Verfahren unserer Kanzlei im Dieselskandal: Schadensersatz gem. § 852 BGB auch bei Gebrauchtwagenkauf

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Als erfahrene Verbraucherkanzlei im Diesel-Abgasskandal ist nun das nächste unserer Verfahren mit einem Erfolg für den Verbraucher ausgegangen.

Das Landgericht Stade hat in seinem Urteil vom 29.03.2021 (Az.: 5 O 276/20) einen neuen Meilenstein für die Verfahren im Diesel-Abgasskandal gelegt, indem entschieden wurde, dass auch bei Gebrauchtwagen eine längere Verjährungsfrist i.S.d. § 852 BGB gelten kann.

In dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt erwarb der Kläger durch einen Kaufvertrag mit einem Autohaus einen gebrauchten VW Amarok DC Trendline mithilfe einer Finanzierung bei der Volkswagen Bank GmbH zu einem Kaufpreis von knapp 41.000,00€.

Zum Zeitpunkt des Kaufvertrags lag dem Fahrzeug eine wirksame EG-Typengenehmigung vor, durch welche das Fahrzeug der Schadstoffklasse Euro 5 zugeordnet wurde. Um eine solche EG-Typengenehmigung zu erhalten, muss nachgewiesen werden, dass das Fahrzeug die innerhalb europäischer Verordnungen festgelegten Emissionsgrenzwerte einhält.

Jedoch ist das in Rede stehenden Fahrzeug mit dem Dieselmotor EA 189 ausgestattet, welcher mit einer Abgas-Manipulation versehen ist. Der Motor ist mit einer Fahrzykluserkennung ausgestattet, welche erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem standardisierten Testverfahren oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Damit wird die Abgasrückführung im Testverfahren erhöht, sodass es zu einem verringerten Stickoxidausstoß kommt.

Nachdem im Jahre 2015 der Diesel-Abgasskandal mit dem Motor EA 189 an die Öffentlichkeit getreten war, bot die VW AG ein Software-Update an, um die Abgas-Manipulation zu beseitigen. Diesem Angebot kam der Kläger nach und ließ das Update aufspielen.

Der Kläger machte im Rahmen des Prozesses nun geltend, einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises, abzüglich der gezogenen Nutzungen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs gegen die Beklagte zu haben.

Entscheidungsgründe des LG Stade

Das Landgericht Stade teilte die Ansichten des Sachvortrags des Klägers und sprach ihm gem. §§ 852, 826, 31 BGB einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Kaufpreises zuzüglich der Finanzierungszinsen zu.

Die Mitarbeiter der VW AG hatten den Motor des Fahrzeugs bewusst mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet und somit der Öffentlichkeit, wie auch der Zulassungsbehörde vorgetäuscht, dass das Fahrzeug den Voraussetzungen der Emissionsgrenzwerte der Schadstoffklasse Euro 5 entsprach, obwohl dies im normalen Fahrbetrieb nicht der Fall war.

Die EG-Typengenehmigung ist für alle Kunden von zentraler Bedeutung in ihrer Entscheidung, ein Fahrzeug zu erwerben. Denn ohne die EG-Typengenehmigung kann das Fahrzeug nicht genutzt werden und durch den Kauf folgt ein finanzieller Schaden. Die Täuschung der Beklagten ist hier also ausreichend, um ein sittenwidriges Handeln anzunehmen.

Der weite Schadensbegriff

Darüber hinaus legt das Landgericht Stade dem § 826 BGB einen weiten Schadensbegriff zugrunde, sodass nicht bloß jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage als Schaden zu qualifizieren ist, sondern auch jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung.

Damit ist ein Schaden auch dann anzunehmen, wenn sich zwar objektiv gesehen zwei gleichwertige Leistungen gegenüberstehen, der Geschädigte aber durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht wird, den er sonst nicht geschlossen hätte und diese Leistung auch nicht voll für seine Zwecke brauchbar ist.

