Wer bestimmt über den Umzug meines Kindes ins Ausland?

  • 6 Minuten Lesezeit

1. Begriff der elterlichen Sorge

Die elterliche Sorge bzw. umgangssprachlich auch das Sorgerecht ist in den §§ 1626 ff. BGB geregelt. Danach ist bestimmt, dass wenn die Eltern bei der Geburt eines Kindes miteinander verheiratet sind, ihnen die elterliche Sorge automatisch gemeinsam zusteht. Für unverheiratete Eltern gelten hier allerdings gewisse Besonderheiten: Die gemeinsame elterliche Sorge bzw. umgangssprachlich das geteilte Sorgerecht wird dann begründet, wenn die Eltern eine entsprechende Sorgeerklärung abgeben, einander heiraten oder das Familiengericht Ihnen beiden die gemeinsame elterliche Sorge überträgt.

Es gibt daneben jedoch auch Fälle, in denen lediglich ein Elternteil die Alleinsorge ausübt. Der häufigste Fall hiervon ist die alleinige elterliche Sorge der Kindesmutter bei nicht verheirateten Eltern, wenn diese keine Sorgeerklärung abgeben, nicht heiraten und das Familiengericht nicht beiden Eltern die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

Die elterliche Sorge umfasst dabei sowohl die Personensorge (alle persönlichen Angelegenheiten des Kindes wie z.B. Fürsorge- und Schutzmaßnahmen, die religiöse Erziehung des Kindes, Angelegenheiten der Ausbildung und des Berufs) sowie die Vermögenssorge (also die Verwaltung des Vermögens des Kindes). Ein Teil der elterlichen Sorge ist jedenfalls auch das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht, also das Recht, zu bestimmen an welchem Ort sich das Kind aufhält. Hierzu gehört insbesondere auch die Bestimmung des Wohnortes und damit auch die Bestimmung über einen Umzug ins Ausland.

Soweit den beiden Elternteilen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, haben weder die Trennung noch die Scheidung der Eltern eine automatische Auswirkung auf den Fortbestand der elterlichen Sorge. Vielmehr besteht diese weiter, so dass die Eltern miteinander kommunizieren und gemeinsam entscheiden müssen. Dies gilt eben auch dann, wenn ein Elternteil beabsichtigt, mit dem Kind ins Ausland zu ziehen.

2. Wer entscheidet, wenn sich die Eltern nicht einigen können?

Werden sich beide Elternteile in einer bestimmten Frage bzw. Angelegenheit nicht einig, ist zunächst danach zu unterscheiden, ob es sich um eine Angelegenheit des täglichen Lebens handelt, oder ob eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind vorliegt.

Denn nach § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB hat derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung befindet, die Befugnis, allein über Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden. Das Gesetz selbst bestimmt dann weiter, dass solche Angelegenheiten des täglichen Lebens in der Regel solche sind, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben.

Damit bleibt es dabei, dass gerade in Angelegenheiten mit besonderer Bedeutung, beide sorgeberechtigten Elternteile nur gemeinsam entscheiden können. Bei einem dauerhaften Umzug eines Kindes ins Ausland, wird es sich in der Regel um eine derartige Angelegenheit von besonderer Bedeutung handeln, so dass ein Elternteil allein hierüber nicht entscheiden kann. Dies folgt zumeist bereits daraus, dass es sich bei einem Umzug gerade um eine dauerhafte Regelung handelt.

3. Welche Möglichkeiten hat dann also der Elternteil, der mit dem Kind ins Ausland ziehen möchte?

Naturgemäß stellt sich diese Frage nur im Falle einer Trennung der Eltern. Geht es hingegen gerade um einen Umzug des Kindes mit beiden Eltern gemeinsam, so werden sich die Eltern in der Regel über gerade diesen Umzug einig sein. Nachfolgende Erläuterungen richten sich daher ausschließlich an getrenntlebende Eltern.

Werden sich Eltern hinsichtlich des Umzugs des Kindes ins Ausland nicht einig, so kann jeder der beiden Elternteile die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge oder auch nur eines Teils davon, auf sich allein bei Gericht beantragen. Im Rahmen des beabsichtigten Umzugs könnte also auch lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht – also das Recht zur Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes – auf einen der beiden Elternteile erfolgen. In diesem Fall kann dann dieser Elternteil nach der gerichtlichen Entscheidung alleine über den künftigen Aufenthaltsort des Kindes bestimmen, wovon auch der Wohnort erfasst ist; selbst, wenn dieser im Ausland liegt. Dabei stellt die bloße Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Vergleich zur Übertragung der gesamten elterlichen Sorge eine weniger einschneidende Maßnahme dar. Denn in diesem Fall bleibt es im Übrigen – also mit Ausnahme der Bestimmung des Aufenthaltsorts – bei dem Grundsatz, dass beide Elternteile nur einheitlich, also gemeinsam, entscheiden können.

