Überblick zum Steuerrecht Vietnam – Teil 1: Körperschaftsteuer (Corporate Income Tax, CIT)

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Körperschaftsteuersätze: Von der Körperschaftsteuer erfasst werden in- und ausländische Gesellschaften und Organisationen, die in Vietnam investiert haben oder Einnahmen aus Vietnam beziehen (Ausnahmen existieren). Der Standard-Steuersatz beträgt 20 %. Unternehmen aus der Öl- und Gasindustrie unterliegen Sätzen zwischen 32 % und 50 %, jeweils abhängig von Projektstandort sowie spezifischen Projektbedingungen. Bergbau-Unternehmen, die sich mit der Erkundung, Entdeckung sowie Förderung bestimmter Bodenschätze befassen, unterliegen je nach Projektstandort einem Satz von 40 % oder 50 %. Wie oben dargestellt, können bestimmte Unternehmen aus den Bereichen „High-Tech“, „Infrastrukturprojekte von besonderer Bedeutung für den Staat“ oder „Investitionen in strukturschwachen Gebieten“ Vorzugssteuersätze von 10 % bzw. 17 % in Anspruch nehmen. Im Einzelnen gelten folgende Steuersätze:

Ob und wie lange ein Vorzugssteuersatz genutzt werden kann, hängt vom betroffenen Sektor ab:

Steuersatz

Laufzeit

Sektor

10 %

15 Jahre

Neugegründete Unternehmen in Bereichen des Hochtechnologie- und Infrastrukturentwicklungs- und Softwaresektors; wissenschaftliche Forschung und Technologieentwicklung; in Gebieten mit besonders schwierigen sozioökonomischen Bedingungen sowie in ausgewählte Wirtschafts- und Hightech-Zonen, die durch Beschluss des Premierminister errichtet wurden und für spezielle Großinvestitionen im Produktionsbereich.

10 %

unbegrenzt

Unternehmen, welche in den Bereichen Schulungen und Ausbildungen, Gesundheitsvorsorge, Kultur, Sport und dem Umweltsektor tätig sind

17 %

10 Jahre

Neugegründete Unternehmen in Gebieten mit schwierigen sozioökonomischen Bedingungen sowie neugegründete Unternehmen in einer Reihe von bevorzugten Sektoren (z. B. hochwertiger Stahl, Produktion von Maschinen für die Landwirtschaft etc.)

Zu versteuerndes Einkommen / Abzugsfähige Ausgaben: Der steuerpflichtige Gewinn ist die Differenz zwischen den Gesamteinnahmen und den abzugsfähigen Ausgaben zuzüglich anderer steuerbarer Einnahmen. Ausgaben sind immer dann steuerlich absetzbar, wenn sie

  1. sich auf die Erzielung von Einnahmen richten,
  2. durch geeignete Unterlagen ordnungsgemäß belegt sind (insbesondere durch Verträge, elektronische Rechnungen sowie Überweisungsträger bei Ausgaben von 20 Mio. VND oder mehr) und
  3. nicht ausdrücklich als nicht abzugsfähig gekennzeichnet sind.

Nicht abzugsfähige Ausgaben erfassen z. B.:

