10 häufige Rechtsfehler im Geschäftsverkehr in Vietnam

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Vietnam ist als investitionsfreundliches Land zu bewerten, das seine Gesetzgebung in den letzten Jahren modernen Entwicklungen rasant angepasst hat. Nebeneffekt dieser schnellen und radikalen Modernisierung des Rechtssystems sind jedoch zahlreiche widersprüchliche und teilweise überlappende Regelungen, mit deren Auslegung nicht nur vietnamesische Juristen immer wieder Probleme haben. Zudem bestehen in der Praxis häufig deutliche Diskrepanzen zwischen dem „geschriebenen“ und dem „gelebten“ Recht. Hinzu kommt, dass ausländische Investoren und Unternehmer häufig nicht mit bestimmten faktischen Themen vertraut sind, die in der Praxis oft größere Bedeutung als die einschlägigen Rechtsfragen haben. Daher kann in Vietnam rechtlich einiges schiefgehen. Die folgende Auflistung soll eine erste Orientierung geben.

1. Fehler bei der Einstellung und Kündigung von Mitarbeitern:

Bei der Einstellung vietnamesischer Mitarbeiter gilt zunächst, dass sich aus Lebensläufen (CVs) im Bewerbungsverfahren zumeist nur bedingt Rückschlüsse auf die praktische Eignung und zukünftige „Performance“ der Kandidaten ziehen lassen, da die CVs häufig nicht besonders aussagekräftig sind. Dies liegt insbesondere daran, dass Abschlüsse in Vietnam zumeist (noch) nicht mit den entsprechenden Ausbildungs-Standards deutschsprachiger Länder vergleichbar sind. Zum anderen besteht selbst bei guten Kandidaten häufig Unsicherheit über Form, Aufbau, Inhalt und Anlagen zu CVs. Trotz dieser nur begrenzten Aussagekraft vietnamesischer CVs sollte man die Vorauslese geeigneter Kandidaten jedoch keinesfalls allein seinen vietnamesischen Mitarbeitern (Personalmitarbeiter bzw. Human-Resources Abteilung) überlassen, sondern sich - soweit möglich - selbst ein zumindest stichprobenartiges Bild über alle eingegangenen CVs verschaffen. Damit stellt man vor allem sicher, dass nicht persönliche Präferenzen oder unsachgemäße Einstellungskriterien der HR-Abteilung oder des Personalmitarbeiters den Auswahlprozess beeinflussen oder gar dominieren, und aus diesem Grund dann unter Umständen objektiv besser geeignete Kandidaten frühzeitig aus dem Kandidatenpool eliminiert werden. Sofern dann auf Grundlage der CVs eine Vorauswahl getroffen wurde, ist es weiterhin wichtig, sich nicht nur über formale Qualifikationen und Berufserfahrungen des Kandidaten zu erkundigen, sondern auch detailliert familiären Hintergrund, soziales Umfeld und individuelle Motivation des zukünftigen Mitarbeiters zu erfragen. Dies ist in Vietnam, anders als in westlichen Ländern, durchaus legitim und wird von den allermeisten Kandidaten auch nicht als negativ angesehen. Vermeiden sollte man weiterhin in jedem Fall, dass „friends and family“ bestehender Mitarbeiter vorgeschlagen oder eingestellt werden, was in Vietnam häufig versucht wird. Hier sollte man bei dem zuständigen Personalmitarbeiter bzw. der HR-Abteilung im Zweifel ausdrücklich nachfragen bzw. von Anfang an eine entsprechende Hinweispflicht bzw. sogar Einstellungsverbot an die Personalabteilung kommunizieren. In diesem Zusammenhang bietet es sich schließlich auch an, professionelle Personalvermittler mit der Suche und (Vor-) Auswahl möglicher Kandidaten zu beauftragen, da diesen die o.g. Themen zumeist gut bekannt sind. 

