Unterhaltszahlungen in der Türkei bei Scheidung

  • 4 Minuten Lesezeit

Unterhaltsansprüche in der Türkei werden nach den Scheidungsgründen, den verschuldensabhängigen und verschuldensunabhängigen Gründen beurteilt. Demnach wird zwischen folgenden Unterhaltsarten unterschieden.

1. Nachehelicher Unterhalt – Bedürftigkeitsunterhalt

Der nacheheliche Unterhalt wird als „Bedürftigkeitsunterhalt“ für den „weniger Schuldigen“ gewertet. Unterhalt steht demnach nur zu, wenn der Bedürftige weniger Schuld an der Scheidung hat und durch diese bedürftig geworden ist. Die Bedürftigkeit muss durch die Scheidung eintreten. Bedürftigkeit liegt vor, wenn der Ehepartner seinen Unterhalt für eine selbstständige Lebensführung mit eigenem Hausstand nicht durch eigene Erwerbstätigkeit oder eigenes Vermögen bestreiten kann. Für die Festlegung des Bedürftigkeitsunterhalts ist weiterhin erforderlich, dass auf Scheidung entschieden wurde und der Berechtigte im Anschluss einen Antrag auf Unterhaltszahlung gestellt hat. Der Antrag kann schriftlich oder mündlich gestellt werden. Zu beachten ist jedoch, dass ein mündlicher Antrag zu Gerichtsprotokoll genommen sein muss, damit er Rechtswirkungen entfalten kann.

Die Unterhaltshöhe richtet sich nach verschiedenen Kriterien und berücksichtigt dabei die finanziellen Verhältnisse beider Parteien. In die Bestimmung werden Kriterien wie die Ehedauer, das Alter, der Gesundheitszustand, die soziale Stellung, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, das Vermögen bzw. die Bedürftigkeit des Antragsstellers und die Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen Partei, einbezogen. Eine Erwerbsobliegenheit wie im deutschen Recht besteht zwar, jedoch werden an diese keine strengen Anforderungen gestellt.

Die Höhe des Unterhalts muss eine angemessene Bedarfsbedeckung umfassen. Der Unterhalt muss neben der Deckung des persönlichen Bedarfs auch die gesellschaftliche Position und die ehelichen Lebensverhältnisse berücksichtigen. Der Unterhaltet endet, wenn der Unterhaltsberechtigte erneut heiratet oder mit einer Anderen wie verheiratet zusammenlebt. Zu beachten ist, dass diese Ansprüche innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung verjähren.

2. Materieller und immaterieller Schadensersatz

Neben dem Unterhalt besteht die Möglichkeit, dass derjenige Ehegatte, der an der Scheidung nicht oder weniger schuldig ist, einen angemessenen materiellen Schadensersatz verlangen kann, wenn durch die Ehescheidung für ihn bestehende oder zu erwartende Vorteile beeinträchtigt werden bzw. ein finanzieller Schaden entsteht. Umfasst werden hiervon auch zukünftig zu erwartende Schäden sowie Anwartschaften. Dies können in der Zukunft anfallende zusätzliche Kosten sowie der Wegfall von finanziellen Vorteilen sein, die bei Fortbestand der Ehe eingetreten wären. Hierzu gehört insbesondere der Wegfall der Nutzung von Vermögensgegenständen des anderen Ehegatten wie Immobilien, Fahrzeuge, Gebrauchsgegenstände usw. In Betracht kommen des weiteren Schäden wie etwa Prozesskosten für die Scheidung, Umzugskosten, Kosten für die Ausstattung eines eigenen Hausstands, erhöhte Aufwendungen für Krankheitsvorsorge durch Wegfall der Versicherungsmöglichkeit über den Ehegatten, Wegfall der Möglichkeit der kostenfreien Nutzung einer Wohnung wie beispielsweise einer Dienstwohnung, Wegfall der Nutzungsmöglichkeit von Fahrzeugen oder Einrichtungen des Arbeitgebers des Ehegatten, Verlust des zu erwartenden Erbrechts sowie insbesondere des Ehegattenunterhalts.

Der Anspruch auf Zahlung eines materiellen Schadensersatzes dient dem Ausgleich von Nachteilen, die durch die Scheidung eintreten. Der materielle Schadensersatz kann sowohl als Rente, als auch als einmalige Abfindungszahlung zugesprochen werden. Der immaterielle Schadensersatz kann nur als einmaliger Betrag zugesprochen werden. In der Praxis ist dieser Anspruch aber von großer Bedeutung. Voraussetzung ist eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des weniger oder nicht schuldigen Partners bzw. eine erhebliche Verletzung der persönlichen Interessen durch das Verhalten des an der Scheidung schuldigen anderen Ehegatten. Der immaterielle Schadensersatzanspruch kann unabhängig von anderen Unterhaltsansprüchen bestehen und geltend gemacht werden.

Auch dieser Anspruch verjährt nach einem Jahr ab Rechtskraft der Scheidung.

3. Trennungsunterhalt

Der Trennungsunterhalt wird für die Zeit nach der Trennung der Ehegatten bestimmt. Ein Trennungsunterhaltsanspruch muss gerichtlich geltend gemacht werden und richtet sich nach den Lebensverhältnissen sowie nach dem Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehepartners.

4. Kindesunterhalt

Der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes richtet sich immer nach dessen gewöhnlichen Aufenthalt, unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit. Das türkische Zivilgesetzbuch beinhaltet übereinstimmend die Verpflichtung des leistungsverpflichteten Elternteils zu den Kosten des Unterhaltes und der Erziehung des Kindes beizutragen.

Der Kindesunterhaltsanspruch geht bis zum 18. Lebensjahr. Befindet sich das Kind dann weiterhin in einer Ausbildung, kann der Unterhaltsanspruch bis zum Ende der Ausbildung dauern.

Der Unterhalt für die Kinder richtet sich ebenfalls nach den Bedürfnissen der Kinder und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Die Höhe hängt jeweils von den einzelnen Umständen des Falles ab.

5. Unterhalt in internationalen Fällen

In Unterhaltsfällen mit Auslandsberührung ist in jedem Fall einzeln zu prüfen, welches Recht zur Anwendung kommt. Hierbei ist grundsätzlich maßgeblich, in welchem Land der unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auch beim unterhaltsberechtigten Kind richtet sich die Rechtswahl nicht nach dessen Staatsangehörigkeit, sondern nach seinem gewöhnlichen Aufenthalt.

Jedoch sollte in jedem Einzelfall geprüft werden, welches Recht zur Anwendung kommt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Avukat Melis Ersöz Koca LL.M.

Beiträge zum Thema