Unerfüllter Kinderwunsch? Die Leihmutterschaft und das Recht der Reproduktionsmedizin

  • 14 Minuten Lesezeit


Sie haben einen unerfüllten Kinderwunsch und Ihre Möglichkeiten in Deutschland sind ausgeschöpft? Oder erwägen Sie alternative Möglichkeiten diesen Wunsch doch noch zu erfüllen und Fragen sich wie die Rechtslage in Deutschland aussieht? 

Wir bringen etwas Licht in die undurchsichtige Rechtslage und geben Ihnen mit diesem Beitrag einen Einblick in das nationale und internationale die Reproduktionsmedizin betreffenden Recht.  


„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer (…)

 es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen       (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen.


Eine treffendere Einleitung als die Wiedergabe des § 1 Abs. 1 Nr. 7 Embryonenschutzgesetz, einer zentralen Norm dieses nationalen Verbotsgesetzes gibt es wohl nicht. Ein Thema zu das nahezu jeder Mensch eine Expertenmeinung hat. Ein Thema an Brisanz, Emotionalität und Konfliktpotenzial kaum zu übertreffen. Warum? Weil hier ein existenzielles Grundbedürfnis im Mittelpunkt steht: die Fortpflanzung der Spezies Mensch.

Der deutsche Gesetzgeber findet unter anderem in § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG klare Worte, wenn es um die Reproduktionsmedizin betreffende Sanktionen geht. Doch wie sieht die Umsetzung dieses Verbotsgesetzes in der Praxis aus?

Die vorliegende Beitrag behandelt nur einen Aspekt der aktuellen Rechtslage zur nationalen Reproduktionsmedizin, konkret die Leihmutterschaft.

Das Feld der Reproduktionsmedizin, das sich mit der menschlichen Fortpflanzung befasst, ist breit. Als interdisziplinäre Fachrichtung treffen gynäkologische, urologische, genetische, biologische, juristische und ethische Aspekte zusammen. Die wohl relevantesten Gebiete der Reproduktionsmedizin sind die Antikonzeption und die Prokonzeption. Die Antikonzeption verfolgt das Ziel ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, wohingegen sich die Prokonzeption mit dem Gegenteil beschäftigt – Adressaten bei letzterer sind Personen mit unerfülltem Kinderwunsch. Während die Antikonzeption eine der Hauptaufgaben der modernen Medizin ausmacht, betrifft die Prokonzeption einen weltweit gesehen relativ kleinen Personenkreis. Inhalt der Prokonzeption ist dabei die artifizielle Reproduktion.[1]

Artifiziell deshalb, weil die Art und Weise der Zusammenführung von Eizelle und Samenzelle durch die entsprechende reproduktionsmedizinische Maßnahme „künstlich“ erfolgt.[2] Die Therapie von Sterilitätsproblemen erfolgt hier nicht durch Hormonsubstitution oder operative Eingriffe, sondern in Form der „neuen“ medizinischen Methoden, die ihrerseits unter dem Begriff „assistierte Reproduktion“ zusammengefasst werden. Hierunter fallen beispielsweise die Artifizielle Insemination (AI), die In-Vitro-Fertilisation (extrakorporale Befruchtung), die Eizellenspende oder der Gametentransfer[3]. 

Die Reproduktionsmedizin beschränkt sich nicht nur auf verschiedengeschlechtliche Paare, sondern kann auch, wenn verschiedene dieser Methoden miteinander kombiniert werden, gleichgeschlechtlichen Paaren und alleinstehenden Personen ihren Kinderwunsch erfüllen. Denn medizinisch möglich ist diese heutzutage nicht mehr nur noch mit Hilfe von Keimzellen der Wunscheltern oder einer Samenspende. Vielmehr kommen auch die Hilfe durch eine Eizellspende einer anderen Frau, einer Gameten- oder Embryonenspende oder eben die Ersatz- oder Leihmutterschaft als Lösungswege in Betracht.[4]