Soweit Mitarbeiter ausgewählt sind, gilt es zunächst, dass das vietnamesische Arbeitsrecht traditionell eher arbeitnehmerfreundlich ist. Daher sollten Arbeitsverträge jedenfalls bei der erstmaligen Einstellung nicht nur eine Probezeit vorsehen, sondern auch befristet sein. Befristungen sind für maximal drei Jahre möglich, im Regelfall bieten sich allerdings zunächst zwei Jahre an. Anders als im deutschsprachigen Raum wird eine derartige Befristung von vietnamesischen Mitarbeitern zumeist problemlos akzeptiert. Die Befristung bietet vor allem den Vorteil, dass man schwierige Kündigungsverfahren in vielen Fällen durch einfaches Nicht-Verlängern der ersten Befristung vermeiden kann. Sofern ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen wurde oder ein befristeter Arbeitsvertrag vorzeitig einseitig gekündigt werden soll, ist dies auf Arbeitgeberseite nur in gesetzlich bestimmten Fällen möglich, insbesondere bei: Wiederholter Nicht-Erreichung vertraglich ausdrücklich vereinbarter Ziele (fehlende Eignung des Mitarbeiters), langfristiger Krankheit von sechs Monaten oder länger, unerlaubtem Fehlen für mehr als fünf Tage im Monat bzw. 20 Tage im Jahr, strafrechtlichen Delikten oder Verstoß gegen unternehmensinterne Richtlinien, sowie bei Rationalisierungsmaßnahmen aufgrund höherer Gewalt, betrieblicher Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) sowie Rationalisierungsmaßnahmen oder Liquidation. Die praktische Durchsetzbarkeit einer einseitigen Arbeitgeberkündigung ist in Vietnam jedoch als eher schwierig zu bewerten, u.a. weil diese an zahlreiche formale Voraussetzungen geknüpft ist (Abmahnung, Gewerkschaftsbeteiligung etc.). Ab einer Beschäftigung von mehr als 12 Monaten ist zudem eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehaltes pro Beschäftigungsjahr zu zahlen; bei Kündigung wegen Rationalisierung gilt eine Abfindung in Höhe eines Monatsgehaltes pro Beschäftigungsjahr.

2. Einschaltung vietnamesischer „Strohleute“ zur Vermeidung von Formalitäten:

Die Einschaltung vietnamesischer „Strohleute“ (häufig auch als „Nominees“ bezeichnet) ist in Vietnam nach wie vor ein nicht unüblicher Weg der Gesellschafts- oder JV-Gründungen. Ausländische Unternehmer und Investoren erhoffen sich damit vor allem die Umgehung der Vorschriften des vietnamesischen Investitionsrechts (Law on Investment), das bei der Gründung ausländisch investierter Unternehmen mit ausländischer Beteiligung von über 50% anwendbar ist. Insoweit besteht bei ausländischen Investoren und Unternehmern häufig die fehlerhafte Vorstellung, dass die Einschaltung eines „Strohmanns“ eine schnelle, günstige und unkomplizierte Gesellschaftsgründung in der Weise ermöglicht, dass der ausländische Investor dem Strohmann zunächst das Gründungskapital zum Zwecke der Gesellschafts- oder JV-Gründung privat zur Verfügung stellt, verbunden mit dem Versprechen des Strohmannes, diese Anteile nach Gründung der Gesellschaft an den ausländischen Investor zu übertragen. 

Damit sind allerdings erhebliche rechtliche und faktische Risiken verbunden: Erstens kennt das vietnamesische Recht per se keinen rechtlichen Anspruch auf Übertragung der Anteile eines Strohmanns; und sämtliche dahingehende Vereinbarungen (häufig als „Nominee-Agreements“ bezeichnet) sind nach vietnamesischem Recht wegen Umgehung des vietnamesischen Law on Investments von Anfang an rechtswidrig bzw. jedenfalls nicht gerichtlich durchsetzbar. Zweitens besteht keine rechtliche Handhabe gegen den Strohmann, wenn dieser sich nicht an die Vereinbarung hält, da selbst ein privater Darlehnsanspruch gegen den Strohmann ohne Kreditsicherheiten praktisch kaum durchzusetzen ist – zumal dem ausländischen Investor insoweit der Vorwurf der absichtlichen Umgehung des Investitionsrechts gemacht werden kann. Drittens wäre ein Darlehen in aller Regel nur in vietnamesischer Währung (vietnamesischer Đồng, VNĐ) zurückzuzahlen, so dass Gründungskapital bei privater Zur-Verfügungstellung an den Strohmann nicht ohne weiteres wieder in Fremdwährung zurück konvertiert und ins Ausland überwiesen werden kann. Viertens stellt sich die Anteilsübertragung aus Kostensicht (Beratungs- und Gründungskosten) ähnlich wie die erstmalige Gründung dar, so dass am Ende auch kein entscheidender finanzieller Vorteil zu erkennen ist.

