Steuerhinterziehung wegen Scheinselbständigkeit?

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Selbständigkeit kann auf zwei Arten verwirklicht werden: Entweder man arbeitet als Freiberufler oder als „freier Mitarbeiter“ ( auch „Freelancer“). Der Unterschied liegt in der Art des Gewerbes: Freiberufler sind beispielsweise Ingenieure, Ärzte, Notare, Anwälte etc. Sie müssen kein Gewerbe anmelden und dementsprechend auch keine Gewerbesteuer zahlen. Für Freie Mitarbeiter/Freelancer gilt das nicht. Sie arbeiten auf Grundlage von Dienst- oder Werksverträgen, ohne direktes Anstellungsverhältnis beim Auftraggeber. Dadurch sind sie nicht weisungsgebunden und nicht sozialversicherungspflichtig, dafür aber gewerbesteuerpflichtig. 

Wenn diese selbständige Tätigkeit jedoch objektiv betrachtet die Kriterien eines Anstellungsverhältnisses erfüllt, gilt das als Scheinselbständigkeit. Dies kann sowohl für die Auftraggeber als auch für die Auftragnehmer ein schwerwiegendes Problem werden. Denn es drohen steuerstrafrechtliche Konsequenzen.

Im vorliegenden Rechtstipp beantworten wir die folgenden Fragen:    

  • Wann gilt man als scheinselbständig?   

  • Wie wird Scheinselbständigkeit geprüft?   

  • Ist Scheinselbständigkeit Schwarzarbeit?

  • Ist Scheinselbständigkeit Steuerhinterziehung?   

  • Welche Konsequenzen hat Scheinselbständigkeit?

  • Welche Strafen drohen?

  • Was soll ich beim Vorwurf der Scheinselbständigkeit tun?

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Wann gilt man als scheinselbständig?

Wenn jemand vertraglich als freier Mitarbeiter (also Selbstständiger) für ein Unternehmen arbeitet, sich aber ungeachtet dessen, was auf dem Papier steht, de facto in einem Anstellungsverhältnis befindet, spricht man von Scheinselbständigkeit. Ein solches Verhältnis muss nicht in betrügerischer Absicht zustande kommen, sondern kann sich auch unbeabsichtigt einstellen. Daher ist es wichtig, beim Abschluss von Dienst- und Werksverträgen (sowohl als Auftraggeber als auch als Freelancer) darauf zu achten, dass keine Scheinselbständigkeit entsteht. 

Typische Merkmale der Scheinselbständigkeit sind u.a.:

  • Keine anderen Einkommensquellen des Freelancers (5/6 des Jahreseinkommens)

  • Weisungsgebundenheit, Berichtspflicht gegenüber dem Auftraggeber

  • Vertraglich vereinbarter Urlaub  

  • Auftreten des Freelancers als Angestellter (Arbeitskleidung des Unternehmens, keine eigenen Arbeitsmaterialien, Arbeitsräumlichkeiten, Angestellte, Visitenkarten, Werbung, oder Internetpräsenz)

  • Feste Eingebundenheit in Betriebsabläufe (etwa durch Teamarbeit mit Angestellten)

Ein eindeutiges Kriterium der Scheinselbständigkeit gibt es nicht und die Grauzone ist groß; wenn nur einer der genannten Punkte zutrifft, bedeutet das nicht automatisch, dass ein Anstellungsverhältnis besteht. Im Falle einer Prüfung liegt die Entscheidung einzelfallabhängig im Ermessen des zuständigen Gerichts.


Wie wird Scheinselbständigkeit geprüft?

Sowohl die Finanzbehörden als auch Kranken- und Rentenversicherer können im Rahmen routinemäßiger Betriebsprüfungen auf Auffälligkeiten stoßen und daraufhin einen Einzelfall prüfen. Aber auch infolge einer Anzeige durch Dritte kann eine Prüfung veranlasst werden. 

Um ein Vertragsverhältnis auf Scheinselbständigkeit zu prüfen, werden die Vertragsbedingungen und Rechnungen ausgewertet und die Betriebsabläufe analysiert. 

Sowohl Auftraggeber als auch Freelancer selbst haben aber die Möglichkeit, durch Beantragung eines Statusfeststellungsverfahrens bei der Deutschen Rentenversicherung ihren Fall prüfen zu lassen, und gegebenenfalls die Vertragsbedingungen abzuändern, um dem Risiko des Verdachts einer Scheinselbständigkeit vorzubeugen. Ein solches Verfahren kann jedoch nur veranlasst werden, so lange noch keine Behörde auf den Fall aufmerksam geworden ist. 


