Testamente in Vietnam – Ein Überblick

  • 6 Minuten Lesezeit

Ein Testament in Vietnam zu erstellen bietet sich insbesondere dann an, wenn Sie langfristig in Vietnam leben und/oder arbeiten und gleichzeitig über erhebliche Vermögenswerte oder Eigentum in Vietnam verfügen. Sofern Sie darüberhinaus mit einem vietnamesischen Ehepartner verheiratet sind, ist ein Testament in Vietnam vor allem deshalb wichtig, um Ihre Familie außerhalb Vietnams abzusichern, insbesondere Kinder aus früherer Ehe oder Partnerschaft. Hier einige grundsätzliche Überlegungen zumTestament in Vietnam:

1. Verhältnis von Testament und gesetzlicher Erbfolge in Vietnam:

Nach Art. 650 des Vietnamesischen Zivilgesetzbuchs (Vietnam Civil Code, VCC) haben Testamente Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge. Die gesetzliche Erbfolge tritt daher nur dann ein, wenn vom Erblasser a) kein letzter Willen (Testament) erstellt wurde, oder b) das Testament des Erblassers rechtswidrig ist, oder c) alle Erben nach dem Testament verstorben sind oder zur gleichen Zeit wie der Erblasser starben (was wohl nur theoretisch denkbar sein sollte). Sofern gesetzliche Erbfolge eintritt, werden Erben in folgender Reihenfolge ihrer Priorität in drei Ebenen unterteilt:

a. Die erste Ebene umfasst: Ehegatten, leibliche Eltern, Adoptiveltern, biologische und adoptierte Kinder des Verstorbenen. Wichtig ist, daß anders als in anderen Rechtssystemen in Vietnam auch die Eltern des Verstorbenen als Erben der ersten Priorität erfasst werden.

b. Die zweite Ebene umfasst: Großeltern und Geschwister des Verstorbenen; und biologischen Enkel des Verstorbenen. Wichtig ist, daß die zweite Ebene nur dann zum Zuge kommt, wenn keine Erben der ersten Ebene vorhanden sind.

c. Die dritte Ebene umfasst: Urgroßeltern des Verstorbenen, biologische Onkel und Tanten des Verstorbenen sowie biologische Neffen und Nichten des Verstorbenen.

Erben auf gleicher Ebene sind zu gleichen Bruchteilen des Nachlasses berechtigt. Sofern mindestens ein Erbe auf einer Ebene vorhanden sind, sind Erben der nachfolgenden Ebenen vom Erbe gesetzlich ausgeschlossen. Nach Art. 620 VCC steht es Erben frei, die Erbschaft auszuschlagen. Die Ausschlagung der Erbschaft muss schriftlich erfolgen und die restlichen Erben über die Ausschlagung informiert werden. Die Ausschlagung muss bis zur Testamentsvollstreckung erklärt werden.

2. Rechte des Erblassers, Enterbung und Pflichtteil:

Nach Art. 626 VCC hat ein Erblasser (Testator) insbesondere das Recht, Erben abweichend von der oben dargestellten gesetzlichen Erbfolge zu bestimmen und damit Erben gesetzlicher Erbfolge ganz oder teilweise zu enterben.  Der Erblasser kann sowohl Bruchteile seines Vermögens vererben als auch einzelne Vermögensgegenstände im Wege des Vermächtnisses nach Art. 646 VCC vermachen. Soweit allerdings ein einzelner Vermögensgegenstand einen Großteil des Gesamterbes ausmacht, wird dieses „Vermächtnis“ - in Bezug auf die anderen Erben - als Erbeinsetzung interpretiert. Umgekehrt gilt ein Vermächtnis an einen Erben (und nicht an eine dritte Person außerhalb der Erbengemeinschaft) dann als Enterbung, wenn der Wert des vermachten einzelnen Vermögensgegenstandes niedriger ist als 2/3 der ursprünglichen, gesetzlichen Berechtigung des Vermächtnis-Empfängers. 

Das vietnamesische Erbrecht sieht eine Enterbung bestimmter gesetzlicher Erben der ersten Ebene bereits dann als gegeben an, wenn diese  durch Testament wirtschaftlich weniger als zwei Drittel des Anteils erhalten, den sie erhalten hätten wenn gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre. In diesem Fall haben die Folgenden enterbten gesetzlichen Erben der ersten Ebene gegen die verbleibende Erbengemeinschaft einen Anspruch auf Geldzahlung von 2/3 des Anspruchs der ihnen ohne Enterbung zugestanden hätte: Minderjährige Kinder, Eltern und der Ehegatte des Erblassers sowie erwachsene Kinder, sofern diese arbeitsunfähig sind.

3. Form, Inhalt und Widerruf von Testamenten in Vietnam:

Art. 627 VCC unterscheidet u.a. eigenhändige Testamente, Testamente vor Zeugen sowie notariell beurkundete Testamente. Notarielle Beurkundung empfiehlt sich schon aus Beweis- und Verwaltungsgründen. Zudem kann der beurkundende Notar das Testament in elektronischer Verwahrund halten, und im Erbfall die Testamentsvollstrecker informieren. Nach Art. 631 VCC sind Mindestinhalt des Testaments Datum, vollständiger Name und Wohnort des Erblassers sowie die vollständigen Namen der Personen bzw. der Einrichtungen oder Organisationen die nach dem Willen des Erblassers zum Erbe berechtigt sein sollen. Art. 630 VCC bestimmt zudem, daß der Erblasser bei Erstellung des Testaments bei vollem Verstand und nicht bedroht, getäuscht oder anderweitig genötigt war.