3. Ungeprüfte Verwendung unternehmensinterner, globaler Vertragsmuster:

Auch wenn Englisch in Vietnam zunehmend Verbreitung findet, bleibt Vietnamesisch die Amtssprache im Geschäftsverkehr und auch vor Gericht. In der Praxis empfiehlt es sich daher stets, zweisprachige Versionen sämtlicher Vertragsdokumente zu erstellen (in aller Regel Englisch-Vietnamesisch). Zudem sollte im Vertrag, soweit der vietnamesische Vertragspartner zustimmt, möglichst der Vorrang der englischsprachigen Version bestimmt werden, insbesondere bei kommerziellen Verträgen (z.B. Liefer- und Vertriebsverträge, Service-Verträge etc.). Grenzen bestehen allerdings dort, wo zwingende vietnamesische Vorschriften den Vorrang der vietnamesisch-sprachigen Version ausdrücklich vorschreiben oder der Vorrang der vietnamesischen Version üblich ist (zwingend etwa bei familienrechtlichen Sachverhalten oder Immobilienverträgen, üblich vor allem bei Arbeitsverträgen). In diesem Zusammenhang machen ausländische Investoren und Unternehmer häufig den Fehler, Übersetzungen nicht durch rechtlich geschultes Personal zu erstellen oder jedenfalls überprüfen zu lassen. Dies wiederum führt nicht selten zu Missverständnissen und unter Umständen Rechtsverlust, wenn die ungeprüfte vietnamesische Version eines Dokuments maßgeblich ist. 

Häufig machen ausländische Unternehmer und Investoren zudem den Fehler, ihre unternehmensinternen, globalen Vertragsmuster recht sorglos auch auf Vietnam anzuwenden. Dies geht immer dann schief, wenn die Rechtslage in Vietnam eine andere ist als in anderen Ländern und/oder Begriffe in der vietnamesischen Sprache anders verwendet werden als im globalen Vertragsmuster. Hier kommt es oft vor, dass globale Vertragsmuster zwar kommerziell korrekte Bezeichnungen enthalten, deren rechtliche Bedeutung in Vietnam aber anders ist als im Ausland (z.B. bei den Begriffen „ownership“,„shareholder“, „capital“). Zudem gibt es in Vietnam häufig gesetzliche oder Ministerialvorlagen für Verträge, die bestimmte Mindestanforderungen an Form und Inhalt bestimmter Verträge stellen. Fehlen diese Mindestangaben, ist unter Umständen das gesamte Dokument ungültig. Um dies zu vermeiden, bietet sich zumindest die Gegenprüfung ausländischer Dokumenten- und Vertragsvorlagen auf Übereinstimmung mit den vietnamesisch-rechtlichen Vorgaben an.