Ist Scheinselbständigkeit Schwarzarbeit?

Die Scheinselbständigkeit wird gemäß § 1 Abs.2 Nr. 1 SchwarzArbG als Sonderform von Schwarzarbeit betrachtet, da der Auftraggeber hier ein Anstellungsverhältnis nicht als solches deklariert, und damit unrechtmäßig Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge spart. 

Dies hat erst einmal zivilrechtliche Folgen, kann aber auch strafrechtlich relevant werden, da der gesetzlichen Steuerpflicht nicht nachgekommen wurde.


Ist Scheinselbständigkeit Steuerhinterziehung?

Zumeist wird durch eine nachgewiesene Scheinselbständigkeit ein Verstoß gegen § 266a StGB (Vorenthaltung und Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen) verwirklicht. 

Wenn die Behörden (bzw. das zuständige Gericht) allerdings davon ausgehen, dass die Scheinselbständigkeit vorsätzlich betrieben wurde, um die im normalen Anstellungsverhältnis fälligen Beiträge nicht zu zahlen, ist dies gemäß § 370 AO (Steuerhinterziehung) strafbar. Je nach Konstellation des vorliegenden Falles kann sich sowohl der Auftraggeber als auch der Freie Mitarbeiter strafbar machen. Der Auftraggeber trägt jedoch das größte Risiko, da er durch eine Scheinselbständigkeit seines Angestellten am entscheidenden Ende Steuern und Beiträge spart.


Welche Konsequenzen hat Scheinselbständigkeit?

Wenn eine Scheinselbständigkeit festgestellt wurde, ist der Scheinselbständige in der Regel fortan als Arbeitnehmer einzustufen. Dann müssen natürlich als Erstes die Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern für bis zu 4 Jahre rückwirkend nachgezahlt werden. Zahlungspflichtig ist hier primär der Auftraggeber. Gleichzeitig kann dieser die gezahlte Umsatzsteuer vom Auftragnehmer zurück fordern. Bei vorsätzlicher Scheinselbständigkeit kann die Nachzahlung auch auf bis zu 30 Jahre rückwirkend angehoben werden. Meist kommen noch Säumniszuschläge hinzu.

Der als Freelancer deklarierte Arbeitnehmer hat seine Arbeitnehmeranteile nur für drei Monate rückwirkend nachzuzahlen. 

Wenn durch die Scheinselbständigkeit Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO begangen wurde, kommen strafrechtliche Konsequenzen hinzu.


Welche Strafen drohen?

Steuerhinterziehung wird mit hohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren geahndet. Bei besonders schweren Fällen (Steuerhinterziehung in Höhe von mehr als 50.000 € oder gewerbsmäßig über lange Zeiträume) sind Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren möglich. 

Freiheitsstrafen werden erfahrungsgemäß hier zumeist zur Bewährung ausgesetzt. In Kombination mit den unter Umständen horrenden zurückzuzahlenden Steuern sind die Folgen jedoch so oder so verheerend für den schuldig gewordenen Unternehmer. Es ist daher dringend ratsam, keinerlei Risiken bei der Fertigung eines Dienst- oder Werksvertrages einzugehen, und beim geringsten Zweifel diesen aus eigener Initiative prüfen zu lassen! Im Zweifelsfall ist es einfacher (wenn auch steuerlich komplizierter), fähige freie Mitarbeiter direkt als Arbeitnehmer zu beschäftigen.


Was soll ich beim Vorwurf der Scheinselbständigkeit tun?

Je nachdem, was Ihnen konkret vorgeworfen wird, droht ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung. Damit ist nicht zu spaßen. Versuchen Sie nicht, sich zu erklären. Alles, was Sie sagen, kann Ihnen auf die Füße fallen. Nutzen Sie Ihr gesetzliches Schweigerecht.

Kontaktieren Sie umgehend einen Fachanwalt für Steuerstrafrecht, der die gegen Sie erhobenen Vorwürfe prüfen, und wenigstens den Verdacht des Vorsatzes ausschließen kann.

Dr. Brauer Rechtsanwälte sind auf Steuerstrafrecht spezialisiert und vertreten Sie bundesweit.

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