Beachten Sie, dass ein Testament in vietnamesischer Sprache beurkundet werden muss, um in Vietnam gültig und durchsetzbar zu sein. Sobald Sie sich entschieden haben, Ihr Testament in Vietnam notariell beurkunden zu lassen oder ein Teil-Testament für Ihre in Vietnam belegenen Vermögenswerte (insbesondere Immobilien) zu erstellen, ist es wichtig, dass Sie im Testament oder als Annex dazu detailliert Ihre Vermögenswerte in Vietnam bezeichnen, wie z. B. bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte mit genauen Standorten (und Ihrer Anteil), Wertpapiere, Bankkonten, Kunstwerke, Fahrzeuge und andere (wertvolle) persönliche Vermögenswerte.

Nach Art. 640 VCC kann der Erblasser sein Testament jederzeit ändern, ergänzen, ersetzen oder widerrufen. Dies sollte idealerweise in der gleichen Form erfolgen wie die ursprüngliche Testamentsesrtellung. Sofern Ergänzung oder Änderung des Testaments in Widerspruch oder Konflikt mit Gesamttestament stehen, geht die Änderung dennoch vor. Ersetzt der Erblasser sein Testament mit einem neuen Testament, gilt nur noch das neue Testament und das alte Testament als widerrufen.

4. Testamentsverwahrung und Testamentsvollstreckung in Vietnam:

Nach Art. 641 VCC kann und sollte der Erblasser einen Notar oder eine andere Person (insbesondere seine Anwaltskanzlei) mit der Verwahrung und auch der Eröffnung des Testaments im Erbfall beauftragen. Wird das Testament von einem Notar verwahrt, gelten für die Verwahrung die gesetzlichen Regelungen für Notare. Sofern eine Anwaltskanzlei oder eine andere Person das Testament verwahrt, besteht eine strenge Geheimhaltungspflicht. Im Erbfall müssen die Testamentsverwahrer den Erben das Testament liefern oder eröffnen.

Nach Art. 616 VCC kann und sollte der Erblasser in seinem Testament neben einem Testamentsverwahrer auch einen Testamentsvollstrecker bestimmen, der die Erbengemeinschaft vertritt und dadurch im Erbfall sicherstellt, dass die Bestimmungen Ihres Testaments präzise und ordnungsgemäß ausgeführt bzw. umgesetzt werden. Der Testamentsvollstrecker stellt nach Art. 659 VCC sicher, dass die Verteilung des Nachlasses gemäß den Willen des Erblassers erfolgt, und anstehende bzw. fällige Zahlungen weiterhin geleistet werden. Notare und Anwaltskanzleien können diese Funktion erfüllen.

5. Koordination verschiedener Testamente in Vietnam und im Ausland:

Manche Erblasser bevorzugen es, für in Vietnam belegene Vermögenswerte (insb. Immobilien) ein eigenständiges Testament zu erstellen. Hier ist es wichtig, keine ambivalenten oder gar widersprüchlichen Testamente für Vietnam und für das Ausland zu haben: Dementsprechend ist es wichtig, dass Sie in Ihren Testamenten die Verteilung Ihres Gesamtvermögens so koordinieren, daß die Wertverteilung unter den Erben angemessen ist und ihren jeweiligen Erbquoten entsprechen bzw. sich daran orientieren. Der Zeitpunkt beider Testamente sollte identisch sein, so daß nicht eine Änderung in das spätere Testament hineingelesen wird. Stellen Sie insoweit zeitlich und territorial eine klare, konsistente und widerspruchsfreie Verteilung Ihrer Vermögenswerte in Vietnam und im Ausland sicher! Wichtig ist es zudem, dass Sie Rechtsberatung auch außerhalb Vietnams in Anspruch nehmen, sofern Vermögenswerte im Ausland belegen sind und/oder nach ausländischem Recht vererbt werden soll. Insbesondere ist zu klären, welche Rechtsordnung für welche Vermögensteile gelten soll und ob Ihr Wunsch zur Rechtswahl überhaupt rechtlich möglich und umsetzbar ist. Dies gilt  z.B. im Hinblick auf Immobilien in Vietnam, für die die Wahl ausländischen Rechts unwirksam wäre.

6. Frühzeitige Nachfolgeplanung:

Gute Nachfolgeplanung bedeutet, dass Sie mit der Verteilung Ihrer Vermögenswerte bereits zu Lebzeiten beginnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich größere Vermögen, Immobilien und Unternehmen/Betriebe im zukünftigen Nachlass befinden. Eine frühe Nachfolgeplanung ermöglicht Ihnen insoweit, Ihr Vermögen gerecht zu verteilen, die Kontrolle über die Verteilung zu behalten und die Nachfolge steuerlich optimal zu gestalten, u.a. durch die volle Nutzung gesetzlicher Freibeträge.

Foto(s): @fotalia.com/1565311

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Matthias Dühn LL.M.

Beiträge zum Thema