I. Reproduktionsmedizinische Grundlagen

Das Verständnis des Terminus der Ersatzmutterschaft geht in der Wissenschaft weit auseinander. Einigkeit besteht darüber, dass sich dabei eine Frau bereit erklärt, eine Schwangerschaft für Dritte zu übernehmen, denen sie das Kind nach der Geburt dauerhaft überlässt.[6] In diesem Beitrag wird der Begriff Leihmutterschaft als Oberbegriff verwendet für die drei gängigsten Möglichkeiten der reproduktionsmedizinischen Verfahren – „Ersatzmutterschaft“, „Tragemutterschaft“ und „Tragemutterschaft mit Eizellenspende“. 

II. Gesetzlicher Rahmen – Rechtslage de lege lata

Das deutsche Recht stellt die medizinische Assistenz bei der Leihmutterschaft und deren Vermittlung unter Strafe.[7] Fortpflanzungsmediziner müssen also auf dem Gebiet der assistierten Reproduktionsmedizin eine Vielzahl an gesetzlichen Bestimmungen beachten oder bei ihrem Handeln in Erwägung ziehen. Neben dem wohl zentralsten Gesetz dieses Bereichs, dem Embryonenschutzgesetz, das als Verbotsgesetz ausgestaltet ist, gehören hierzu nicht nur Berufs- und Standesrecht, sondern insbesondere auch die Bestimmungen des BGB, welche seit dem Kindschaftsreformgesetz vor allem personenstandsrechtliche Fragestellungen regeln, sowie weitere gesetzliche Bestimmungen.[8]

Auch wenn Paare oder Alleinstehende mit entsprechendem Kinderwunsch von diesen Strafvorschriften nicht betroffen sind[9], sollten diese bei ihrem Vorhaben dennoch die Regelungen des Adoptionsvermittlungsgesetzes im Hinterkopf behalten. So hat der deutsche Gesetzgeber die Durchführung einer Leihmutterschaft durch die § 1 Abs. 1 Nr. 2, 6, 7 ESchG; §§ 13 – 13d AdVermG ausdrücklich verboten.

III. Umgang mit im Ausland durchgeführten Leihmutterschaften

Anders als in Deutschland wird in anderen Ländern zumeist liberaler mit dem Thema Leihmutterschaft umgegangen[10], was zur Folge hat, dass immer mehr Personen mit Kinderwunsch ihr angestrebtes Ziel im Ausland verwirklichen.

Innerhalb der Europäischen Union fehlt es an einer kollisionsrechtlichen Regelung für die Abstammung, was dazu führt, dass die personenstandsrechtlichen Rechtsstellungen in anderen Mitgliedsstaaten nicht automatisch anerkannt werden. Demnach prüft jedes Gericht bzw. jede Behörde unter die Abstammung des Kindes nach seinem eigenen Recht und unter Berücksichtigung des IPR.[11] Das abstammungsrechtliche Verständnis des deutschen Gesetzgebers über den Begriff der Elternschaft wurde bereits erläutert. Würde die Leihmutterschaft also hierzulande durchgeführt werden hätte dies zur Folge, dass rechtliche Mutter nach §1951 BGB die Leihmutter wäre und nicht etwa die Frau, die das Kind aufzieht und den Auftrag erteilt hat. Auch der Wunschvater wäre nicht rechtlicher Vater im Sinne des innerstaatlichen Rechts. Dieser hätte aber zumindest die Möglichkeit mit Zustimmung der Leihmutter als rechtliche Mutter die Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB anzuerkennen. Zu beachten bleibt an diesem Punkt aber, dass ein Vaterschaftsanerkenntnis nicht möglich ist, wenn es bereits einen rechtlichen Vater gibt, wie zum Beispiel dann, wenn die Leihmutter verheiratet ist und ihr Ehemann qua Gesetz als Vater gilt (§ 1592 Nr. 1 BGB).[12]