4. Fehlerhaft dokumentierte und/oder nicht registrierte Darlehen:

Bei der Darlehensvergabe an vietnamesische Vertragspartner oder Gesellschafterdarlehen an ausländisch investierte Gesellschaften machen sich ausländische Unternehmer und Investoren häufig zu wenig Gedanken über Form und Inhalt von Darlehensverträgen sowie über praktische Aspekte der Aus- und Rückzahlung entsprechender Darlehen. Insbesondere im Hinblick auf Gesellschafterdarlehen denken manche ausländische Investoren, dass die Vorstreckung von Kapital („working capital“) durch ausländische Gesellschafterdarlehen in Fremdwährung eine unkomplizierte Methode ist, den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft bereits vor offizieller Einzahlung des Stammkapitals / Investitionskapitals auf das Konto der Investitionsgesellschaft (oder an vietnamesische Gesellschafter) aufzunehmen bzw. zu erweitern. Dabei übersehen diese allerdings zum einen, dass der kreditgebende Gesellschafter damit, über das Stammkapital hinaus, das persönliche Risiko der Rückzahlung bei Zahlungsverzug oder Zahlungsausfall der vietnamesischen Gesellschaft bzw. des vietnamesischen Gesellschafters trägt. Zum anderen kann sich der Gesellschafter das Darlehen in diesem Fall lediglich in Vietnam Đồng (VNĐ) zurückzahlen lassen; zudem ist es dem Gesellschafter auch nicht mehr bzw. nur über „informelle“ Umwege möglich, diese VNĐ wieder in Fremdwährung zurück zu konvertieren und aus Vietnam herauszuschaffen. 

Daher gilt: Die vietnamesische Gesellschaft sollte von ihren ausländischen Gesellschaftern von Anfang an und auf dem rechtlich korrekten Weg mit ausreichendem Investitions-/Stammkapital ausgestattet werden. Dieses sollte zumindest den tatsächlichen Kapitalbedarf der Gesellschaft für das erste Geschäftsjahr realistisch widerspiegeln. Da das nach Gründung innerhalb von 90 Tagen auf das Gesellschaftskonto einzuzahlende Stammkapital unbeschränkt als „working capital“ verwendet werden kann (und nicht etwa ungenutzt auf einem Sperrkonto o.ä. liegen muss), sollte zunächst geprüft werden, ob über das Investitions-/ Stammkapital hinaus, Fremdwährungsdarlehen an die Gesellschaft überhaupt erforderlich sind. Sofern dies der Fall ist, können ausländische Gesellschafter Fremdwährungsdarlehen in der Weise gewähren, dass diese korrekt rechtlich dokumentiert und ausschließlich über einen sog. „direct investment capital account“ der Gesellschafter auf das Gesellschaftskonto überwiesen werden (und nicht etwa privat). Dieser „direct investment capital account“ ist bei einer vietnamesischen Bank speziell zu diesem Zwecke einzurichten. Nur so vermag sichergestellt zu werden, dass die Rückzahlung ebenfalls in ausländischer Währung erfolgen kann. Zudem ist zu beachten, dass Zinszahlungen auf formlos erteilte Darlehen von den Steuerbehörden u.U. nicht als Einkünfte beziehungsweise Ausgaben anerkannt werden mit der Folge, dass Gesellschafter unter Umständen Steuer auf ihr eigenes Darlehen zahlen. Schließlich ist wichtig, dass Fremdwährungsdarlehen mit einer Laufzeit von zwölf Monaten oder länger bei der Zentralbank (State Bank of Vietnam) registriert werden müssen. Widrigenfalls ist nicht nur die steuerliche Anerkennung versagt, sondern auf die Rückkonvertierung des Darlehns von VNĐ in Fremdwährung.

5. Fehler bei der Wahl von Incoterms-Klauseln:

Im vietnamesischen Zivilrecht besteht eine umfassende Vertragsfreiheit, die nur in bestimmten gesetzlichen Fällen eingeschränkt ist. Daher können sowohl individuelle Vertragsbedingungen als auch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) durch die Vertragsparteien weitgehend frei vereinbart werden. Dies gilt, wie für andere Vertragsinhalte, auch die Wahl der anwendbaren Incoterms-Klauseln, z.B. in Einkaufs-, Liefer- und Vertriebsverträgen. Hier werden Käufer und Verkäufer in aller Regel versuchen, ihre jeweiligen Eigeninteressen zu vertreten: Grundsätzlich wird daher der Verkäufer versuchen, in den Verhandlungen verkäuferfreundliche Incoterms-Klauseln mit frühem Kosten- und Gefahrenübergang durchzusetzen, um sein Risiko zu minimieren. Sofern ausländische Unternehmer nach Vietnam liefern, werden beim Export nach Vietnam daher meistens CIP, CIF, CFR oder FOB vereinbart. Umgekehrt wird auch der Vietnamesische Verkäufer bei Lieferung aus Vietnam heraus versuchen, seinerseits diese Klauseln zu vereinbaren. 

