Variable Arbeitszeit bis 12 Stunden?! Überstunden und Freistellung in Zeiten von Corona!

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Grundsätzlich ist das Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers auch hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsortes aufgrund der durch die Corona-Pandemie verursachten Sondersituation weitergehend als sonst. Das Risiko, einen Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können, liegt als sog. "Betriebsrisiko" grundsätzlich stets beim Arbeitgeber. Auch besondere lokale oder bundes- oder landesweit geltende aufsichtsbehördliche Regelungen (Ordnungsverfügungen etc.) sind natürlich zu beachten.

Kann der Arbeitgeber aber nicht beschäftigen, soll er zumindest direktionsrechtlich berechtigt sein, seinen Schaden – für Arbeitnehmer zumutbar – zu reduzieren. Arbeitgeber dürfen zwar das Direktionsrecht nach § 106 S.1 GewO, § 315 (1) BGB jedoch nicht willkürlich oder ohne sachliche Gründe ausüben. Diese Gründe liegen aber bei einer sog. "höheren Gewalt" im "Krisenmodus" regelmäßig vor!

Arbeitgeber sind im Rahmen ihrer Organisationshoheit dann durchaus befugt, das Arbeitsvolumen (Arbeitsmenge) und das Arbeitskraftvolumen (Arbeitnehmer-Stunden) sowie das Verhältnis dieser Größen zueinander festzulegen (BAGE 112, 361; gilt sogar im Geltungsbereich TVöD). Gerichtlich überprüfbar ist dabei nur, ob der Arbeitgeber eine situationsangemessene Prognose für den Personalbedarf erstellt hat und im zeitlich notwendigen Umfang Anordnungen verfügt hat (BAGE 109, 207; BAG, Urt.v. 24.05.2018 - 6 AZR 116/17 -).

Entsprechend kann der Arbeitgeber die Freistellung aus einem Zeitkonto-Guthaben - ggf. Im Einzelfall sogar in ein zulässiges Minus laufend – verfügen. Situationsentsprechend  können so auch Mehrarbeit (mehr als vertraglich geschuldete Arbeitszeit) und Überstunden angeordnet werden, dies gilt für Teilzeit- wie für Vollzeitkräfte.

Das ArbZG als Arbeitnehmerschutzgesetz sieht zudem vor, dass nach § 14 (1) von Vorschriften zur täglichen Höchstarbeitszeit, Ruhezeit, Pausen, Sonntags- und Feiertagsarbeit abgewichen werden darf, wenn ein "Notfall" oder, wie es in der Norm heißt "außergewöhnlicher Fall" vorliegt. Die Corona-Pandemie in Deutschland stellt einen solchen Notfall dar, wie sich unschwer unter Berücksichtigung der politischen Entscheidungen dieser Tage begründen lässt. Das bedeutet, dass aktuell (ohne aufsichtsrechtliche Bewilligung durch das Gewerbeaufsichtsamt !) bei betrieblicher Notwendigkeit – abweichend von den Vorschriften zum Arbeitsschutz nach dem Arbeitszeitgesetz – teilweise bis auf Weiteres abgewichen werden kann, solange der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht grundsätzlich nachkommt, die dann aber eben neu zu definieren wäre. Im Notfall (nicht im Eilfall!)  greift noch nicht einmal ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats!

Darüber hinaus kann eine besondere Ausnahme nach § 15 (2) ArbZG beantragt werden, die zurzeit auch regelmäßig erfreulich unbürokratisch – jedenfalls befristet – erlassen werden. Das Absinken bürokratischer Hemmnisse ist zurzeit ohnehin als – ausnahmsweise erfreulicher – Nebeneffekt der Krise wahrzunehmen.

Die Anordnung oder Verschiebung von gewährtem (gesetzlichem Mindest-) Urlaub ist dagegen – je nach Qualität der vertraglichen Vereinbarungen (!) – ungleich schwieriger zu gestalten.

Soweit in Verträgen etwas Abweichendes geregelt wurde, können solche Regelungen vorrangig gelten und sind je nach Bewertung im Einzelfall zu berücksichtigen. 

Bei bestehenden kollektivarbeitsrechtlichen Strukturen (z. B. Mitbestimmung: Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung bzw. Betriebs-/Dienstvereinbarungen, Tarifrecht) sind diese ggf. zu beteiligen bzw. zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für besondere Branchen und Ausnahmen nach den gesetzlichen Regelungen.

Für weitere Fragen – insbesondere natürlich aktuell zu den Themen: Kurzarbeit, Umstrukturierung, Arbeitszeit und Gestaltungen von Verträgen und Betriebsvereinbarungen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Bleiben Sie gesund und munter!!

Stephan Schreiber

Rechtsanwalt / Partner

Fachanwalt für Arbeitsrecht / Zertifizierter HR-Manager

Univ.-Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht, Arbeitssicherheit und Technisches Recht

Rischbieter Meyer Schreiber Rechtsanwälte Partnerschaft


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