Was gilt Neues beim Verzugslohn? Nebenfrage: Wann ist Klagerweiterung in der Berufungsinstanz möglich?

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Das BAG beschäftigte sich in der Entscheidung vom 09.02.2022 mit der Frage, wann eine  Klagerweiterung in der Berufungsinstanz zulässig ist, auch wenn die Gegenseite diesem widerspricht und es daher auf die Sachdienlichkeit der Erweiterung und deren Voraussetzungen im Sinne von § 533 Nr. 1 ZPO ankommt.

Das BAG führt hierzu wie folgt aus:

Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheiden darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Beilegung des Streites zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem anderenfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Deshalb kommt es für die Beurteilung der Sachdienlichkeit nicht entscheiden darauf an, ob neuer Sachvortrag erforderlich ist. Der Sachdienlichkeit einer Klagänderung stünde nicht einmal entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde. Die Sachdienlichkeit kann unter diesem Blickwinkel im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen.“

Daher sollte eine solche Klagerweiterung - auch in der Berufungsinstanz - immer dann zulässig sein, wenn sie einen rechtlicher oder/und sachlichen Zusammenhang mit dem bisherigen Streitstoff hat. Das sollte sich in aller Regel argumentativ leisten. Die Hürden an eine Klagerweiterung in der 2. Instanz sind daher deutlich geringer geworden, die Bedeutung der Zustimmung der Gegenseite geringer.


Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob die Erweiterung hinsichtlich des Annahmeverzugslohnes zum bisherigen Streitgegenstand der Wirksamkeit der Kündigung sachdienlich ist, auch wenn in erheblichem Maße weiterer Sachvortrag (Höhe der Vergütung, Anrechnung weiteren Erwerbes etc.) notwendig erscheint. Das BAG hat dies eindeutig bejaht.

Die inhaltlich wesentliche Frage war die der Anrechnung anderweitigen Erwerbes. Hier führt das BAG aus, dass dieser nur dann und auch nur insoweit anzurechnen sei, als der anderweitige Erwerb kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde. Dabei ist grundsätzlich eine Gesamtberechnung vorzunehmen, den dafür zugrunde zulegenden Zeitraum bestimmen allerdings die Parteien. Im zu entscheidenden Fall hatte ein auch als Rechtsanwalt tätiger Arbeitnehmer (dort Firmenjurist) in der Phase des Annahmeverzuges eine eigene Klage beim Finanzgericht geführt und erklärt, die dortigen Kostenerstattungsansprüche seien nicht anrechenbar, weil er die Schriftsätze im Wesentlichen am Wochenende gefertigt hätte und dies auch dann hätte tun können, wenn er zur Arbeit verpflichtet gewesen wäre.

Legt der Arbeitnehmer daher seinen anderweitigen Erwerb offen und legt er dar, dass er diesen auch (legal) erzielt hätte, wenn die Arbeitspflicht bestanden hätte, so ist es am Arbeitgeber darzulegen, warum der Arbeitnehmer diesen Verdienst nur deshalb erzielen konnte, weil er von der Arbeitspflicht befreit war. So die Rechtsmeinung des BAG hierzu.


Für Rückfragen stehe ich gern Zur Verfügung.


Karsten Zobel

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

www.kanzlei-frauenkirche.de

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