Wer muss was bei Überstunden beweisen?

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Es gibt immer wieder Probleme bei der Abrechnung von Überstunden des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber.

In einem Klageverfahren, welches letztendlich vom LAG Niedersachsen am 06.05.2021 entschieden wurde, machte der Arbeitnehmer geltend, er habe insgesamt 429 Überstunden, und zwar 348 Überstunden, die sich aus dem positiven Saldo laut seiner Arbeitsaufzeichnung ergeben würden. Weitere 81 Stunden für die Abholung des Fahrzeuges von einem Ort zum anderen. Er war nämlich Auslieferungsfahrer. Er hätte also die gesamte Zeit gearbeitet und keine Pausen gemacht. Eine Anweisung, Pausen zu nehmen, sei ihm nicht erteilt worden.

Das Arbeitsgericht Emden sprach in der 1. Instanz am 09.11.2020 dem Arbeitnehmer eine Zahlung der Überstunden zu, und meinte, dass der Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeit gemäß § 618 BGB in europarechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift unter Berücksichtigung der Vorgaben des EUGH verpflichtet sei. Aus diesem Grund könne der Arbeitgeber den Indiz - Wert der Erfassungsbögen nicht entkräften.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen sah das anders. Für eine erfolgreiche Überstundenklage werde nicht nur vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer die Mehrarbeit leiste, die über seine vertraglich vorgesehene Arbeitszeit hinausginge.

Vielmehr müssen Überstunden auch in irgendeiner Weise dem Arbeitgeber zugerechnet werden können d. h., dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeiten notwendig seien.

Dabei treffe den Arbeitnehmer die Beweislast.

Soweit es um die Anordnung gehe, habe er vorzutragen, wer wann und auf welche Weise Überstunden angeordnet habe.

Allein die bloße Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsort begründet nicht die Vermutung, die Überstunden seien notwendig.

Eine Billigung müsse auch enthalten, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, er sei mit den Überstunden einverstanden.

Unter Duldung sei zu verstehen, dass der Arbeitgeber von den Überstunden wüsste und keine Vorkehrungen treffe, sie zu unterbinden.

Die betriebliche Notwendigkeit setzt voraus, dass die Arbeit nur unter Ableistung der Überstunden zu bewältigen sei.

Diesbezüglich hat Landesarbeitsgericht festgestellt, dass eine Abzeichnung eines Zeiterfassungsbogens keine weiteren Überstunden feststellen lasse. Selbst wenn man zugunsten des Arbeitnehmers unterstellen wolle, er habe die von ihm behauptete Arbeitszeit tatsächlich geleistet, fehle es an einer Anordnung, betriebliche Notwendigkeit, Billigung oder Duldung einen substantiierten Vortrag zur Anordnung habe der Arbeitgeber nicht geleistet.

Es sei außerdem nicht erkennbar, dass seine Arbeit nur unter Leistung von Überstunden zu bewältigen gewesen wäre. Hierzu hatte der Kläger seiner Arbeitstätigkeit nicht ausreichend beschrieben, es sei nicht ersichtlich, welche Tätigkeit er an jedem einzelnen Arbeitstag verrichtet hätte und aus welchen Gründen diese nur unter Ableistung von Überstunden hätte erfolgen können. Außerdem sei es auch lebensfremd, dass der Kläger keine Pausen gemacht hätte.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die Revision zum BGH zugelassen.

Hinsichtlich des Arbeitsgerichtes Emden ist noch auszuführen, dass bereits im Februar 2020 die gleiche Kammer Recht hatte, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet sei, ein System zur Erfassung von Arbeitsstunden einzuführen. Arbeitszeit und insbesondere Vertrauensarbeitszeit werden auch zukünftig ein heißes Thema bleiben, denn die Bundesregierung äußerte sich bisher nicht zu der Frage der Umsetzung des EUGH-Urteils vom 14.05.2019. Damit bleiben wichtige Fragen offen, die die nächste gestellte Bundesregierung dringend angehen sollte und wohl auch angehen wird.

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Fachanwältin für Arbeitsrecht 

Sabine Hermann


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