Nach einer gerichtlichen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts kann dann der Elternteil mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht allein die Ausreise des Kindes genehmigen bzw. vornehmen. Dieser Elternteil hat dann auf die Interessen des anderen Elternteils bezüglich des Aufenthalts des Kindes keine Rücksicht mehr zu nehmen.

4. Wann ist die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil möglich?

Einem Antrag eines Elternteils auf die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts ist dann in einem gerichtlichen Verfahren stattzugeben, wenn (1) die Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts der Eltern ebenso wie (2) die Übertragung auf den jeweiligen antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Es erfolgt also eine zweistufige Prüfung durch das Gericht:

  • Entspricht die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl am besten?
  • Entspricht zudem die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den einen Elternteil ebenfalls dem Kindeswohl am besten?

Für die Beantwortung, wann eine solche Entscheidung dem Kindeswohl am besten entspricht, ist die sogenannte Mexiko-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 28.04.2010 – XII ZB 81/09) heranzuziehen. Nach dieser Entscheidung kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Elternteil, der einen Umzug wünscht, besondere Gründe für den Umzug vorbringt. Vielmehr ist stattdessen allein auf das Kindeswohl abzustellen und zu prüfen, ob der beabsichtigte Umzug ins Ausland einerseits oder das Verbleiben des Kindes im Inland andererseits für das Kind die bessere Lösung ist. Der Bundesgerichtshof hat damit klargestellt, dass es allein auf die Möglichkeiten und Folgen für das Kind ankommt. Zudem stellt der Bundesgerichtshof ebenfalls klar, dass selbst der umzugsbedingte Abbruch des Umgangs mit dem anderen Elternteil einer entsprechenden gerichtlichen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht entgegensteht.

Die Mexiko-Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt damit eindeutig klar, dass es für die Entscheidung des Gerichts einzig darauf ankommen kann, was für die Entwicklung des Kindes die bessere Entscheidung ist. Einzig anhand des Kindeswohls wird das Gericht daher das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Elternteil, der den Umzug vornehmen will, oder eben den anderen Elternteil übertragen. Dabei wird zwar auch der möglicherweise zu befürchtende Umgangsabbruch zu dem hier verbleibenden Elternteil im Rahmen der zu erwartenden Entwicklung des Kindes Berücksichtigung finden. Entscheidend kommt es hierauf jedoch in der Regel nicht an, da einzig maßgeblich sein wird, was für das Kind das Beste ist.

5. Fazit

Ein Umzug des Kindes mit lediglich einem Elternteil in das Ausland kann dann mithilfe einer gerichtlichen Entscheidung verhindert werden, wenn der Umzug mit dem Wohl des Kindes nicht vereinbar ist. Wenn also eine negative Folge auf die Entwicklung des Kindes durch den Umzug ins Ausland zu erwarten ist, spricht einiges dafür, dass eine gerichtliche Entscheidung zu dem Ergebnis kommen wird, dass der Umzug nicht stattfinden darf. Ist hingegen der Umzug des Kindes ins Ausland im Lichte des Kindeswohls eine gute Entscheidung, wird dieser Umzug mithilfe einer gerichtlichen Entscheidung durchsetzbar sein.

Zieht ein Elternteil ohne Zustimmung des anderen Elternteils und ohne gerichtliche Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts hingegen mit dem Kind ins Ausland, so widerspricht dies der gemeinsamen elterlichen Sorge und ist von der Rechtsordnung zu missbilligen. Hierzu haben einige Mitgliedstaaten das sogenannte Haager Kindesentführungen (HKÜ) abgeschlossen, welches in derartigen Fällen grundsätzlich eine sofortige Rückführung des Kindes mithilfe einer gerichtlichen Anordnung ermöglicht.

Von eine Alleinentscheidung ohne gerichtliches Verfahren und über den Willen des anderen Elternteils, ist daher dringend abzuraten!

Foto(s): https://pixabay.com/de/illustrations/familie-scheidung-trennung-ehe-3090056/

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt & Mediator Tobias Voß

Beiträge zum Thema