"Schrottimmobilien"-Prozess am Landgericht Stade vorerst geplatzt

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Der im Januar 2017 unter viel Getöse und medialer Begleitung gestartete „Schrottimmobilien“-Prozess am Landgericht Stade (Az. 500 KLs 132 Js 9841/08) ist nach 35 Verhandlungstagen vorerst geplatzt. Der Vorsitzende dieses Verfahrens, der Richter am Landgericht Benedikt Fulco Witte, ist mitten im Prozess langfristig erkrankt. Das Verfahren musste ausgesetzt werden, da es gemäß § 229 StPO maximal einen Monat unterbrochen werden durfte.

Kein Ergänzungsrichter bestellt

Das Landgericht Stade hatte es zuvor versäumt, für den Mammut-Prozess einen Ergänzungsrichter zu bestellen. Mit Fug und Recht wird man insoweit von einem ganz erheblichen Organisationsverschulden der niedersächsischen Justiz ausgehen müssen. Bei vorausschauender Planung hätte auf die Bestellung eines Ergänzungsrichters nicht verzichtet werden dürfen. Die mit 35 Verhandlungstagen einhergehenden Kosten des Verfahrens, die im mittleren sechsstelligen Bereich liegen dürften, zahlt damit einmal mehr der Steuerzahler. Bei umsichtiger Vorausplanung des Prozesses wäre die Aussetzung des Verfahrens absolut vermeidbar gewesen.

Zweiter Vorsitzender „verschlissen“

Insgesamt steckt im Stader „Schrottimmobilien“-Prozess der Wurm. Mit Witte ist bereits der zweite Vorsitzende „verschlissen“ worden. Zuvor musste schon der Vorsitzende Richter am Landgericht Stefan Tomczak unfreiwillig das Feld räumen, weil er in diesem Verfahren bereits als Staatsanwalt ermittelt hatte und damit kraft Gesetzes vom Richteramt ausgeschlossen war. Bezeichnenderweise kam die Vorbefassung Tomczaks erst heraus, als der Prozess gerade beginnen sollte – und damit gleich wieder verschoben werden musste.

Schadensersatzansprüche der Angeklagten

Für die niedersächsische Justiz kommt es aber noch dicker. Wie aus Kreisen der Angeklagten zu erfahren ist, erwägen sie nun, wegen der rechtsstaatswidrigen Verzögerung des Verfahrens eigene Schadensersatzprozesse gegen das Land Niedersachsen anzustrengen. Hintergrund ist, dass die Ermittlungen des Verfahrens bereits im Jahr 2011 abgeschlossen waren, das Landgericht Stade sich aber bis Mitte 2016 erstaunlicherweise fünf Jahre nicht in der Lage sah, das Verfahren zu betreiben. Damit dürfte es für die Staatskasse und den Steuerzahler noch viel teurer werden.

Und wie geht es weiter?

Im Stader „Schrottimmobilien“-Prozess ist mittlerweile mit allem zu rechnen. Von einem äußerst kostspieligen dritten Anlauf mit drittem Vorsitzenden, über einen „Deal“ hinter verschlossenen Türen bis hin zur Einstellung des Verfahrens insgesamt. Für den Steuerzahler wäre letztere Alternative nach alldem nur zu begrüßen.

(Offenlegung: Der Autor ist Verteidiger eines Angeklagten dieses Verfahrens.)


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