Betrachtet der Verkäufer die Incoterms jedoch auch als Vermarktungs- und Verhandlungsinstrument (eher unüblich), kann er über die Wahl von käuferfreundlichen Incoterms-Klauseln (DAT, DAP und DDP – die sogenannten D-Klauseln) die Attraktivität seines Angebotes für den vietnamesischen Kunden sicherlich steigern. Allerdings muss man beachten: Da der Verkäufer normalerweise die ihm entstehenden Kosten in den Verkaufspreis einrechnet und auf den Käufer überwälzt, spielt der Kostenübergang für den Verkäufer ohnehin meist eher eine untergeordnete Rolle. Oftmals kann es daher sogar klug sein, den Punkt des Kostenübergangs aus Sicht des Exporteurs eher spät (beispielsweise benannter Bestimmungshafen oder Bestimmungsort) zu vereinbaren, um damit die Organisation der Haupttransportstrecke in den eigenen Händen zu behalten. Damit können Spediteure, Transporteure und Reedereien selbst bestimmt werden, um das Transportrisiko durch den Einsatz seriöser Dienstleister zu minimieren.

6. Unterlassene lokale Markenregistrierung im Vertrauen auf WIPO Registrierung:

Leider bestehen in der Praxis immer noch deutliche Lücken hinsichtlich des effektiven Schutzes und der gerichtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte. Dies liegt vor allem an der mangelnden Ausbildung, finanziellen Ausstattung sowie Personalstärke der für den Schutz zuständigen Behörden, insbesondere des „National Office of Intellectual Property Rights“ (NOIP). Im Hinblick auf den lokalen Schutz ihrer Wort- und Bildmarken in Vietnam ist es ausländischen Investoren und Unternehmern dringend anzuraten, ihre Marken in jedem Fall auch dann lokal in Vietnam zu registrieren, wenn an sich ein internationaler Markenschutz besteht. Hier gehen ausländische Investoren und Unternehmer - theoretisch zu Recht - davon aus, dass sich ein „automatischer“ internationaler Markenschutz in Vietnam bereits nach dem Madrider Markenabkommen und/oder nach dem Protokoll zum Madrider Markenabkommen ergibt (da Vietnam Mitgliedsstaat ist), sofern das  Gesuch auf Schutz in Vietnam bei der „World Intellectual Property Organization“ (WIPO) über die jeweilige nationale Behörde des Markenanmelders (außerhalb Vietnams, in dem Drittstaat) eingereicht wird. Denn das Madrider Abkommen, in Verbindung mit dem Schutzgesuch bei der WIPO, sollte an sich dazu führen, dass die jeweilige außerhalb Vietnams erfolgte internationale Markenregistrierung dem Markeninhaber auch innerhalb Vietnams denselben Schutz gewährt, wie wenn der Markeninhaber seine Marke unmittelbar beim NOIP in Vietnam lokal angemeldet und eingetragen hätte. 

Entgegen international üblicher Praxis weicht Vietnam hier aber in der Praxis leider regelmäßig von den Vorgaben des Madrider Abkommens ab, da es den Schutz nach Madrider Abkommen/WIPO nur dann gewährt, sofern dieser auch beim NOIP in Vietnam zusätzlich und selbständig beantragt wurde. Erfolgt dieser „Antrag auf Anerkennung des WIPO-Schutzes“ bei bestehendem internationalem Markenschutz nicht, oder besteht ein internationaler Markenschutz nicht (da Vietnam keiner der Staaten war, für den ursprünglich internationaler Schutz nach dem Madrider Abkommen beantragt war), operiert Vietnam auf Grundlage eines „first-to-file“ Systems, d. h. die erste Person, die den Schutz der Marke beantragt hat, wird im Falle der Genehmigung des Antrages beim NOIP auch Eigentümer der Marke in Vietnam. Diese praktische Situation hat in Vietnam dazu geführt, dass internationale Marken in Vietnam operierender ausländischer Unternehmen von Vietnamesen registriert werden, um den ausländischen Investoren und Unternehmern ihre eigenen Marken dann gegen hohe Zahlungen zu verkaufen. Um derartige Erpressungsversuche von Anfang an zu vereiteln, sollten man international geschützte Marken dennoch beim NOIP in Hà Nội anerkennen bzw. lokal registrieren lassen.

