Unfallflucht: "Zettel unter dem Scheibenwischer" reicht nie

  • 3 Minuten Lesezeit

Dass der berühmt-berüchtigte „Zettel unter dem Schiebenwischer“ allein gegen den Vorwurf der Unfallflucht nicht hilft, hat sich inzwischen herumgesprochen. Weniger bekannt ist, wie es richtig geht. Das verrät Paragraph 142 des Strafgesetzbuches (StGB): Vom Unfallort darf sich erst entfernen, wer zugunsten anderer Beteiligter alle notwendigen Feststellungen ermöglicht oder jedenfalls ausreichend lange gewartet hat.

Regress und Führerscheinentzug als drastische Konsequenzen

In der Praxis scheitern Unfallbeteiligte immer wieder an diesem Pflichtenprogramm. Denn es gilt, eine neue Situation unter jenem erheblichen Stresslevel zu bewältigen, das mit einem plötzlichen Unfallgeschehen geradezu zwangsläufig einher geht. Andererseits möchte niemand gern auf einem Unfallschaden sitzen bleiben. Dieses Spannungsfeld versucht der Gesetzgeber mit den Regelungen zum „unerlaubten Entfernen vom Unfallort“ aufzulösen. Und er droht mit drastischen Konsequenzen: neben Regressforderungen der Versicherungen und (meist) einer Geldstrafe stellt vor allem die mögliche Entziehung der Fahrerlaubnis eine Zäsur dar, bedeutet sie doch längerfristiges Zufußgehen.

Deshalb ist es wichtig, sich so korrekt zu verhalten, dass später nicht der Vorwurf im Raume steht, man habe sich seiner Einstandspflicht entziehen wollen. Dies umso mehr, als heute jedenfalls in der Großstadt Webcams, Überwachungskameras und Passanten mit Mobiltelefonen allgegenwärtig sind.

So geht es richtig: Warten, vorstellen, informieren.

Und so geht es richtig: Gegenüber feststellungsbereiten Personen – das können etwa der Geschädigte sein oder die per Mobiltelefon herbeigerufenen Polizeibeamten – muss jeder Unfallbeteiligte, unabhängig davon, ob er sich für den Verursacher hält oder nicht, sich vorstellen und seine vollständigen Personalien und Erreichbarkeiten sowie die Art seiner Beteiligung angeben. Damit soll sichergestellt sein, dass später die Haftungsfrage in Ruhe zwischen allen Beteiligten geklärt werden kann.

"Angemessenes Warten" kann lang werden.

Wenn man am Unfallort ganz alleine ist, entbindet einen das gleichwohl nicht von diesen Pflichten – dann heißt es vielmehr, erst einmal zu warten, und zwar eine nach den Umständen „angemessene Zeit“. Was das ist, hängt von der Situation vor Ort ab, kann aber subjektiv sehr lang werden: Bei einer demolierten Rückleuchte reichen 30 Minuten in der Regel aus. Bei größerem Schaden sollten es wenigstens 45 Minuten sein – und auch die können, etwa in der belebten Stadtmitte, noch zu knapp sein. Alles unter 20 Minuten ist jedenfalls meist zu kurz.

Spätestens nach dem Warten: die Polizei informieren.

Wer ausreichend lang gewartet hat, darf dann zwar weiterfahren, muss aber die Feststellungen unverzüglich nachträglich ermöglichen. Der einfachste und sicherste Weg, das zu tun, ist per Anruf und Besuch auf der nächsten Polizeiwache. Wer dort Anschrift, Aufenthalt, Kennzeichen und Fahrzeugstandort mitteilt und auf etwaige Nachfragen der Beamten wartet, kann anschließend dann beruhigt nach Hause fahren.

Auch auf die Schadenshöhe kommt es an.

Allen anderen droht neben Geldstrafe, Punkten und Regress des Haftpflichtversicherers auch noch der Führerscheinentzug. Letzteres immer dann, wenn der „Flüchtende“ zur Überzeugung des Gerichts wusste, dass erheblicher Schaden entstanden oder ein anderer verletzt worden ist. Solche „erheblichen“ Schäden nehmen die meisten Richter ab einem Betrag von 1.500,00 Euro an, manchen reicht weniger. Ins Verhältnis heutiger Werkstattkosten gesetzt heißt das: es genügt potentiell, den Außenspiegel einer Oberklasselimousine zu touchieren. Damit schwebt letztlich über den allermeisten Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort das Damoklesschwert des Führerscheinverlustes.

Als Beschuldigter wichtig: Erst einmal schweigen.

Wer sich - und sei es unberechtigt - mit dem Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort konfrontiert sieht, sollte deshalb Ruhe bewahren und dem nachvollziehbaren Impuls, die Sache kurz "richtigzustellen" (etwa durch ausführliche Angaben auf einem polizeilichen Anhörungsbogen) unbedingt widerstehen. Als Beschuldigter hat man das Recht zu schweigen, und dieses Recht gilt es - gerade am Anfang eines Strafverfahrens - auch zu nutzen. Denn oft kommt es auf Details an, die sich erst mit genauer Aufarbeitung des Sachverhalts und Einsichtnahme in die Ermittlungsakten dann in der nötigen Ruhe aufklären lassen. 




Über den Autor: Christian Wiese ist Fachanwalt für Verkehrsrecht. Er war langjährig tätig in einer überörtlichen Rechtsanwalts- und Notariatssozietät im Hamburger Umland. Anschließend in einer wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Rechtsanwalts- und Steuerberatungspartnerschaft in Hamburg. Heute in eigener Kanzlei am Alstertal-Einkaufszentrum (AEZ) in Hamburg-Poppenbüttel.

Die Kanzlei Christian Wiese versteht sich als modernen Rechtsdienstleister mit Schwerpunkten in der multidisziplinären Rechts- und Unternehmensberatung. Zu unseren Mandanten zählen bundesweit anspruchsvolle Privatleute und erfolgreiche Unternehmer, die individuelle Betreuung, vorausschauende Beratung und den unbedingten Willen zum Erfolg schätzen.




Kanzlei am AEZ Christian Wiese, Heegbarg 4, 22391 Hamburg

Telefon: (040) 611 69 04-0 - Telefax : (040) 611 69 04-40 - www.christianwiese.de

https://www.instagram.com/ra_christian_wiese/

Foto(s): (cw)

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Wiese

Beiträge zum Thema