Wie kommt ein Abfindungsanspruch eines Arbeitnehmers nach Kündigung zu Stande und wie bemisst sich dessen Höhe?

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Viele Arbeitnehmer gehen davon aus, dass sie nach der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses einen „gesetzlichen Abfindungsanspruch“ haben. Zwar sieht das deutsche Arbeitsrecht einen gesetzlich normierten Abfindungsanspruch vom Grundsatz her nicht vor, denn das Begehren des Arbeitnehmers ist im klassischen Kündigungsschutzverfahren zumindest de lege lata – also vom Standpunkt des geltenden Rechts aus – primär auf Weiterbeschäftigung gerichtet. Dennoch enden Bestandsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht meist in einem Vergleich, welcher die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zum Gegenstand hat. Warum dies so ist, soll der nachfolgende Beitrag erläutern:

I.

Im Falle einer Kündigung sind ArbeitnehmerInnen angehalten, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben. Tun sie dies nicht, wird die Kündigung automatisch wirksam; §§ 4,7 KSchG.

Das Arbeitsgerichtsverfahren zielt allerdings ausschließlich darauf ab, die Wirksamkeit der Kündigung zu prüfen. D.h. obsiegen ArbeitnehmerInnen vor dem Arbeitsgericht, so stellt das Arbeitsgericht hierbei nur fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die in Streit stehende Kündigung nicht wirksam aufgelöst worden ist und während der Zeit, in der über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vor Gericht gestritten wurde, das Arbeitsverhältnis weiter fortbestanden hat. Dementsprechend haben ArbeitnehmerInnen vom Grundsatz her Anspruch auf Nachzahlung des sog. Annahmeverzugslohnes. Annahmeverzugslohn ist derjenige Lohn, den ArbeitnehmerInnen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum Urteil durch den Richter erwirtschaftet hätten. Er ist zu zahlen, weil der Arbeitgeber mit der Annahme der arbeitnehmerseitigen Arbeitsleistung während dieser Zeit in Verzug war, denn der Arbeitgeber war ja der Ansicht, die Kündigung sei wirksam. Aus eben diesem Grund beschäftigte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr. Demnach bleibt festzuhalten, dass das Risiko der (Un-)Wirksamkeit einer Kündigung durch den Arbeitgeber sich im sog. „Annahmeverzugsrisiko“ widerspiegelt.

II.

Sofern sich im Zuge des Prozesses abzeichnet, dass die Kündigung unwirksam sein dürfte, entsteht eine Verhandlungssituation. In dieser Situation muss der Arbeitgeber zusammen mit seinem Rechtsanwalt das Prozessrisiko einschätzen und abwägen. Hierbei werden die im Prozess anzuführenden Kündigungsgründe und deren Plausibilität sowie die Einstellung des Gerichts zu dem Gang der bisherigen Verhandlung miteinander abgewogen. Das Abwägungsergebnis führt zu einer Risikobeurteilung, welche wiederum dazu führt, dass die Parteien – oft unter Zuhilfenahme durch den Arbeitsrichter – einen Vergleich erarbeiten, in welchem jede Partei ein Zugeständnis macht. Das Zugeständnis des Arbeitnehmers ist es, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu akzeptieren. Das Zugeständnis des Arbeitgebers ist die Zahlung einer Abfindung zwecks Vermeidung des Annahmeverzugslohnes, der ggf. bei Verlust des Kündigungsschutzprozesses nachzuzahlen wäre.

III.

Hierbei ist die Höhe der Abfindung nach keinen gesetzlichen Kriterien bemessen. Sie ist entgegen landläufiger Meinung – und Meinung so mancher Rechtsanwälte – völlig frei zu bemessen. Richtig ist, dass es Orientierungskriterien gibt, die als Bemessungsfaktoren zu Rate gezogen werden. Diese sind

  • Die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers
  • Das Bruttoentgelt des Arbeitnehmers
  • Sonstige „weiche“ Faktoren, wie z.B. Schwerbehinderteneigenschaft, Sonderkündigungsschutztatbestände, etc.

Wichtigstes Kriterium, welches in den meisten Abfindungsverhandlungen eine viel zu geringe Rolle spielt, ist das oben skizzierte Prozessrisiko. Um dieses Prozessrisiko einzuschätzen, muss der beratende Rechtsanwalt sein Handwerk sehr gut verstehen, denn nur, wenn eine realistische und fundierte Einschätzung der Rechtslage gegeben ist, kann der eigene Mandant gut beraten werden. Wichtigste Bemessungsgrundlage für das Finden einer Abfindungssumme ist daher die

  • Einschätzung des Prozessrisikos

Prozessrisiko und weiche Faktoren können daher in Extremfällen zu Abfindungssummen führen, welche völlig außer Verhältnis zu den Bemessungsfaktoren Betriebszugehörigkeit und Bruttoentgelt stehen. So hat der Unterzeichner beispielsweise einen Chefarzt vertreten, der nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit und Kündigung seines Arbeitsverhältnisses 250.000,00 € Abfindung erhielt, weil die sonstigen Faktoren gewichtiger waren.


Der Autor dieses Beitrages, Herr Dr. Michael Heintz, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht. Er hat hunderte Abfindungsverhandlungen geführt und vertritt vorwiegend Mitarbeiter in Leitungsfunktion und Arbeitgeber.


Dr. Michael Heintz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Foto(s): WISSING HEINTZ GEHRLEIN Rechtsanwälte PartGmbB Max-Planck-Straße 6 76829 Landau in der Pfalz

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