Nachdem eben diese Frage der Abstammung sowie der Elternschaft in Leihmutterschaftsfällen im Mittelpunkt stehen und ausländische Rechtsnormen anders als der deutsche Gesetzgeber häufig die Wunscheltern als rechtliche Eltern des durch Leihmutterschaft geborenen Kindes ansieht, sind diese widerstreitenden Wertungen bei Gegenüberstellung der verschiedenen Rechtsordnungen in Ausgleich zu bringen. Mit dieser Problematik hat sich der BGH[13] in der Vergangenheit mehrfach beschäftigt und durch seine jüngste Entscheidung, zumindest für jene Fälle in denen bestimmte Voraussetzungen im zu entscheidenden Sachverhalt angelegt waren[14], unumstrittener werden lassen. Für die Beurteilung des einzelnen Falles ist danach maßgeblich, welches Land und wie dieses die Leihmutterschaftsvereinbarung beurteilt hat. Denn welchen Lösungsansatz die deutschen Gerichte hinsichtlich der Einordnung zur rechtlichen Elternschaft zu wählen haben hängt vor allem von der die Elternschaft der Wunscheltern feststellende Entscheidungsform der Behörden/Gerichte der entsprechenden Länder ab. Relevant wird an dieser Stelle, ob in diesem Land die Abstammung des Kindes durch gerichtliche oder behördliche Entscheidung[15] festgestellt wurde oder nicht[16] und ob die Einreise mit dem so geborenen Kind nach Deutschland visumfrei erfolgen kann.[17] Bevor die Argumentation des BGH näher beleuchtet wird, müssen also zunächst die verschiedenen Lösungswege dargelegt werden.

Aus den oben benannten Gründen müssen sich die Gerichte in einem ersten Schritt also mit kollisionsrechtlichen Überlegungen auseinandersetzen.[18] Ob die Wunscheltern auch hierzulande rechtliche Eltern werden können hängt nämlich maßgeblich davon ab, welcher Prüfungsmaßstab anzuwenden ist, d.h., ob der deutsche Richter den Sachverhalt im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens begutachtet, wobei sich dabei die Frage stellen würde, ob der großzügigere anerkennungsrechtliche ordre public oder der strengere kollisionsrechtliche ordre public aus Art. 6 EGBGB zu Grunde zu legen ist oder nach einer weiteren Möglichkeit eine Beurteilung gar nach Maßgabe des Art. 19 EGBGB zu erfolgen hat, was zu einer Anwendung des deutschen (Abstammungs-)Recht führen kann.

Die Rechtsprechung unterscheidet also zwischen zwei verschiedenen Wegen: Zum einen die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über die Feststellung der Elternschaft. Zum anderen die kollisionsrechtliche Behandlung im Rahmen einer Anknüpfung an Art. 19 EGBGB, wenn dem Sachverhalt eben keine solche Entscheidung bzw. keine eigene Sachprüfung eines ausländischen Gerichts bzw. einer ausländischen Behörde zu Grunde liegt.[19]

Was jedoch klar zu sagen ist, ist, dass in Deutschland ein eindeutiges und klar geregeltes Verbot der Leihmutterschaft gilt. Der Gesetzgeber möchte durch die Regelungen im Embryonenschutzgesetz, dem Adoptionsvermittlunsgesetz sowie entsprechenden Normen im BGB bereits die Durchführung dieser Art von Fortpflanzung verhindern. Er knüpft damit präventiv an. Dies wirft die Frage auf, was passiert, wenn eben dieser Weg zur Realisierung des Kinderwunschs dennoch bestritten wird. Von herausragender Bedeutung in diesem Kontext ist eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs [20].

