Verlustverrechungsverbot bei Termingeschäften (CFDs, Optionen etc.) verfassungswidrig?! Unbedingt Einspruch einlegen!

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Verbot der Verrechnung von Verlusten bei Termingeschäften: Bald hinfällig?!

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat am 5. Dezember 2023 einen wichtigen Beschluss gefasst (Az. 1-V-1674/23), der die steuerliche Behandlung von Termingeschäften betrifft.

So lautet eine Kernaussage des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz.

"Die Betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 6 S. 5 EStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2020 führt zur Ungleichbehandlung, für die nach vorläufiger Prüfung eine sachliche Rechtfertigung nicht vorliegt."

Dies ist eine Entscheidung, die weitrechende Konsequenzen für Kapitalanleger und Trader haben kann.

Denn das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beschränkung des Verlustabzugs bis zu einem Betrag von 20.000 Euro nach § 20 Abs. 6 EStG in bestimmten Fällen zu einer unangemessenen steuerlichen Belastung führen kann. Es berücksichtigte dabei das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Beschluss stellt somit einen wichtigen Präzedenzfall dar, der die steuerliche Behandlung von Termingeschäften beeinflussen könnte.

Die Entscheidung des Gerichts gibt somit Hoffnung.


Was sind Termingeschäfte, die von der gesetzlichen Verlustbegrenzung umfasst sind?

Termingeschäfte sind eine Art von Finanzinstrumenten, die in der Welt der Investitionen und des Handels eine wesentliche Rolle spielen. Sie unterscheiden sich grundlegend von anderen Arten von Finanzgeschäften durch ihre spezifischen Eigenschaften und Risiken. In diesem Abschnitt erläutern wir detailliert, was Termingeschäfte sind, wie sie funktionieren, und warum sie im Kontext des Steuerrechts relevant sind.

Definition und Grundkonzept

Ein Termingeschäft ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei Parteien, Finanzinstrumente (wie Aktien, Anleihen, Währungen oder Rohstoffe) zu einem im Voraus festgelegten Preis und zu einem spezifischen zukünftigen Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen. Diese Geschäfte werden auf Terminkontraktmärkten gehandelt, die entweder als Börsen oder als Over-the-Counter (OTC)-Märkte organisiert sein können.

Arten von Termingeschäften

Es gibt zwei Hauptarten von Termingeschäften: Futures und Optionen.

  • Futures: Hier verpflichten sich die Vertragsparteien, einen Vermögenswert zu einem festgelegten Zeitpunkt und Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Futures sind standardisierte Verträge und werden meist an Börsen gehandelt.

  • Optionen: Diese geben dem Käufer das Recht, aber nicht die Pflicht, einen Vermögenswert zu einem vereinbarten Preis bis zu einem bestimmten Datum zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Optionen können mehr Flexibilität bieten als Futures, tragen aber auch spezifische Risiken.

Zweck und Nutzung

Termingeschäfte werden aus verschiedenen Gründen genutzt:

  • Absicherung (Hedging): Unternehmen und Investoren nutzen Termingeschäfte, um sich gegen Preisschwankungen bei Rohstoffen, Währungen oder anderen Vermögenswerten abzusichern. Beispielsweise kann ein Landwirt über Futures den Preis für seine Ernte im Voraus sichern, um das Risiko von Preisschwankungen zu minimieren.

  • Spekulation: Viele Marktteilnehmer nutzen Termingeschäfte, um von Preisänderungen auf den Finanzmärkten zu profitieren. Spekulanten tragen zwar kein tatsächliches Liefer- oder Abnahmerisiko des Basiswertes, gehen aber hohe Risiken ein, da sie auf Marktbewegungen spekulieren.

  • Arbitrage: Einige Investoren nutzen Preisunterschiede zwischen verschiedenen Märkten oder Zeitpunkten, um risikofreie Gewinne zu erzielen.


Steuerliche Behandlung und problematische Wirkung nach § 20 Abs. 6 S. 5 EStG

§ 20 Abs. 6 S. 5 EStG regelt die steuerliche Behandlung von Verlusten aus Kapitalvermögen, speziell aus Termingeschäften. Gemäß dieser Vorschrift ist der Verlustabzug bei Termingeschäften auf einen Höchstbetrag von 20.000 Euro pro Jahr begrenzt. Diese Regelung bedeutet, dass Verluste, die diesen Betrag überschreiten, steuerlich nicht berücksichtigt werden können.