So verhält es sich auch im zugrundeliegenden Sachverhalt. Der Kläger hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn er gewusst hätte, dass hier Abgas-Manipulationen vorliegen. Er hatte das Interesse ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechendes Fahrzeug zu erwerben.

Das nachträgliche Software-Update hat den Schaden auch nicht behoben, da der zunächst sittenwidrig herbeigeführte ungewollte Vertragsschluss durch das Software-Update nicht zu einem gewollten Vertragsschluss führt. Vor allem aber birgt das Software-Update Folgeschäden, wie einen erhöhten Rußausstoß und Kraftstoffverbrauch, welche das Fahrzeug von seiner Mangelhaftigkeit nicht befreien.

Dem § 249 I BGB zufolge, ist der Kläger von der Beklagten nun so zu stellen, wie der Kläger stünde, wenn er den Kaufvertrag nie geschlossen hätte. Dies bedeutet, dass die VW AG dem Kläger den Kaufpreis zuzüglich der Finanzierungszinsen in Höhe von 1.463,59€ zu erstatten hat.

Der Kläger hat im Gegenzug das Fahrzeug an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen. Auch die gezogenen Nutzungen, also die gefahrenen Kilometer, sind dem Kläger im Rahmen der Vorteilsanrechnung anzurechnen.

Verjährung im Abgasskandal

Auch stellt das Landgericht in seinem Urteil fest, dass der Schadensersatzanspruch im Rahmen der Regelverjährungsfrist von 3 Jahren gem. § 195 BGB bereits verjährt ist.

Gem. § 199 I Nr. 2 beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt oder diese ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

Im gegebenen Falle hatte der Kläger bereits im Jahre 2016 hinreichend sichere Kenntnis von seinen Ansprüchen gegen die VW AG erlangt. Die VW AG hatte nämlich ein Kundenschreiben versandt, in welchem über die Betroffenheit des Fahrzeugs und den abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan informiert wurde.

Damit hat die Verjährungsfrist des Klägers am 31.12.2016 begonnen und endete vor Klageerhebung am 31.12.2019.

Wird die Einrede der Verjährung erhoben, so hat das Gericht zu prüfen, ob nicht trotz dessen ein Herausgabeanspruch gem. § 852 1 BGB besteht.

Dies ist dann der Fall, wenn der Kläger zumindest vorträgt, die Beklagte habe aus der unerlaubten Handlung etwas erlangt. Ausreichend ist, wenn dem Schädiger aufgrund der Handlung ein Vermögensvorteil auf Kosten des Geschädigten vermittelt wird.

Die VW AG hat als Herstellerin des Fahrzeugs den Erstverkaufspreis erhalten, welcher mindestens in Höhe des von dem Kläger gezahlten Kaufpreises bestand.  Der verursachte Schaden, wurde in einer Kette von Käufern bis zu dem Kläger weitergereicht und realisierte sich letztendlich im gezahlten Kaufpreis des Klägers und seinem Finanzierungszins.

Damit besteht der Schadensersatzanspruch trotz der Verjährungseinrede fort.

Die Möglichkeiten für Verbraucher im Diesel-Abgasskandal, ihr Recht durchzusetzen, werden auch für Käufer von Gebrauchtfahrzeugen immer günstiger. So ist in Zukunft mit weiteren verbraucherfreundlichen Urteilen dieser Art zurechnen. Die Erfolgschancen für Käufer von Gebrauchtwagenfahrzeugen sind damit so hoch wie nie!

Kostenlose Überprüfung Ihrer Schadensersatzansprüche

Betroffene Kunden, in deren Fahrzeug eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut ist, können unter Umständen Schadensersatzansprüche geltend machen. Wenn Sie überprüfen möchten, ob auch Ihr Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist und welche Ansprüche Sie haben, nutzen Sie gerne unsere kostenlose und unverbindliche Erstberatung über unser Kontaktformular. Ebenso ist täglich eine telefonische Kontaktaufnahme unter 0221 67 77 00 55 möglich. Als im Dieselskandal erfahrene Verbraucherkanzlei unterstützen wir Sie gerne bei der Durchsetzung Ihrer Rechte.



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