Durch seinen Beschluss hat der BGH seine auf das Anerkennungsverfahren ausländischer Entscheidungen die Leihmutterschaft betreffende Rechtsansichten wiederholt und verfestigt. Bereits in seiner bedeutenden Erstentscheidung aus dem Jahr 2014[21] hatte der Senat die rechtliche Elternschaft in einem sehr ähnlich gelagerten Fall positiv entschieden und dabei maßgeblich auf die genetische Verwandtschaft des Wunschvaters abgestellt.[22] In dem dortigen Fall ging es um die Nachbeurkundung eines im in Kalifornien durch eine Leihmutter geborenen Kindes. Zwei deutsche Lebenspartner beauftragten eine unverheiratete US-amerikanische Leihmutter. Die gegenständliche Eizelle war gespendet, der Samen von einem der Wunschväter. Neben der gerichtlichen Feststellung der Elternschaft durch das kalifornische Gericht, erkannte der genetische Vater des Kindes die Vaterschaft zudem an.[23]

In Rahmen dieser Entscheidung lehnte der Senat einen Verstoß gegen den ordre-public Vorbehalt ab und verwies dabei im Wesentlichen auf die Anwendung der von der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des EGMR gewährleisteten Menschenrechte, die als Auslegungshilfen auf Ebene des Verfassungsrechts für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes heranzuziehen seien.[24]

In seinen Entscheidungsgründen traf der Senat auch hier zunächst allgemeingültige Aussagen über die Anerkennungsfähigkeit und der damit einhergehenden Unterscheidung der Begrifflichkeiten des anerkennungsrechtlichen ordre public-Vorbehalts aus § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG und dem ordre public international aus Art. 6 EGBGB. Eine ausländische Entscheidung über die rechtliche Elternschaft in Form der Nachbeurkundung[25] sei anders als eine bloße Registrierung des Verwandtschaftsverhältnisses der Anerkennung zugänglich.[26] Einen Verstoß gegen den ordre public sei, zumindest bei genetischer Verwandtschaft zum Wunschvater, nicht ersichtlich.

Der Senat nahm in diesem Zusammenhang zunächst Stellung zur Vaterschaftsanerkennung sowie der Gleichgeschlechtlichkeit der Wunscheltern und erachtete hierdurch keine Probleme: Hinsichtlich des genetisch mit dem Kind verwandten Wunschvaters, der seine Vaterschaft vor dem deutschen Konsulat anerkannte, stellte der BGH aufgrund des Umstands, dass die Leihmutter nicht verheiratet war, bereits ohne weiteres den Einklang mit § 1592 Nr. 1 BGB fest.

Bezogen auf die Anerkennung des weiteren Wunschvaters, verwies der BGH auf § 1591 BGB und führte aus, dass auch in Fällen mit verschiedengeschlechtlichen Paaren nicht die Wunschmutter, sondern die Leihmutter abstammungsrechtliche Mutter sei. Etwas anderes könne, wobei er seine Argumentation insoweit auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption[27] stützt, für gleichgeschlechtliche Paare nicht gelten.

Der Umfang seiner Argumentation bezogen auf die Leihmutterschaft als solche fällt dagegen schon üppiger aus. Im Vordergrund sah er die Grundrechte des Kindes, insbesondere das Recht auf rechtliche Eltern gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 und aus Art. 8 Abs. 1 EMRK. Er setzte sich aber auch mit den Menschenrechten der betroffenen Leihmutter auseinander.

Der Gesetzgeber habe mit dem Erlass des Embryonenschutzgesetzes und des Adoptionsvermittlungsgesetzes bzw. dem damit enthaltenen Vorgaben zur Leihmutterschaft zwar generalpräventive Ziele verfolgt, auf die die Zuordnung in § 1591 BGB aufbaut, der mithin auch Ausdruck generalpräventiven Erwägungen sei. Auch sollten diese Regelungen die Sicherstellung der Rechte der Leihmutter und das Kindswohl gewährleisten. Zu benennen sei hier die psychosoziale und körperliche Beziehung zwischen Leihmutter und Kind[28]. Wenn aber die Freiwilligkeit der Leihmutter durch die ausländische Entscheidung sichergestellt ist, so der Senat, sei die Durchführung Selbiger mit einer Adoption vergleichbar, sodass die Leihmutterschaft für sich genommen keinen Verstoß gegen Menschenrechte der Leihmutter darstellen dürfte.[29] Das Gericht verweist zur Begründung insbesondere auf die vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit zur vertraulichen Geburt nach §§ 25 ff. des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) mit anschließender Inkognito-Adoption nach § 1747 Abs. 4 S. 2 BGB.

