Urlaubsrecht. Ein Überblick.

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„Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub“. § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) ist denkbar eindeutig gefasst und gewährt Arbeitnehmern – anders als etwa im amerikanischen Recht – einen gesetzlichen Anspruch auf Erholung. So weit, so gut.

Allerdings lauern im deutschen Urlaubsrecht einige Fallstricke, welche schnell zu Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber führen und die „schönste Zeit des Jahres“ im schlimmsten Fall verderben können. Damit dies nicht passiert, fasst der vorliegende Artikel die wichtigsten Grundlagen des Urlaubsrechts zusammen.

Wie viele Urlaubstage stehen Arbeitnehmern zu? 

Der gesetzliche Jahresurlaub beträgt nach § 3 I BUrlG „mindestens 24 Werktage“. Da allerdings auch Samstag ein Werktag im Sinne des BUrlG ist (§ 3 II BUrlG), gilt dies nur bei einer heute nicht mehr üblichen 6-Tages-Woche. Die Umrechnung bei einer geringeren Wochenarbeitszeit erfolgt nach der Formel (Wochenarbeitstage : 6) x 24. Bei der heute am häufigsten vorkommenden 5-Tages-Woche ergibt sich somit ein gesetzlicher Anspruch auf 20 Urlaubstage. Auf die tägliche Zahl der Arbeitsstunden kommt es dabei nicht an, da sich der gesetzliche Anspruch lediglich auf Arbeitstage bezieht. 

Bei einer unregelmäßigen Verteilung der Arbeitszeit, in Schicht- oder rollierenden Systemen gelten andere Betrachtungszeiträume, da sich hieraus kein Vor- oder Nachteil in Bezug auf den Urlaub ergeben soll. Bei einer Jahressollarbeitszeit ist also etwa eine Jahresberechnung vorzunehmen, d.h. der gesetzliche Urlaubsanspruch ist mit der Zahl der individuellen Jahresarbeitstage zu multiplizieren und dann durch die Jahreswerktage – die Rechtsprechung arbeitet pauschal mit 312 Werktagen – zu dividieren

Für den vollen Urlaubsanspruch muss der Arbeitnehmer allerdings mindestens sechs Monate im Betrieb beschäftigt sein (§ 4 BUrlG). Vor Ablauf dieser Wartezeit besteht Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat der Beschäftigung, man spricht hier vom Teilurlaub gemäß § 5 BUrlG.

Über den gesetzlichen Anspruch hinaus kann in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder im Arbeitsvertrag ein weitergehender Urlaubsanspruch vereinbart werden. Solche Vereinbarungen sind weit verbreitet (etwa 30 Urlaubstage / Jahr bei einer 5-Tages-Woche). Dabei gilt es zu beachten, dass die strengen Regeln des BUrlG nur für den gesetzlichen Anspruch gelten und die Parteien bei darüber hinaus vereinbarten Urlaubsansprüchen mehr Gestaltungsspielraum haben.

Wer bestimmt, wann Urlaub genommen werden kann/muss?

Nach § 7 I BUrlG sind die Wünsche des Arbeitnehmers maßgeblich, solange nicht „betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer (…) unter sozialen Gesichtspunkten (…) entgegenstehen.“

Typische betriebliche Belange sind etwa personelle Engpässe oder anderweitig festgesetzte Betriebsferien, wobei dadurch nicht der gesamte Urlaubsanspruch „verbraucht“ werden darf. Insofern kann der Arbeitgeber also zumindest teilweise (nach BAG-Urteil: drei Fünftel) einseitig den Urlaub festsetzen.

Vorrangige Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer sind etwa im Zusammenhang mit Schulferien, Urlaubswünschen des Partners oder Dauer der Betriebszugehörigkeit denkbar. Urlaub kann mit Hinweis auf Urlaubswünsche von Kollegen aber nur dann versagt werden, wenn aufgrund betrieblicher Belange nicht die Gewährung aller Urlaubswünsche möglich ist.  

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Urlaub immer vom Arbeitgeber gewährt werden muss. Erst dadurch entfällt die Pflicht zur Arbeitsleistung für den jeweiligen Zeitraum. Ein Recht zur Selbstbeurlaubung hat der Arbeitnehmer also nicht, auch wenn das Urlaubsjahr abzulaufen droht oder das Arbeitsverhältnis gekündigt ist. Eine Selbstbeurlaubung stellt eine schwere Pflichtverletzung dar, welche zur (sofortigen) Kündigung führen kann.

Kann man vom Arbeitgeber aus dem Urlaub „zurückgerufen“ werden?

Sobald der Arbeitgeber den Urlaub für einen bestimmten Zeitraum gewährt hat, kann er den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht aus dem Urlaub zurückrufen; dies gilt auch und insbesondere für (vorgeblich) einvernehmliche Beendigung des Urlaubs. Unzulässig sind insbesondere auch etwaige Rückrufvorbehalte in Arbeitsverträgen.

