Streu- und Räumpflichten - was gilt wie

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1. Eine winterliche Räum- und Streupflicht kann nicht nur bei allgemeiner Glätte, sondern auch bei einer ernsthaften lokalen Glättegefahr bestehen.

2. Ob eine ernsthafte lokale Glättegefahr besteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei kommt es stets auf den Pflichtenmaßstab an, der an den primär Verkehrssicherungspflichtigen zu stellen ist, der den Verkehr auf der in Rede stehenden Fläche eröffnet hat. Dieser Maßstab gilt auch für einen Dritten, auf den der primär Verkehrssicherungspflichtige die Räum- und Streupflicht übertragen hat. 

So das KG Berlin, mit Urteil vom 6. Dezember 2022 – 21 U 56/22 entschieden.

Hintergrund war folgender Sachverhalt:

Die Klägerin wollte sich in einer Klinik einem Coronatest zu unterziehen. Die Wege auf dem gesamten Gelände seien infolge von Glatteis sehr rutschig und nicht gestreut gewesen. Außerdem habe an dem Tag in Berlin allgemeine Glätte geherrscht. 

Als sie über das Gelände gegangen war und das auf dem Klinikgelände befindliche Corona-Testzentrum erreicht hatte, sei sie dort abgewiesen worden, da dieses samstags geschlossen war. 

Sie habe sich deshalb auf den Rückweg gemacht. 

Noch auf dem Klinikgelände sei sie auf einem Gehweg ausgerutscht und gestürzt. 

Es habe in diesem Bereich für sie keine Möglichkeit gegeben, den rutschigen Gehweg zu verlassen. 

Sie habe sofort Schmerzen im rechten Bein gespürt und habe nicht mehr aufstehen können, nur mit Unterstützung hinzukommender Personen habe sie sich auf eine Bank setzen können. Sie sei dann zur Untersuchung ihrer Verletzung wieder in das Krankenhaus gebracht worden, wo dann die Quadrizepssehnenruptur festgestellt und behandelt wurde.

Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts aufgehoben und der Klage teilweise stattgegeben. Das Landgericht hatte angenommen, die Klinik habe keine Verkehrssicherungspflicht. Auch deshalb nicht, weil es die Streu- und Räumpflichten an anderes Unternehmen (2. Beklagte) abgegeben habe. Zudem hatte das zweite Unternehmen keine Pflicht zur Räumung, weil eine allgemeine Glätte an dem Tag des Unfalls in der Stadt nicht vorgelegen habe.


Dem tritt das Kammergericht entgegen. Die Beklagte zu 2. sei auch am Tag des Unfalls der Klägerin, streu- und räumpflichtig auf dem Gelände der Klinik gewesen. 

Denn die primär verkehrssicherungspflichtige Person, die Trägerin der Klinik, hatte ihr diese Pflicht bereits im Oktober 2015 mit einem Winterdienstvertrag übertragen. Mit einer solchen Übertragung wird der Übernehmer der Pflichten für ihre Einhaltung selbst verantwortlich.


Dadurch dass die Beklagte zu 2) ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen war und noch nicht gestreut hatte, kam es somit zum Sturz der Klägerin auf dem Klinikgelände. 

Auch dieser Umstand war durch die Aussage eines unbeteiligten Zeugen zur Überzeugung des Berufungsgerichts erwiesen. 

Der Zeuge hat vor dem Berufungsgericht glaubhaft geschildert, wie sich der Sturz der Klägerin zugetragen hat, den er selbst von seinem Auto aus gesehen hatte, sowie dass der Weg zu diesem Zeitpunkt noch glatt und nicht gestreut war. Wegen der Glätte habe er Schwierigkeiten gehabt, der Klägerin aufzuhelfen.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass auf dem ersten Blick oftmals keine Ansprüche bestehen, weil vielfach damit argumentiert wird, es bestünden keine Pflichten oder die verletzte Person habe die "eigenübliche Sorgfalt" nicht beachtet. 

So einfach ist es nicht.  Die Kanzlei schutte.legal rät zur rechtlichen Überprüfung, sollte die Gegenseite Ihnen Ansprüche verwehren. Insbesondere Schmerzensgeldansprüche können durch diese Art von Unfällen erheblich sein.



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