7. Fehlerhafte Wahl des anwendbaren Rechts und Gerichtsstandes:

Viele ausländische Unternehmer und Investoren machen den Fehler, bei Ihren Geschäften mit vietnamesischen Partnern ausländisches Recht und/oder einen Gerichtsstand außerhalb Vietnams zu vereinbaren. Sie verkennen dabei, dass die Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Vietnam als sehr schwierig bis „praktisch unmöglich“ zu bezeichnen ist: Grundsätzlich ist die Anerkennung ausländischer Urteile in Vietnam zwar möglich, wenn der ausländische Staat ein entsprechendes Abkommen mit Vietnam geschlossen hat oder die Gegenseitigkeit verbürgt ist, d.h. der ausländische Staat seinerseits entsprechende vietnamesische Urteile anerkennt. Derartige Abkommen bestehen zwischen Deutschland, Österreich, der Schweiz einerseits und Vietnam andererseits jedoch nicht. Ausländische Investoren und Unternehmer sollten daher zur Beilegung von Streitigkeiten mit vietnamesischen Vertragspartnern eher eine Schiedsgerichtsbarkeit vereinbaren, im Regelfall beim „Vietnamese International Arbitration Centre“ (VIAC). Ein großer Vorteil des VIAC besteht zum einen darin, dass Englisch als Vertrags- und Schiedsgerichtssprache von Anfang an vertraglich vereinbart werden kann. Zudem sind i) die Verfahrensregeln des VIAC übersichtlich und klar, ii) die am VIAC zugelassenen Schiedsrichter in der Anwendung vietnamesischen Rechts erfahren, und iii) Schiedssprüche des VIAC unmittelbar und ohne praktische Probleme in Vietnam vollstreckbar. Schließlich sind auch die Kosten eines VIAC-Verfahrens deutlich günstiger als bei Wahl eines außerhalb Vietnams liegenden Schiedsgerichts.

Trotz der zahlreichen Vorteile wird das VIAC zur Streitbeilegung immer noch von vergleichsweise wenigen ausländischen Investoren und Unternehmern gewählt, und vorzugsweise eine Zuständigkeit des Singapore International Arbitration Centre (SIAC) vereinbart. Hier gilt es allerdings insbesondere Probleme der Vollstreckung zu berücksichtigen: Zwar ist Vietnam seit 1995 Mitglied des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Danach ist die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche möglich, soweit der Schiedsgerichtsort in einem Vertragsstaat des Abkommens liegt. Jedoch behalten sich vietnamesische Gerichte in einem gesonderten Verfahren die Prüfung vor, ob ein ausländischer Schiedsspruch u. U. gegen „Grundgedanken des vietnamesischen Rechts“ verstößt. Sollte das vietnamesische Gericht dies feststellen, entfällt damit auch die faktische Vollstreckbarkeit des ausländischen Schiedsspruches bzw. wird diese erheblich verzögert und erschwert. Weiterhin ist bei der Wahl des SIAC zu berücksichtigen, dass die dortigen Schiedsrichter mit vietnamesischem Recht eher weniger vertraut sind. Zudem liegen die Kosten des Verfahrens und der Schiedsrichter beim SIAC erheblich höher als beim VIAC, und Reisekosten nach Singapur verteuern die ohnehin höheren Kosten zusätzlich.

