Tattoos – Rechtsfragen rund um das Tätowieren

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Woran erkennt man, dass man alt wird?

Vielleicht daran, dass man mit Tätowierungen nichts anfangen kann.

Früher, als ich so um die 20 war, waren nur Menschen tätowiert, die einem bestimmten Milieu zugehörig waren. Zumindest kam es mir so vor. Seeleute und Drogenabhängige beispielsweise. Oder Gefängnisinsassen. Popeye mit dem Anker auf dem dicken Oberarm. Oder mit dem Pfeil durch das vereinsamte, gebrochene Herz. ...

Heute dagegen tragen selbst Modelmädchen „aus gutem Hause“ ein kleines Herzchen oder ein Pfeilchen oder irgendeine Zahlenkombination am Fußgelenk, Unterarm oder sonstwo.

Ich kann damit nichts anfangen. Aus meiner Sicht sind das banale Zeichen ohne tiefere Bedeutung und ohne ästhetischen Wert. Die meisten dieser Motive würde man sich nicht mal für eine Woche an die Wand hängen wollen. Warum man sich so etwas dann ein Leben lang in die eigene Haut eingravieren lässt, verstehe ich nicht.

Aber vielleicht ist es ja der spielerische Umgang mit dem Bösen? Take a walk on the wild side. Good girl gone bad. … So wie der seriöse ältere Anwalt oder Richter, der am Abend Gangster Rap hört und am Wochenende zerrissene (ripped, used, faded, destoyed) Jeans trägt, oder Sneaker ohne Schnürsenkel. Wie im Knast halt. 

Tattoos haben aber auch eine rechtliche Komponente, und die wollen wir uns jetzt einmal etwas genauer ansehen.

1. Ist Tätowieren eine Körperverletzung?

Eine Tätowierung geht unter die Haut und stellt daher tatbestandlich eine vorsätzliche Körperverletzung im Sinne von § 223 Strafgesetzbuch (StGB) dar.

Autsch! Aber jetzt nicht gleich aufschreien, liebe Tätowierer. Einem Arzt geht es da nicht anders. Auch ein ärztlicher Eingriff, zum Beispiel der eines Chirurgen, erfüllt zunächst einmal den Tatbestand der Körperverletzung.

Diese ist jedoch nicht rechtswidrig und damit auch nicht strafbar, wenn sie von der Einwilligung des Betroffenen gedeckt ist.

Die Einwilligung muss jedoch ihrerseits wirksam sein.

Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Einwilligung bestehen, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt der Einwilligung unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand. Insoweit wird es auf das Maß der Intoxikation ankommen.

Bei Minderjährigen ist grundsätzlich (auch) die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, also in aller Regel der Eltern erforderlich.

2. Was ist, wenn die Tätowierung mangelhaft ist?

Was ist, wenn mir der Tätowierer das falsche Kreuz auf den Rücken tätowiert? Oder wenn es "schief" ist oder mir aus anderen Gründen nicht gefällt? Oder wenn sich das Ganze entzündet? ...

Der Auftrag bzw die Vereinbarung, eine Tätowierung anzufertigen, stellt in aller Regel einen Werkvertrag (§ 631 BGB) dar.

Danach muss der Tätowierer das Werk, also die Tätowierung, mangelfrei erstellen (§ 633 BGB). Was mangelfrei bzw umgekehrt mangelhaft ist, hängt von der konkreten Vorgabe ab. Und natürlich auch davon, ob die Leistung den üblichen handwerklichen und hygienischen Anforderungen entspricht.

Im Falle einer mangelhaften Leistung stehen dem Betroffenen die üblichen Gewährleistungsrechte zu (§§ 634 ff BGB). Er kann also Nachbesserung, Minderung und/oder Schadensersatz verlangen.

Rückabwicklung dagegen, also „Geld zurück, Tätowierung zurück“, stelle ich mir schwierig vor.

3. Tattoos und Urheberrecht

Tattoo-Motive können urheberrechtlich geschützt sein. Das ist dann der Fall, wenn sie eine bestimmte „Gestaltungshöhe“ haben, wenn es sich also um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Absatz 2 UrhG handelt.

Einfache Herzchen oder Sternchen nach Schablone sind in aller Regel keine urheberrechtlich geschützten Werke.

Aber es gibt natürlich auch sehr viel komplexere Motive, für die urheberrechtlicher Schutz durchaus in Betracht kommt. Für einen solchen Fall gilt dann folgendes:

a) Tätowierer/Urheber

Der Tätowierer muss sicherstellen, dass er bei seiner Arbeit keine fremden Rechte verletzt. Einem Kunden das urheberrechtlich geschützte Werk eines anderen Künstlers unter die Haut zu tätowieren, kann also eine Urheberrechtsverletzung darstellen.

