Verfall von tariflichem Mehrurlaub

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Beitrag zum Urteil des BAG vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15

Ausgangslage

Aufgrund der Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seinen ihm zustehenden Urlaub innerhalb des betroffenen Kalenderjahres vollständig zu nehmen. Nur bei gewissen Voraussetzungen ist es ihm möglich, mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren, dass dieser im darauffolgenden Jahr noch bis zum 31.03. genommen werden kann. Danach sah die gesetzliche Regelung vor, dass der Urlaub verfällt.

In der vorbezeichneten Entscheidung nimmt das BAG Stellung zum Verfall von tariflichem Mehrurlaub und setzt sich mit den Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers auseinander.

Sachverhalt

Der Kläger war als Wissenschaftler an einem Institut tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13.09.2005 (TVöD) Anwendung. Dieser sieht vor, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr genommen werden muss. Ergänzend galt die Regelung des Bundesurlaubsgesetzes wie folgt. Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten 3 Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen / dienstlichen Gründen nicht bis zum 31.03. angetreten werden, ist er bis zum 31.05. anzutreten. Der Kläger erhielt eine Nachricht des Personalleiters, wonach aller Urlaub, der nicht während der Vertragslaufzeit genommen wird, automatisch verfalle. Nachdem das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet war, standen dem Wissenschaftler noch 51 Arbeitstage Urlaub zu. Diese verlangte er von dem Institut, das jedoch der Ansicht war, es sei zur Abgeltung des Resturlaubes nicht verpflichtet.

Urteil des BAG

Die Richterinnen und Richter des BAG haben in der vorbezeichneten Entscheidung gemeinsame Orientierungssätze im Hinblick darauf aufgestellt, welche Mitwirkungsobliegenheiten den Arbeitgeber treffen, sofern es um den Verfall von tariflichem Mehrurlaub geht.

Diese lauten wie folgt:

  1. Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche frei regeln. Dies schließt die Befugnis ein zu bestimmen, dass der tarifliche Mehrurlaub am Ende des Jahres oder des Übertragungszeitraumes verfällt, ohne dass der Arbeitgeber zuvor seinen Mitwirkungsobliegenheiten entsprochen hat.

  2. Für den Willen der Vertragsparteien, den Verfall des Urlaubs abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen zu regeln, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen.

  3. In § 26 TVöD hat ein vom Gesetzesrecht abweichender Regelungswille der Vertragsparteien keinen Niederschlag gefunden. Der nicht gewährte tarifliche Mehrurlaub teilt daher das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs. Das Fristenregime des § 26 II a TVöD wird nur ausgelöst, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten Rechnung getragen hat.

Anmerkung RA Müller:

Das BAG hat unterschieden zwischen dem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 4 Wochen und dem tariflichen Mehrurlaub, der also über den Zeitraum von 4 Wochen hinausgeht. Bezüglich des gesetzlichen Urlaubsanspruchs von 4 Wochen hat das BAG ausgeführt, dass die unionsrechtlichen Vorgaben umzusetzen sind dergestalt, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch nur dann verfallen kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund der bestehenden Mitwirkungsobliegenheit aufgefordert hat, seinen Jahresurlaub zu nehmen. Was den darüber hinausgehenden tariflichen Mehrurlaub anbelangt, so sind die Vertragsparteien frei, dies anders zu regeln.

Mit anderen Worten, der über den Mindesturlaub hinausgehende Mehrurlaub kann tatsächlich auch dann verfallen, wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachkommt. Seine Mitwirkungsobliegenheit kann der Arbeitgeber z. B. dadurch erfüllen, dass er dem Arbeitnehmer zu Beginn des Kalenderjahres in Textform mitteilt, wie viele Arbeitstage Urlaub ihm im Kalenderjahr zustehen, ihn auffordert, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann, und ihn über die Konsequenzen belehrt, die eintreten, wenn dieser den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt. Die Anforderungen an eine „klare“ Unterrichtung sind regelmäßig durch den Hinweis erfüllt, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, er ihn aber nicht beantragt.

Abstrakte Angaben, etwa im Arbeitsvertrag, werden hierbei wohl nicht genügen.

Rechtsanwalt Daniel Müller

LL. M. Eur.


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