Anders sei die Situation nur zu bewerten, wenn die Freiwilligkeit dagegen in Frage gestellt ist oder wesentliche Umstände der Leihmutterschaft, wie etwa in Fällen in denen Angaben zur Bedingung der Leihmutterschaft fehlen[30] oder grundlegende verfahrensrechtliche Garantien außer Acht gelassen wurde.[31] 

Hauptsächlich kam es dem Senat aber darauf an herauszuarbeiten, dass die Befolgung generalpräventiver Erwägungen nicht zu Lasten des Kindes, das keinen Einfluss auf seine Entstehung habe und dafür nicht verantwortlich gemacht werden dürfe,[32] ergehen dürften. Die sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 GG und aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergebenen Rechte des Kindes gewährleisten auch ein Recht auf rechtliche Zuordnung zu beiden Eltern. Diese sei nur durch eine Anerkennung der ausländischen Entscheidung sichergestellt. Als Grundlage für diese Ansicht bezieht sich der Senat auch in dieser Entscheidung auf das bei Nichtanerkennung entstehende „hinkende Statusverhältnis“[33]. Neben diesen rechtlichen Gegebenheiten machte der Senat auch auf die Tatsache aufmerksam, dass die Wunscheltern im Gegensatz zur Leihmutter ein großes Interesse an der gedeihlichen Entwicklung des Kindes hätten.

Fazit

Festzuhalten bleibt, dass gerade das Fehlen gesetzlicher Regelungen zur Anerkennung im Ausland durchgeführter Leihmutterschaften zu Unsicherheiten durch den teilweise doch unterschiedlichen Umgang in der Rechtsprechung führt. Die innerstaatlichen gesetzlichen Regelungen, insbesondere des Embryonenschutzgesetz, scheinen veraltet und bedürfen zur Vorbeugung von Zufallsergebnissen der Überarbeitung. Anderenfalls besteht, wie eindrücklich bewiesen, die Gefahr, dass die ursprünglichen generalpräventiven Erwägungen des Gesetzgebers, die eigentlich ausschließlich der Prävention, also Verhinderung von Leihmutterschaften, nicht jedoch deren Repression, also Bestrafung bereits durchgeführter Leihmutterschaften dienen sollte, zu Lasten des Kindeswohls gehen. Denn der Gesetzgeber kann hiermit nicht gewollt haben, dass eine dennoch durchgeführte Leihmutterschaft, nur um die Stärke des Gesetzes zu beweisen, auf dem Rücken der so geborenen Kinder, die ihre Entstehungsgeschichte nicht beeinflussen können, ausgetragen wird und im Ergebnis zu einer Elternlosigkeit führen würde.[34]

Das diese Befürchtungen real und der Handlungsbedarf offensichtlich ist zeigen die Entscheidungen verschiedenster Gerichte, die sich mal mehr und mal weniger bewusst gegen die obergerichtlichen Entscheidungen zu allgemeingültigen Aussagen hinreißen lassen oder aber, was noch wesentlich schlimmer erscheint, Entscheidungen des EGMR über Fälle, die ihrerseits unter Umständen völlig anders gelagert sind, missverstehen und somit die rechtliche Lage fehlinterpretieren. Pauschale oder einheitliche Voraussetzungen für eine mit dem ordre public-Vorbehalt aus § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG im Einklang stehende Anerkennung lassen sich daher kaum ausmachen. Es bleibt maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen.