In diesem Zusammenhang wird manchmal das Recht der sogenannten freien Benutzung (§ 24 UrhG) bemüht. Von einer freien Benutzung spricht man, wenn die persönlichen Züge des Originalwerkes verblassen und die des neuen Urhebers in den Vordergrund treten.

Teilweise wird auch argumentiert, dass die Übertragung eines Werkes in eine andere Werkgattung schon per se eine freie Benutzung darstellt. Also ich habe da so meine Zweifel und würde diese Ansicht eher ablehnen. Die Verfilmung eines Romans (Buch/Film) ist ja anerkannter Maßen auch keine freie Benutzung.

Von daher sollte der Tätowierer immer darauf achten, dass er keine fremden urheberrechtlich geschützten Werke verwendet.

Sich vom Kunden intern freistellen zu lassen, ist zwar besser als nichts, gewährt aber natürlich keinen absoluten Schutz. Denn eine Freistellung wirkt nur im Innenverhältnis. Wenn der Tätowierer also wegen der von ihm begangenen Urheberrechtsverletzung vom fremden Urheber rechtlich belangt wird, dann kann er diesem nicht entgegenhalten, dass es der Kunde so gewollt hat oder dass ihm der Kunde eine Freistellungserklärung unterschrieben hat. Das wäre dann lediglich für einen Regress des Tätowierers gegen den Kunden relevant. Aber diesen Regress muss man auch erst einmal rechtlich und faktisch durchsetzen können.

b) Tätowierer/Kunde

Und wie sieht es im Rechtsverhältnis Tätowierer/Kunde aus? Nehmen wir einmal an, der Tätowierer hat durch seine Arbeit ein eigenes urheberrechtlich geschütztes Werk geschaffen. Geht dieses Werk dann auf den Kunden über?

Ja und nein. Das ist im Grunde so wie mit einem Bild. Der Kunde wird bzw bleibt natürlich „Eigentümer seiner eigenen Haut“, zivilrechtlich gehört ihm also die Tätowierung (§ 903 BGB).

Das Urheberrecht am Werk dagegen verbleibt beim Künstler, in diesem Fall also beim Tätowierer. Der Kunde erhält also beispielsweise nicht automatisch das Recht, die Tätowierung abzufotografieren und selber kommerziell weiter zu verwerten. Im Grunde genommen dürfte der Kunde das Werk nicht einmal verändern oder zerstören, ohne den Tätowierer vorher zu fragen; denn Bearbeitungen und Umgestaltungen bedürfen gemäß § 23 UrhG  der Einwilligung des Urhebers. Hier wird man meines Erachtens allerdings eine konkludente Vereinbarung zwischen Tätowierer und Kunden annehmen können und müssen, wonach der Tätowierer es dem Kunden von vornherein erlaubt, die Tätowierung später auch wieder zu entfernen bzw entfernen zu lassen.

Aber da sind schon auch komplexere Gestaltungen denkbar. Betrachten wir einmal die „Ganzkörpertätowierungen“ eines Medienstars wie Justin Bieber. Eingeweihte wissen wahrscheinlich, von wem der seine Tätowierungen hat. Wenn Justin Bieber jetzt herginge und die Tätowierungen des Tattoo Artists 1 von Tattoo Artist 2 überarbeiten ließe, so dass man im Ergebnis nicht mehr weiß, wer welchen Beitrag geleistet hat, dann können dadurch die Rechte von Tatöwierer 1 durchaus beeinträchtigt sein. Denn dem gefallen möglicherweise die Überarbeitungen seines Nachfolgers nicht und er möchte nicht, dass ihm diese von der „Community“ zugeschrieben werden.

Also Tattoos und Urheberrecht, das ist, wie wir Juristen gerne sagen, ein „spannendes“ Thema.

4. Darf ein Bewerber im öffentlichen Dienst wegen einer Tätowierung abgelehnt werden?

Sie kennen wahrscheinlich die Urteile der Berliner Justiz, in denen es darum geht, ob man einen Polizeianwärter allein deswegen ablehnen darf, weil er äußerlich sichtbar eine Tätowierung, zum Beispiel am Arm trägt.

Hier geht die Rechtsprechung in die Richtung, dass man sagt: Tätowierungen sind „in der Mitte der Bevölkerung“ angekommen. Allein wegen einer neutralen Tätowierung darf ein Polizeianwärter also nicht abgelehnt werden.

Aber da sind natürlich schon auch Grenzfälle denkbar.

Zum einen: Wenn die Tätowierung nicht wertneutral ist, sondern beispielsweise eine bestimmte Gesinnung zum Ausdruck bringt, dann kann das selbstverständlich eine Ablehnung rechtfertigen. Man denke etwa an ein Hakenkreuz-Tattoo. So etwas geht natürlich nicht, jedenfalls nicht im öffentlichen Dienst.