8. Nachlässiger Umgang mit vietnamesischen Steuerpflichten und Steuerbehörden:

Häufig werden steuerrechtliche Verpflichtungen in Vietnam vernachlässigt. Insbesondere bei der Einschaltung vietnamesischer „Strohleute“ (s.o.) lassen sich viele Investoren immer noch darauf ein, steuerliche Verpflichtungen auf dem „vietnamesischen Weg“ zu erledigen bzw. diese Dinge ihrem vietnamesischen Strohmann zu überlassen. Sofern es hier zu Fehlern kommt, drohen bei Entdeckung von Steuerverstößen empfindliche Nachzahlungen, Strafzahlungen und Zinsen auf nicht entrichtete Steuern. Dies gilt nicht nur für die Körperschaftsteuer, sondern vor allem auch für die Mehrwertsteuer (VAT). So können etwa bei fehlender Registrierung VAT-Gutschriften nicht verrechnet oder erstattet werden, was insbesondere für Start-ups im Hinblick auf Gründungsaufwand im ersten Jahr erheblich sein kann. Obwohl Gesellschaften in Vietnam nicht in jedem Fall verpflichtet sind, für die Gesellschaft einen Chef-Buchhalter (Chief Accountant, CA) zu ernennen, der eine Qualifizierung als Buchhalter sowie über Erfahrung in der Buchführung verfügen muss, empfiehlt sich dieser Schritt für jede vietnamesische Gesellschaft. Der CA stellt Erkennung und Erfüllung aller steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sicher und hat damit neben dem „General Director“ („Geschäftsführer“, „Managing Director“) eine zentrale und wichtige Funktion in der Gesellschaft. So verfügt der CA etwa über Zugang zu Bankkonten, und ist für die Einhaltung und Überwachung steuerlicher Verpflichtungen sowie generell der Compliance in der Gesellschaft zuständig. Investoren unterschätzen häufig diese Schlüsselrolle und ersetzen diesen aus Kostengründen mit einer unterqualifizierten Person, die häufig vom vietnamesischen General Director vorgeschlagen wird.

9. Outsourcing von Compliance durch Einsatz von Vermittlern, Agenten und Beratern:

Vermittler und Agenten treten in vielfacher Form in Erscheinung, z.B. als Broker, Händler, Zollagenten oder als andere „Berater“ oder Dienstleister. Gemeinsam ist diesen Vermittlern, dass sie vertraglich, geografisch und professionell von den sie beauftragenden Unternehmen unabhängig sind. Zum Teil sehen ausländische Investoren und Unternehmer in der Ein- oder Zwischenschaltung lokaler Vermittler, Agenten und Berater einen scheinbar eleganten Weg, über bestimmte Geschäftsdetails gar nicht allzu viel wissen zu müssen. Insoweit gilt jedoch: Korruption lässt sich nicht „outsourcen“! Häufig sind in diesem Zusammenhang Zahlungen an einen Vermittler, um lukrative Verträge mit Kunden zu sichern: In diesen Konstellationen setzt der Vermittler dann Teil seines Honorars bzw. anderweitiger Zahlungen an ihn dazu ein, potenziellen Kunden zum Vertragsschluss zu „überreden“.  Derartige Zahlungen werden in den Büchern des ausländischen Investors oder Unternehmens dann z.B. als "Sonderaufwendungen", "Beratungshonorar" oder „Aufwendungen für Vertriebsprovisionen“ erfasst. 

10. Fehler bei der Suche und Auswahl von Geschäftspartnern:

Unabhängig von Rechtsthemen ist die Wahrscheinlichkeit, in Vietnam auf unseriöse oder unprofessionelle Geschäftspartner zu stoßen, größer als in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Insbesondere im Hinblick auf zukünftige Joint-Venture (JV) Partner gilt zunächst, dass verlässliche und professionelle vietnamesische JV-Partner rar sind, und daher aktiv gesucht werden müssen, da viele ihre ausländischen Geschäftspartner bereits gefunden haben. Zudem ist in manchen Bereichen die mögliche Auswahl geeigneter vietnamesischer Kandidaten bereits von vornherein begrenzt, da nur wenige potenzielle JV-Partner über bestimmte, zwingend erforderliche Geschäftsvoraussetzungen verfügen (z.B. in Bezug auf Kapital, Know-how oder Lizenzen). Daher sollten sich ausländische Investoren und Unternehmer bereits frühzeitig auf die Suche nach geeigneten Geschäftspartnern in Vietnam machen und sich bei möglichen Kandidaten vorab umfassend informieren. 

Foto(s): @Fotolia.com/53741411


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