  1. Abschreibungen des Anlagevermögens, die nicht den geltenden Vorschriften entsprechen;
  2. Vergütungsaufwendungen für Mitarbeiter, die nicht tatsächlich gezahlt werden oder nicht in einem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Unternehmensrichtlinien aufgeführt sind;
  3. Leistungen an Mitarbeiter und deren Familienangehörige, sofern diese eine Obergrenze eines durchschnittlichen Monatsgehalts des Mitarbeiters übersteigen;
  4. freiwillige Kranken- und Unfallversicherungsbeiträge sowie freiwillige Beiträge zu Pensionskassen und Lebensversicherungen für Arbeitnehmer, sofern diese 3 Mio. VND pro Monat und Person überschreiten;
  5. Reserven für Forschung und Entwicklung, die nicht den geltenden Vorschriften entsprechen;
  6. Rückstellungen für Abfindungen und Abfindungszahlungen, die über die arbeitsrechtlich vorgeschriebenen Beträge hinausgehen.
  7. Overhead-Kosten, die von der Zentrale des ausländischen Unternehmens einer Betriebsstätte in Vietnam zugewiesen wurden und die den Betrag nach der vorgeschriebenen umsatzbezogenen Zuweisungsformel übersteigen;
  8. Darlehenszinsen, die dem Teil des noch nicht eingebrachten Gründungskapitals entsprechen sowie bestimmte Kreditzinsen die das 1,5-fache des von der vietnamesischen Staatsbank festgelegten Zinssatzes überschreiten sowie bestimmte Zinsen, die die Obergrenze von 20 % des EBITDA überschreiten; bestimmte Rückstellungen für Kapitalherabsetzungen, Forderungsausfälle, Investitionsverluste, Produktgarantien oder Bauarbeiten, die nicht den geltenden Vorschriften entsprechen;
  9. nicht realisierte Währungsverluste aufgrund der Neubewertung anderer Fremdwährungspositionen als Verbindlichkeiten zum Jahresende;
  10. Spenden mit Ausnahme bestimmter Spenden für Bildung, Gesundheitsfürsorge, Naturkatastrophen oder den Bau von Wohltätigkeitsheimen oder für die wissenschaftliche Forschung;
  11. Verwaltungsstrafen, Geldstrafen, Verzugszinsen;
  12. Zahlungen für Leistungen an verbundene Unternehmen, die bestimmte Bedingungen nicht erfüllen.

Für bestimmte Unternehmen der Versicherungsindustrie, des Wertpapierhandels sowie Lotterien hat das Finanzministerium spezifische Leitlinien zu abzugsfähigen Ausgaben erlassen. Unternehmen ist es schließlich gestattet, einen steuerlich absetzbaren Forschungs- und Entwicklungsfonds zu errichten, in den sie bis zu 10 % des Jahresgewinns vor Steuern einbringen können.

Verlustverrechnung und Konsolidierung: Steuerzahler können Verluste maximal fünf (5) Jahre lang vollständig und hintereinander vortragen. Dabei können Verluste aus steuerlich geförderten Aktivitäten mit Gewinnen aus steuerlich nicht geförderten Aktivitäten verrechnet werden und umgekehrt. Zudem können Verluste aus der Übertragung von Immobilien und der Übertragung von Investitionsprojekten mit Gewinnen aus anderen Geschäftsaktivitäten verrechnet werden. Eine Rückübertragung von Verlusten ist hingegen nicht zulässig. Praktisch wichtig ist jedoch, dass Verlustvortrag und Verrechnung von Gewinnen bzw. Verlusten auf Konzern- oder Gruppenebene nicht möglich sind. Insoweit orientiert sich das vietnamesische Steuerrecht allein am jeweiligen formalen Steuersubjekt (i. d. R der jeweils steuerpflichtigen juristischen Person) und lässt hier keinerlei Konsolidierung mit anderen Steuersubjekten im Konzernverbund vor, selbst wenn es sich bei den verbundenen Gesellschaften um vietnamesische Unternehmen handelt. 

Gewinnüberweisungen ins Ausland: Ausländische Investoren dürfen ihre Gewinne jährlich zum Ende des Geschäftsjahres oder alternativ nach Abschluss des Investitionsprojekts ins Ausland überweisen, sofern sämtliche Steuerverpflichtungen im Hinblick auf die beabsichtigte Gewinnüberweisung ins Ausland erfüllt sind. Zudem muss der ausländische Investor oder die Beteiligungsgesellschaft die zuständige Steuerbehörde mindestens sieben Werktage vor der geplanten Überweisung über die Absicht zur Gewinnüberweisung ins Ausland informieren. Ausländische Investoren dürfen allerdings keine Gewinne überweisen, sofern die Projektgesellschaft bzw. das Beteiligungsunternehmen Verluste angehäuft hat