Anwendung auf Termingeschäfte

Termingeschäfte können zu beträchtlichen Gewinnen oder Verlusten führen, je nach Marktentwicklung und den spezifischen Bedingungen des jeweiligen Geschäfts. Wenn ein Anleger in einem Jahr hohe Verluste aus Termingeschäften erleidet, wird seine Fähigkeit, diese Verluste steuerlich geltend zu machen, durch die Begrenzung von 20.000 Euro erheblich eingeschränkt. Dies gilt unabhängig davon, wie hoch die tatsächlichen Verluste sind.

Problematische Wirkung

Die Begrenzung des Verlustabzugs nach § 20 Abs. 6 S. 5 EStG kann mehrere problematische Wirkungen haben:

  1. Verzerrung der Steuerlast: Anleger, die hohe Verluste erleiden, können diese nicht vollständig gegen ihre Gewinne verrechnen. Dies führt zu einer Verzerrung der tatsächlichen Steuerlast, da die Steuer auf der Basis eines künstlich erhöhten Gewinns berechnet wird.

  2. Widerspruch zum Leistungsfähigkeitsprinzip: Diese Regelung kann dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechen. Das Prinzip besagt, dass Steuern entsprechend der finanziellen Fähigkeit des Steuerpflichtigen erhoben werden sollten. Wenn jedoch Verluste nur begrenzt abzugsfähig sind, wird die Steuerlast unabhängig von der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage des Anlegers erhoben.

  3. Nachteil für risikobereite Anleger: Insbesondere für Anleger, die bereit sind, höhere Risiken einzugehen und in großem Umfang in Termingeschäfte zu investieren, kann diese Regelung besonders nachteilig sein. Sie könnte sogar Anleger davon abhalten, in bestimmte Arten von Finanzinstrumenten zu investieren.

  4. Komplexität und Ungerechtigkeit: Die Regelung führt zu einer zusätzlichen Komplexität im Steuersystem und kann als ungerecht empfunden werden, insbesondere wenn Verluste aus anderen Arten von Kapitalanlagen anders behandelt werden.


Die steuerliche Behandlung von Termingeschäften nach § 20 Abs. 6 S. 5 EStG stellt eine bedeutende Herausforderung für Anleger dar. Sie kann zu einer unverhältnismäßigen Steuerbelastung führen und steht möglicherweise im Widerspruch zu grundlegenden steuerlichen Prinzipien. Für Anleger ist es daher wichtig, die steuerlichen Konsequenzen ihrer Investitionsentscheidungen zu verstehen und gegebenenfalls professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen, um ihre steuerliche Situation zu optimieren.


Rechenbeispiel zur Veranschaulichung

Nehmen wir an, ein Steuerpflichtiger erzielt in einem Jahr einen Gewinn von 1.500.000 Euro aus Termingeschäften und erleidet gleichzeitig einen Verlust von 1.100.000 Euro. 

Nach der aktuellen Gesetzgebung kann der Steuerpflichtige nur 20.000 Euro des Verlustes von 1.100.000 Euro abziehen. Dies führt dazu, dass er auf einen Gewinn von 1.480.000 Euro (1.500.000 - 20.000) Steuern zahlen muss, obwohl sein tatsächlicher Nettogewinn nur 400.000 Euro (1.500.000 - 1.100.000) beträgt. Das Beispiel verdeutlicht, wie die gesetzliche Regelung zu einer unverhältnismäßig hohen Steuerlast führt.

Denn faktisch liegt die zu bezahlende Steuer weit über dem Nettogewinn von 400.000 Euro.


Handlungsempfehlungen für Steuerpflichtige

Für Steuerpflichtige, die von dieser Regelung betroffen sind, empfiehlt es sich, Einspruch gegen den Steuerbescheid einzulegen und die Aussetzung der Vollziehung sowie eine Stundung nach der Abgabenordnung (AO) zu beantragen.

In Fällen, in welchen Kapitalanleger und Trader solch eine "überhöhte" Steuerforderung vom Finanzamt erhalten haben, sollte zunächst Einspruch gegen den Steuerbescheid beim Finanzamt einelegt werden. Gleichzeitig kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden, um eine sofortige Zahlung der strittigen Steuersumme zu vermeiden. 

Zusätzlich ist die Beantragung einer Stundung nach der Abgabenordnung (AO) sinnvoll, um kurzfristige Liquiditätsengpässe zu vermeiden. 

Diese Maßnahmen bieten dem Steuerpflichtigen einen temporären Schutz, während der Einspruch bearbeitet wird.


Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


Gerne stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für eine rechtliche Beurteilung und Einschätzung Ihres Falles zur Verfügung und vertrete durchsetzungsstark und resolut auch Ihre Interessen ggü. der Staatsanwaltschaft, der Finanzbehörde und der Steuerfahndung. Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch oder Schreiben Sie mich an.

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Foto(s): Dr. Holger Traub generiert über Midjourney

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