Für den Fall einer Leihmutterschaft, die in den USA vorgenommen wurde und der eine gerichtliche Entscheidung nach amerikanischem Recht zu Grunde liegt hat der BGH allerdings nach alledem, zumindest für den einschlägigen Fall einer genetischen Verwandtschaft zu einem der Wunscheltern, inzwischen in überzeugender Weise einen ordre public-Verstoß verneint.

Dies führt dazu, dass deutschen Wunscheltern zu empfehlen sein wird eine geplante Leihmutterschaft in den USA zu realisieren.


Unsere Kanzlei ist auf das Medizinrecht spezialisiert und kann Ihnen bei Fragen zur Reproduktionsmedizin oder dem allgemeinen Medizinrecht kompetent und auch bundesweit weiterhelfen. 


Madalena Lindenthal-Schmidt
Rechtsanwältin


[1]   BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NJW 2015, 479 Rn. 53.

[2]   Wellenhofer, in: MüKoBGB § 1591 Rn. 24d): Dem folgend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.4.2015 = NZFam 2015, 865 (867); Mayer, IPRax 2014, 57 (60); BGH, Beschl. v. 10.12.2014 =  NJW 2015, 479 Rn. 34 f.; zust. Henrich, IPrax 2015, 229, 231; etwas restriktiver Vorinstanz KG, Beschl. v. 1.8.2013 = openJur 2013, 34334 Rn. 46.

[3]   Wellenhofer, in: MüKo,BGB, BGB § 1591 Rn. 24 d).

[1]   Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion und gleichgeschlechtliche Elternschaft, S. 215.

[2]   Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 4.

[3]   Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A.IV., Rn. 175 ff.

[4]   Tabellarischer Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten bei Kaiser, in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, Einl. A. Rn. 215.

[6]   Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion und gleichgeschlechtliche Elternschaft, S. 225-226.

[7]   Hausmann, in: Hausmann Internationales und Europäisches Familienrecht, Abstammungssachen Rn. 22; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG, § 14b Abs. 1 u. 2. AdVermiG.

[8]   Müller-Terpitz, in: Spickhoff, ESchG § 1 Rn. 20, 21.

[9]   Behrentin/Grünenwald, NJW 2019, 2057, 2057.

[10]   Die Frage nach der Legalität der Leihmutterschaft befindet sich global betrachtet in einem großen Rechtsgefälle. Sie reicht von einem strikten Verbot wie in Deutschland (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG), über die Erlaubnis für altruistische Leihmutter (wie in den Niederlanden) bis hin zu der Möglichkeit von kommerziell verfolgten Zwecken (wie z.B. im US Bundesstaat Kalifornien) (Stürner, in: Beck-online.GROSSKOMMENTAR, EGBGB Art. 6 Rn. 386; Rechtsvergleichender Überbl. bei Dethloff, in Ditzen/Weller, Regulierung der Leihmutterschaft, 2018, 55.58; Engel, ZEuP 2014, 538, 540-542; Ein Überblick hierüber: Helms, StAZ 2013, 114;

[11]   Unter Umständen kann dies zu sog. „hinkenden Statusverhältnissen“ führen: Während Mutter in dem einen Mitgliedsstaat die Wunschmutter ist, wird ihre Stellung als solche in dem anderen Mitgliedsstaat verneint wird (Andrae, in: Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Abstammung von Kindern Rn. 2).

[12]   Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda – Eine Analyse zum AME-FMedG, S. 153.

[13]   BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NJW 2015, 479; BGH, Beschl. v. 5.9.2018 = NJW-RR 2018, 1473; BGH, Beschl. v. 20.3.2019 = NJW 2019, 1605; NJW 2019, 1608 m. Anm. Löhnig.

[14]   Dazu mehr in der Analyse unter Punkt D. II. 5.

[15]   Maßgeblich ist, dass die Behörde bzw. das Gericht eine eigene Sachprüfung vorgenommen haben. Eine Besonderheit stellen Fälle dar, in denen eine Behörde oder ein Gericht lediglich beurkundend oder registrierend tätig wird, da dann keine Sachprüfung oder Entscheidung stattfindet, vgl. Voss, in: Leihmutterschaft in Deutschland, S. 166.