Verrechnungspreise (Transfer Pricing): Das vietnamesische Steuerrecht verfügt mittlerweile über Regelungen zu Verrechnungspreisen (Transfer Pricing, TP), die definieren, wann eine Transaktion zwischen „verbundenen Unternehmen“ vorliegt und wie hier der entsprechende marktübliche Preis durch Drittpreisvergleich zu berechnen ist. Seit Mai 2017 gilt insoweit Dekret 20/2017/ND-CP in Verbindung mit Rundschreiben 41/2017/TT-BTC, das sich insbesondere an die Verrechnungspreisrichtlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung („OECD“) anlehnt. Die vietnamesischen Regelungen zu Verrechnungspreisen (TP-Regelungen) gelten sowohl für Transaktionen mit Auslandsbezug als auch für rein inländische Transaktionen. Nach Dekret 20 beträgt die Schwelle, als „verbundene Unternehmen“ im Sinne der TP-Regelungen zu gelten, bei 25 %. Die unter Dekret 20 möglichen akzeptablen Methoden zur Bestimmung marktüblicher Preise entsprechen denen der OECD in den Verrechnungspreisrichtlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, u.a.: Fremdvergleichsmethode („arms length“-principle), Wiederverkaufspreis-Methode sowie „cost-plus“-Methode. Dekret 20 verpflichtet verbundene Unternehmen zu einer jährlichen Erklärung der relevanten Transaktionen mit verbundenen Unternehmen, der verwendeten TP-Methoden sowie der Bestätigung des Steuerzahlers über den marktüblichen Wert ihrer Transaktionen. Gemäß Dekret 20 muss die verwendete TP-Methode sicherstellen, dass die Steuerverbindlichkeiten gegenüber dem Fiskus nicht abnehmen, d. h. Abwärtskorrekturen sind grundsätzlich unzulässig. Dekret 20 enthält dazu Antragsformulare, in dem die Angabe detaillierter Informationen erforderlich ist, insbesondere hinsichtlich der Segmentierung von Gewinnen und Verlusten durch Transaktionen mit verbundenen Unternehmen und Dritten. Dekret 20 gibt den Steuerbehörden auch die Befugnis, interne Datenbanken für Bewertungszwecke zu verwenden, sofern die Steuerbehörde einen Verstoß gegen die Anforderungen von Dekret 20 annimmt.In den letzten Jahren hat die Anzahl der durchgeführten Verrechnungspreisprüfungen deutlich zugenommen, wobei diese einen immer ausgefeilteren Ansatz verfolgen und häufig die Gültigkeit der in der TP-Dokumentation genannten Vergleichsdaten sowie Berechnungsmethode in Frage stellen, um sicherzustellen, dass die Wertschöpfung tatsächlich aus konzerninternen Transaktionen generiert wird („Substanz-über-Form“-Prinzip). 

Administration: Die früher erforderlichen vierteljährlichen Körperschaftsteuererklärungen sind nicht mehr erforderlich. Unternehmen müssen stattdessen vierteljährlich lediglich vorläufige Zahlungen auf der Grundlage eigener Schätzungen leisten. Sofern allerdings diese vorläufigen vierteljährlichen Zahlungen weniger als 80 % der endgültigen jährlichen steuerlichen Verpflichtung ausmachen, unterliegen fehlerhafte Schätzbeträge einem Verzugszins i. H. v. bis zu 11 % p.a. (wenn der Fehlbetrag 20 % überschreitet). Die eigentliche, endgültige Körperschaftsteuererklärung wird dann jährlich spätestens am letzten Arbeitstag des dritten Monats nach dem Ende des Geschäftsjahres eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt muss dann auch gleichzeitig die Steuerzahlung auf Grundlage dieser Erklärung erfolgen. Sofern das Steuerjahr eines Unternehmens vom Kalenderjahr abweicht, müssen Unternehmen dies der Steuerbehörde mitteilen und sich das insoweit abweichende Steuerjahr/Geschäftsjahr bestätigen bzw. genehmigen lassen.

Foto(s): @Fotolia.com/61228185


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