Meines Erachtens muss man darüber hinaus auch auf die konkrete Funktion des Amtsträgers achten. Stellen Sie sich einmal den Vorsitzenden Richter einer großen Strafkammer vor, der eine Gesichtstätowierung im Stil von Mike Tyson trägt. Also praktisch relevant wurde so ein Fall, soweit bekannt, bislang natürlich nicht, aber stellen Sie es sich einfach einmal vor. Meines Erachtens könnte eine solche öffentlich zur Schau getragene Tätowierung das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtspflege durchaus beeinträchtigen. Was wird das Opfer eines Gewaltverbrechens wohl denken, wenn Angeklagter und Richter die gleiche Tätowierung im Gesicht tragen?

Umgekehrt muss man natürlich auch wieder vorsichtig sein. Wenn Angeklagter und Richter beide Glatze tragen, wird das wahrscheinlich noch keine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. …

5. Tattoos und Arbeitsrecht

Und wie sieht es bei einem privaten Arbeitgeber aus, etwa bei einer Bank oder bei einem Vermögensberater? Oder im Sterne-Restaurant? Darf der Chef Ihnen dort verbieten, eine Tätowierung zu haben und/oder diese im Job offen zu zeigen?

Vorab: Im „Antidiskriminierungsgesetz“ (AGG) steht jedenfalls nicht ausdrücklich drin, dass niemand wegen seiner Tätowierung benachteiligt werden darf. Davon unabhängig wäre es in der Praxis auch schwer nachzuweisen, dass man einen bestimmten Job oder die Beförderung/Gehaltserhöhung nur deshalb nicht bekommen hat, weil man tätowiert ist.

Wir bewegen uns hier vielmehr in dem recht unbestimmten Bereich des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber bestimmt die „Außendarstellung“ seines Unternehmens. Der Arbeitnehmer ist quasi definitionsgemäß weisungsgebunden, d.h. der Arbeitgeber darf ihm vorschreiben, wann, wo und wie er seine Arbeit zu verrichten hat.

Dem gegenüber steht aber das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers.

In manchen Branchen und bei manchen Arbeitgebern/Kunden herrscht sicher (noch) die Vorstellung vor, dass zumindest bestimmte Tätowierungen nicht gerade für Seriosität, Kompetenz oder "guten Geschmack" sprechen. Darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer also eine Tätowierung untersagen?

Ich denke, die vorherrschende Auffassung ist folgende:

Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer nicht generell untersagen, eine Tätowierung zu haben oder sich ein Tattoo stechen zu lassen. Vor allem dann nicht, wenn dieses im beruflichen  Alltag nicht sichtbar ist.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer wegen einer solchen Tätowierung nicht entlassen.

Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer jedoch anweisen, zumindest in bestimmten Situationen, zum Beispiel im Kundengespräch, eine Tätowierung – abhängig von der Art des Tattoos - nicht öffentlich zur Schau zu stellen, sondern zu verdecken.

Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer sanktionieren, also zB abmahnen und gegebenenfalls auch verhaltensbedingt kündigen, wenn sich der Arbeitnehmer nicht an eine solche Weisung des Arbeitgebers hält. Hier wird man denn im Streitfall eine Abwägung vornehmen müssen, ob und in welchem Umfang die Tätowierung bzw der Umgang des Arbeitnehmers mit seiner Tätowierung tatsächlich die (berechtigten) Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt.

Ich würde das mal mit einer Kleiderordnung im Betrieb vergleichen. Wir sind uns wahrscheinlich überwiegend einig, dass der Kellner (Chef de rang) eines Gourmetrestaurants die Gäste nicht nach eigenem Gutdünken in Badelatschen bedienen darf und dass die Lufthansa ihren Stewarts und Stewardessen durchaus untersagen kann, im Stringtanga zum Dienst zu erscheinen. Bei Tattoos sehe ich das ähnlich.

6. Fazit

Für mich zeigt das Thema Tätowierungen sehr schön, dass sich die Ansichten darüber, was akzeptabel oder gar cool ist, im Laufe der Zeit wandeln. Ganz erheblich wandeln.

Ich würde ja sagen: Das mit den Tätowierungen ist ein Trend, der vergeht auch wieder. Das ist wahrscheinlich so wie mit dem Haarschnitt: Heute trägt man (wieder) vorne lang und hinten kurz. Also jedenfalls dann, wenn vorne noch genug davon da ist. Und nicht umgekehrt (Vokuhila), wie in den achtziger Jahren.

Passen Sie auf, in 30 Jahren wird Ihnen Ihre Enkelin bestürzt zurufen: „Du Oma, was hast du denn da für ein Gekritzel auf dem Arm? Hattet ihr denn damals kein Papier (oder iPad) zum Malen? ...

Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt



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