VW-Abgas-Skandal: Sammelklage, Rückruf, Verjährung - ein Wegweiser für von Dieselgate betroffene Käufer

  • 4 Minuten Lesezeit

Das Kraftfahrtbundesamt hat den Zwangsrückruf von 2,4 Millionen Kraftfahrzeugen der Marke VW angeordnet. Hintergrund sind die manipulierten Abgaswerte, die seit Wochen die Schlagzeilen beherrschen. Gleichwohl ist mit einer schnellen Abhilfe durch den Hersteller nicht zu rechnen. Die Rückrufaktion soll erst ab Januar 2016 umgesetzt werden. Bei den Betroffenen 1,6 l-Motoren ist allerdings ein Umbau des Motors erforderlich, sodass die entsprechenden Fahrzeuge frühestens im September 2016 nachgebessert werden können. 

Völlig unklar ist dabei, welche Folgen sich durch die Nachbesserung ergeben. Denkbar ist neben einer geringeren Leistung auch ein höherer Kraftstoffverbrauch. Sollte eine zusätzliche Harnstoffeinspritzung erforderlich werden, könnten sich auch die übrigen Betriebskosten erhöhen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Wert der betroffenen Fahrzeuge trotz Nachbesserung erheblich sinken wird. 

Der durch das Kraftfahrt-Bundesamt angeordnete Rückruf ist daher nicht unbedingt geeignet, jeglichen Schaden für die betroffenen Käufer zu vermeiden. Dies ist auch gar nicht beabsichtigt, führt man sich vor Augen, dass der Rückruf auf das Produktsicherheitsgesetz gestützt wird und allein der Einhaltung der vorgeschriebenen Abgaswerte dient. Die von Volkswagen und selbst dem Bundesverkehrsminister verbreitete Information, betroffene Käufer müssten bis zu einer Benachrichtigung durch den Hersteller nichts unternehmen, ist daher irreführend. Betroffene Käufer müssen zwar nichts unternehmen, sollten dies aber. 

Eine sichere Beseitigung aller Mängel aufgrund der manipulierten Abgaswerte kann der betroffene Käufer nämlich nur im Rahmen des kaufvertraglichen Sachmängelgewährleistungsrechts erhalten. Im Rahmen des Sachmängelgewährleistungsrechts schuldet der Verkäufer bei Lieferung einer mangelhaften Sache zunächst Nachbesserung. Sollte diese fehlschlagen oder der Verkäufer die Nachbesserung innerhalb einer angemessenen Frist schlicht nicht durchführen, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten und Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen. Der Käufer muss sich in diesem Fall ausschließlich die Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen, die im Wert aber hinter dem tatsächlichen Wertverlust zurückbleibt. Ein Rücktritt vom Vertrag bedeutet für den Käufer somit einen wirtschaftlichen Vorteil. 

Das Problem bei den Sachmängelgewährleistungsrechten liegt in der Verjährung: Bei Neufahrzeugen beträgt die Verjährungsfrist zwei Jahre, bei Gebrauchtfahrzeugen kann diese verkürzt werden. Nach Ablauf der Verjährungsfrist ist der betroffene Käufer von seinen Gewährleistungsansprüchen ausgeschlossen und muss daher auf die Nachbesserung im Rahmen des vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückrufs vertrauen. Sollten sich durch diese Nachbesserung Leistungseinbußen, ein erhöhter Kraftstoffverbrauch, erhöhte Betriebskosten oder eine Wertminderung ergeben, wird der Käufer hierfür wohl keinen Ausgleich erhalten. Besonders groß dürfte ein Schaden für den betroffenen Käufer ausfallen, sollte sich in den nächsten Monaten herausstellen, dass die Einhaltung der vorgeschriebenen Abgaswerte technisch gar nicht möglich ist. Immerhin musste Volkswagen auch bisher manipulieren, um die Abgaswerte einzuhalten. In diesem Fall muss der betroffene Käufer schlimmstenfalls mit einer Stilllegung seines Fahrzeugs rechnen. 

Dem betroffenen Käufer bleibt in diesen Fällen nur noch ein Vorgehen unmittelbar gegen Volkswagen, beispielsweise gestützt auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Hierzu ist bereits eine Klage vor dem Landgericht Braunschweig anhängig, wobei sich zum jetzigen Zeitpunkt die Erfolgsaussichten dieser Klage nicht absehen lassen. Es ist bislang noch nicht geklärt, wer bei Volkswagen für die Abgasmanipulationen verantwortlich ist. Vor Abschluss der entsprechenden Ermittlungen ist ein solches Vorgehen daher ein „Schuss ins Blaue“, der weniger der Durchsetzung der Käuferinteressen dienen dürfte, als vielmehr dem Wunsch nach medialer Aufmerksamkeit. Da eine Verjährung entsprechender Ansprüche gegen Volkswagen derzeit in aller Regel nicht droht, können betroffene Käufer, deren Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer bereits verjährt sind, mit einem Vorgehen gegen Volkswagen wohl abwarten. Die Berechnung von Verjährungsfristen ist im Einzelnen jedoch sehr schwierig und Betroffene sollten zur Vermeidung von Nachteilen anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. 

Vielversprechender scheint derzeit auch bei Ablauf der normalen Verjährungsfristen von Gewährleistungsansprüchen ein Vorgehen gegen den jeweiligen Verkäufer. Sollte sich der Verkäufer die Täuschung durch Volkswagen zurechnen lassen müssen, beginnt die Verjährungsfrist nicht mit Übergabe des Fahrzeugs, sondern mit Kenntnis von der Täuschung. Jedenfalls bei Volkswagen-Vertragshändlern, die in der Außendarstellung sogar als Volkswagen-Partner auftreten, spricht viel für eine Zurechnung der Täuschung. Hier bleibt aber letztlich die Wertung durch die Rechtsprechung abzuwarten, die sich ersichtlich mit einer Täuschung dieses Ausmaßes durch einen führenden Autohersteller noch nicht befassen musste. 

Da das deutsche Recht keine „Sammelklagen“ betroffener Käufer kennt, muss jeder Käufer seine Rechte individuell geltend machen und durchsetzen. Abweichende Darstellungen, die von „Sammelklagen“ betroffener Käufer sprechen, sind schlicht falsch und unseriös. Betroffene Käufer können sich daher auch keiner „Sammelklage“ anschließen, sondern müssen mit ihrer individuellen Vertretung einen Rechtsanwalt beauftragen, sollten sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen. 

Rechtsschutzversicherten Käufern ist ein solches Vorgehen sicherlich zu empfehlen. Darüber hinaus finden betroffene Käufer eine kostenlose Erstinformation unter www.dieselgate-rechte.de. Auf dieser Seite sind auch kostenlose Musterschreiben zu einem Verjährungsverzicht und zur Nacherfüllungsaufforderung eingestellt für Käufer, die ihre Rechte zunächst ohne anwaltliche Hilfe wahrnehmen möchten. Natürlich berate ich Sie gerne auch persönlich und helfe ihnen, Ihre Rechte durchzusetzen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Prof. Dr. Stefan Jäger

Beiträge zum Thema