Für echte (!) Ausnahme- und Notfälle vertreten einige Juristen die Ansicht, dass sich eine Rückkehrpflicht aus dem Arbeitsvertrag herleiten lasse; Gerichtsentscheidungen gibt es hierzu – aus gutem Grunde – noch nicht. In aller Regel erklären sich Arbeitnehmer bei wirklichen Notfällen und intaktem Vertrauensverhältnis (wohl) freiwillig bereit, vorzeitig an den Arbeitsplatz zurückzukehren.

Was gilt bei Krankheit während des Urlaubs? 

Auch hierfür hält das BUrlG eine Antwort bereit: Nach § 9 werden durch ärztliches Zeugnis nachgewiesene Krankheitstage nicht auf den Urlaub angerechnet, vielmehr gilt dann das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Bei einem Auslandsaufenthalt muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber außerdem gemäß § 5 II EFZG schnellstmöglich, in der Regel also telefonisch oder per E-Mail, über die Arbeitsunfähigkeit an sich, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort informieren. Wer also auf einen Arztbesuch bei Krankheit im Urlaub verzichtet, „verliert“ seine Urlaubstage.

Darf man während des Urlaubs „etwas dazuverdienen“?

Zweck des Urlaubs ist die Erholung des Arbeitnehmers. § 8 BUrlG verbietet eine „dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit“. Ob ein solcher Widerspruch zum Erholungszweck besteht, ist nach den Einzelfallumständen zu ermitteln. Nicht erfasst sind jedenfalls Tätigkeiten zu eigenen Zwecken oder Gefälligkeitsarbeiten (Bauen am eigenen Haus, Hilfe für Freund etc.) 

Ein Verstoß gegen § 8 BUrlG hat nicht zur Folge, dass der gewährte Urlaub entfällt oder der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt nicht mehr zahlen muss. Allerdings kann der Arbeitgeber Unterlassung (ggf. per einstweiliger Verfügung) verlangen und arbeitsrechtliche Maßnahmen (Abmahnung, im Wiederholungsfall Kündigung) ergreifen, da der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt.

Was passiert, wenn am Ende des Jahres Urlaubstage übrig sind?

Grundsätzlich muss der Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr gewährt und genommen werden (§ 7 III 1 BUrlG), der Arbeitnehmer hat also kein Wahlrecht etwa dahingehend, sich den Urlaub „auszahlen zu lassen“.

Eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr erfolgt gemäß § 7 III 2 BUrlG (nur) dann, wenn dies betriebliche oder personenbedingte Gründe – insbesondere Krankheit – rechtfertigen. Der bloße Wunsch eines Arbeitnehmers genügt indes nicht. Im Falle einer Übertragung muss der Urlaub bis zum 31.03. des Folgejahres gewährt und genommen werden (§ 7 III 3 BUrlG).

Besondere Schwierigkeiten bereitete der Rechtsprechung in der jüngeren Vergangenheit die Situation andauernder Arbeitsunfähigkeit. Ging man früher davon aus, dass der Urlaubsanspruch auch in diesem Fall am 31.03. des Folgejahres verfällt, ist dies aufgrund europarechtlicher Vorgaben nun – gegen den Wortlaut des Gesetzes – nicht mehr der Fall. Allerdings gilt jetzt ein vom Europäischen Gerichtshof gebilligtes neues Fristenregime: Der Urlaubsanspruch entfällt demnach angesichts des nicht mehr erreichbaren Erholungszwecks spätestens 15 Monate nach Ablauf eines Urlaubsjahres. War ein Arbeitnehmer also beispielsweise das gesamte Jahr 2020 arbeitsunfähig, erlischt der Urlaubsanspruch (erst) Ende März 2022.

Ein Erlöschen des Urlaubsanspruchs kommt nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung allerdings überhaupt nur dann in Frage, wenn der Arbeitgeber seiner (ungeschriebenen) Hinweispflicht nachgekommen ist. Dafür muss der Arbeitnehmer über die Zahl der Urlaubstage unterrichtet, zur rechtzeitigen Beantragung aufgefordert und schließlich auf den drohenden ersatzlosen Verfall des Urlaubsanspruchs hingewiesen werden. Diese Information muss hinreichend individualisiert und transparent erfolgen. Ein allgemeiner Hinweis am schwarzen Brett dürfte also nicht genügen. Genügt der Arbeitgeber seinen Informationspflichten nicht, kommt es Stand heute also zu einer unbegrenzten Kumulation von Urlaubsansprüchen.

Was gilt, wenn beim Ausscheiden aus einem Job Urlaubstage ausstehen? 

Nach § 7 IV BUrlG ist der Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise (s.o.) abzugelten, wenn er wegen der Beendigung nicht mehr gewährt werden kann. Der Grund der Beendigung spielt hierbei keine Rolle. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer bei Beendigung arbeitsfähig war und eine Gewährung in natura überhaupt möglich war. Bei andauernder Arbeitsunfähigkeit (s.o.) kommt es für die Frage einer Abgeltung also darauf an, ob die vom Bundesarbeitsgericht eingeführte 15-Monats-Frist bereits abgelaufen ist.


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