Umziehen als Arbeitszeit im Lichte der Rechtsprechung

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Das Umziehen eines Arbeitnehmers kann im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten, beispielsweise im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzwechsel, einer Versetzung oder einem Umzug des Arbeitgebers. Die Frage, ob das Umziehen als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anzusehen ist und damit vergütet werden muss, ist in der Rechtsprechung umstritten.

Grundsätzlich gilt, dass die Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen umfasst. Dabei ist nicht nur die eigentliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, sondern auch die Zeit, die für die Arbeit aufgewendet wird, als Arbeitszeit anzusehen. Das bedeutet, dass auch die Zeit, die für das Umziehen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aufgewendet wird, als Arbeitszeit gelten kann.

Im Einzelfall ist jedoch zu prüfen, ob das Umziehen tatsächlich als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anzusehen ist. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.

Die Rechtsprechung hat sich in diesem Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten des Umziehens als Arbeitszeit befasst. Im Folgenden sollen einige der relevanten Entscheidungen kurz dargestellt werden:

  • BAG, Urt. v. 22.02.1995 - 5 AZR 425/93:

In diesem Fall hatte der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Wohnung gestellt, die der Arbeitnehmer auf eigene Kosten und Verantwortung renovierte. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Zeit für die Renovierungsarbeiten nicht als Arbeitszeit anzusehen sei, da es sich um eine Privatangelegenheit des Arbeitnehmers handle.

  • BAG, Urt. v. 30.09.1998 - 5 AZR 353/97:

In diesem Fall hatte der Arbeitgeber die Arbeitsstätte verlegt und der Arbeitnehmer musste umziehen, um weiterhin in der Firma beschäftigt zu bleiben. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Zeit für den Umzug als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anzusehen sei, da der Umzug auf Weisung des Arbeitgebers erfolgte und im Interesse des Arbeitgebers lag.

  • BAG, Urt. v. 20.09.2000 - 5 AZR 294/99:

In diesem Fall hatte der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer von einem Standort zu einem anderen Standort versetzt, der mehr als 100 Kilometer entfernt war. Der Arbeitnehmer verlangte, dass die Zeit für den Umzug als Arbeitszeit vergütet werde. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Zeit für den Umzug als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anzusehen sei, da die Versetzung eine erhebliche Änderung der Arbeitsbedingungen darstelle.

  • BAG, Urt. v. 22.02.2012 - 5 AZR 765/10:

In diesem Fall hatte der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgefordert, innerhalb von sechs Wochen an einen anderen Standort umzuziehen. Der Arbeitnehmer hatte daraufhin geklagt, dass die Zeit für den Umzug als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu vergüten sei. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Zeit für den Umzug als Arbeitszeit anzusehen sei, da der Arbeitgeber den Umzug einseitig angeordnet habe und der Arbeitnehmer dadurch erhebliche Nachteile gehabt habe.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Umziehen als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anzusehen sein kann, wenn es im Interesse des Arbeitgebers oder auf Weisung des Arbeitgebers erfolgt und die Umstände des Einzelfalls eine Vergütung als Arbeitszeit rechtfertigen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass auch Pausen und Wartezeiten, die im Zusammenhang mit dem Umzug anfallen, als Arbeitszeit zu vergüten sein können.

Das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB kann bei Umzugskosten eine Rolle spielen. Nach dieser Vorschrift ist es dem Arbeitgeber grundsätzlich untersagt, gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung des Arbeitslohns mit eigenen Forderungen aufzurechnen. Allerdings gibt es Ausnahmen von diesem Verbot, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent in die Aufrechnung einwilligt oder wenn es sich um unpfändbare Forderungen handelt.

Im Zusammenhang mit Umzugskosten kann es sich dabei insbesondere um die Frage drehen, ob die Umzugskostenpflicht des Arbeitgebers eine unpfändbare Forderung darstellt. Nach § 850a Nr. 3 ZPO sind Arbeitseinkommen bis zu einer bestimmten Pfändungsgrenze unpfändbar. Dabei ist zu beachten, dass die Pfändungsgrenzen je nach Familienstand und Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers unterschiedlich ausfallen können.

Wenn der Arbeitgeber daher Umzugskosten in Rechnung stellt, die die Pfändungsgrenzen des Arbeitnehmers überschreiten, könnte dies eine unzulässige Pfändung darstellen. In diesem Fall hätte der Arbeitnehmer Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber die Umzugskosten auf die Pfändungsgrenzen reduziert.

Insgesamt ist festzuhalten, dass das Umziehen als Arbeitszeit im Lichte der Rechtsprechung eine komplexe Frage darstellt, die im Einzelfall sorgfältig geprüft werden muss. 


Rechtsanwalt Dr. Stephan Schmelzer, Fachanwalt IT-Recht, Fachanwalt Arbeitsrecht, http://www.dr-schmelzer.com, Ostberg 3, 59229 Ahlen, Tel.: 02382.6646.


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