[16]   Behrentin/Grünenwald, NJW 2019, 2057, 2057.

[17]   Engel, in: ZEuP 2014, 538, 547 – Da das durch Leihmutterschaft geborene Kind i.d.R. nur die Staatsangehörigkeit des Geburtslandes erhält, kann es nach Deutschland nur einreisen, wenn dies visumfrei, wie aus den USA, möglich ist. Anderenfalls würde ein deutscher Pass benötigt werden, bei dem, nach entsprechendem Antrag, die deutsche Auslandsvertretung nach den Eltern des Kindes fragen und sodann im Zweifel über Art. 19 EGBGB zur Beurteilung deutsches Recht (§§ 1591, 1592 BGB) heranziehen wird. Verbringen die Wunscheltern das Kind auf illegalem Weg nach Deutschland, wird eine Nachbeurkundung der Geburt nach § 36 Abs. 1 S. 1 PStG zu beantragen sein.

[18]   Heiderhoff, NJW 2014, 2673 (2675).

[19] Keine Entscheidungen aus Sicht der Rechtsprechung stellen zum Beispiel personenstandsrechtliche Beurkundungen durch Standesämter dar.

[20] BGH, Beschl. v. 5.9.2018 = NZFam 2018, 983 m. Anm. Löhnig.

[21]   BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BeckRS 2014, 23505 (KG).

[22]   BGH, Beschl. v. 10.12.2014, NJW 2015, 479 m. Anm. Heiderhoff Rn. 33, 34.

[23]   BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NZFam 2015, 112 m. Anm. Zwißler.

[24]   BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NZFam 2015, 112, m. Anm. Zwißler Rn. 40; vgl. hierzu BVerfG, Urt. v. 4.5.2011 = NJW 2011, 1931 = NStZ 2011, 450 Rn. 86 ff.; BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 = NJW 2004, 3407 (3408, 3411) = FamRZ 2004, 1857 (1859).

[25]   §§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG, 36 Abs. 1 1 Hs, S. 4 Nr. 1 PStG

[26]   BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NZFam 2015, 112, m. Anm. Zwißler Rn. 28.

[27]   BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NZFam 2015, 112, m. Anm. Zwißler; BVerfGE 133, 59 = NJW 2013, 847 = FamRZ 2013, 521.

[28]   BGH, Beschl. v 10.12.2014 = NZFam 2015, 112, m. Anm. Zwißler Rn. 45 f.; die Gewichtung bezweifelnd Kaiser, in: FS Brudermüller, 357, 362; Rauscher, in: Staudinger BGB, § 1591 Rn. 12; ähnlich insoweit Schumann, in: MedR 2014, 736, 738; vgl. auch Lüderitz, NJW 1990, 1633, 1636.

[29]   BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NZFam 2015, 112 m. Anm. Zwißler Rn. 49.

[30] BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NZFam 2015, 112 m. Anm. Zwißler Rn. 51; vgl hierzu auch BVerfG, NJW-RR 2013, 1 Rn. 15.

[31] BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NZFam 2015, 112 m. Anm. Zwißler Rn. 51; vgl. BGH, Beschl. v. 26.8.2009 = NJW 2009, 3306, 3310 = FamRZ 2009, 1816 Rn. 24-27.

[32] BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NZFam 2015, 112 m. Anm. Zwißler Rn. 56; vgl. Sturm, in: FS Gunther Kühne, 919, 931, 932; Dethloff, JZ 2014, 922, 931.

[33] BGH, Beschl. v. 10.12.2014 = NZFam 2015, 112, m. Anm. Zwißler Rn. 51; EGMR, Urt. v. 26.6.2014 – 65192/11, BeckRS 2014, 14980, Nr. 96.

[34]   Andrae, in: Andrae, Internationales Familienrecht, § 7 Rn. 84.


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