noch weiterer Ausführungen bedarf, gibt er dem Kläger die Möglichkeit, Stellung zu der Klageerwiderung zu nehmen, man spricht dann von der sogenannten „Replik“. Auf diese kann der Beklagte erneut Stellung nehmen, man spricht dann von der sogenannten „Duplik“. Für Replik und Duplik setzt der Richter erneut eine Frist fest.

Die  Stellungnahmen werden angefordert, damit die streitigen und für die Entscheidung erheblichen Tatsachen aufgeklärt werden können, sodass sie im Haupttermin entscheidungsreif sind. In der juristischen Fachliteratur oftmals auch von der „Terminsreife“ des Rechtsstreits gesprochen. Ist ein Rechtsstreit terminsreif, wird ein Haupttermin bestimmt.

Zweck des schriftlichen Vorverfahrens

Das schriftliche Vorverfahren dient, wie auch der frühe erste Termin, der Vorbereitung des Haupttermins. Das schriftliche Vorverfahren wird dabei häufig gewählt, wenn der Sachverhalt komplex, schwierig oder umfangreich ist.

Durch den schriftlichen Vortrag von Kläger und Beklagten kann das Gericht den Haupttermin besser vorbereiten. So kann der Richter bereits evaluieren, welche Umstände streitentscheidend und welche Tatsachen streitig sind. Schon während des schriftlichen Vorverfahrens kann ein Richter einen Beweisbeschluss erlassen und diesen auch ausführen lassen. In vielen Fällen, in denen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss, wird ebenfalls das schriftliche Vorverfahren gewählt.

Güteverhandlung bei Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens

Der mündlichen Verhandlung im Zivilprozess geht in aller Regel eine Güteverhandlung voraus. Diese kann auch bei der Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens stattfinden. In einigen Fällen wird die Richterin oder der Richter bereits bei Erlass der Entscheidung des schriftlichen Vorverfahrens um eine Stellungnahme zu der Durchführung einer Güteverhandlung bitten.  

Vor- und Nachteile eines schriftlichen Vorverfahrens

Bei der Entscheidung zwischen schriftlichem Vorverfahren und frühem ersten Termin wird die zuständige Richterin oder der Richter in vielen Fällen auch die Vor- und Nachteile der beiden Vorgehensweisen für den jeweiligen Rechtsstreit gegeneinander abwägen. Aber auch für die Parteien hat das schriftliche Vorverfahren gegenüber dem frühen ersten Termin sowohl Vor-, als auch Nachteile.

Ein Vorteil des schriftlichen Vorverfahrens kann im Einzelfall beispielsweise sein, dass sehr früh ein Versäumnisurteil ergehen kann. Zeigt der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft nicht an, so kann beispielsweise schon nach Ablauf der zweiwöchigen Frist der Kläger Antrag auf ein Versäumnisurteil stellen. Wird ein früher erster Termin anberaumt, ist ein Versäumnisurteil erst möglich, wenn zu diesem Termin eine der Parteien nicht erscheint.

Ein Nachteil des schriftlichen Vorverfahrens kann allerdings im Einzelfall auch die lange Dauer sein. Die Frist zur Klageerwiderung wird in vielen Fällen verlängert, auch die Fristen für Replik oder Duplik betragen häufig mehrere Wochen. Bis es zu einer mündlichen Verhandlung kommt, können im Einzelfall mehrere Monate vergehen. Insbesondere, wenn viele Tatsachen streitig sind, kann unter Umständen die Verschleppung des Prozesses drohen.

Unterschied zum schriftlichen Verfahren

Nicht zu verwechseln ist das schriftliche Vorverfahren mit dem schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO. Wenn beide Parteien zustimmen, kann das Gericht auch ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren treffen. Das Gericht bestimmt dann eine Frist, binnen derer beide Parteien Schriftsätze einreichen können, und legt einen Termin fest, an dem es seine Entscheidung verkünden wird. Es kommt im schriftlichen Verfahren also gar nicht zu dem Haupttermin, den - im Gegensatz dazu - das schriftliche Vorverfahren vorbereiten soll.

Hinzuziehung eines Anwalts

Ist eine Klage beim Landgericht in einer Zivilsache erhoben worden, herrscht der sogenannte Anwaltszwang. Auch bei den Oberlandesgerichten kann in Zivilsachen nur ein Rechtsanwalt wirksam Prozesshandlungen vornehmen. Bei Klagen vor dem Landgericht aber auch in Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht sollte unbedingt ein Anwalt mandatiert werden, um den Prozess nicht beispielsweise zunächst durch ein Versäumnisurteil zu verlieren. Im Anwaltsprozess können Prozesshandlungen, auch im schriftlichen Vorverfahren, beispielsweise die Verteidigungsanzeige, nur wirksam von einem Anwalt vorgenommen werden.

Aber auch bei Rechtsstreitigkeiten vor dem Amtsgericht im schriftlichen Vorverfahren ist es sinnvoll, einen Anwalt hinzuzuziehen. Die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens kann im Einzelfall kompliziert sein, beispielsweise die Einhaltung von Fristen. Werden hierbei Fehler gemacht, kann es dazu kommen, dass der Prozess verloren wird. Aber auch bei Abfassung der Klageerwiderung können leicht Fehler gemacht werden, beispielsweise kann Präklusion eintreten, wenn die Klageerwiderung nicht sorgsam erarbeitet wurde.  Wichtiger Vortrag kann im Zivilprozess bei verspätetem Vorbringen je nach Fallkonstellation zurückgewiesen werden. Allein hierdurch kann der Zivilprozess verloren werden.

Informationen zum Ablauf des Zivilprozesses finden Sie hier:

https://www.kanzlei-fathieh.de/ablauf-zivilprozess.html

Die Unterseite der Kanzlei Fathieh zum Thema:  Rechtsberatung im Zivilrecht zur Vermeidung langer Gerichtsverfahren finden Sie hier:

https://www.kanzlei-fathieh.de/zivilrecht.html

Die Rechtsanwälte der Kanzlei beraten und vertreten im Zivilrecht, insbesondere auch bei Zivilprozessen nicht nur in Heidelberg, sondern auch in Mannheim und sonstigen Klageorten der Metropolregion Rhein-Neckar.

Bei besonderem Interesse an Ihrem konkreten Fall ist eine bundesweite Vertretung möglich.

Zum Thema Fristen im Zivilprozess finden Sie hier einen Rechtstipp der Kanzlei Fathieh:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/fristen-im-zivilprozess-191369.html

Rechtsanwalt Fathieh aus Heidelberg
Foto(s): Kanzlei Fathieh

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