Zur aktiven Nutzung verpflichtet: Folgen für die Kommunikation mittels beA

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Zur aktiven Nutzung verpflichtet: Folgen für die Kommunikation mittels beA
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

Seit Jahresbeginn sind Anwältinnen und Anwälte bundesweit verpflichtet, auch aktiv per beA mit Gerichten zu kommunizieren. Mitteilungen per Fax und auf Papier sind damit weitgehend passé. Dennoch bleiben sie bei Störungen wichtig. Was bedeutet das für die künftige Kommunikation?

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Einseitige Nutzungspflicht 

Gesetzliche Grundlage für die Pflicht zur elektronischen Kommunikation und damit für die aktive beA-Nutzungspflicht für Rechtsanwälte – sowie auch für Notare, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts – sind je nach Rechtsweg § 14b FamFG, § 32d StPO, § 46g ArbGG, § 52d FGO, 55d VwGO, § 65d SGG und § 130d ZPO. 

Bei deren Lektüre fällt bereits eine Besonderheit mit Blick auf Strafprozesse auf: Als elektronisches Dokument nach § 32d StPO zu übermitteln sind nur Berufung und ihre Begründung, die Revision und ihre Begründung sowie Gegenerklärung, Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage. Durch § 110c OWiG ist § 32d StPO dabei auch entsprechend in Ordnungswidrigkeitenverfahren anzuwenden. 

Von der beA-Nutzungspflicht generell ausgenommen bleibt dagegen die Kommunikation mit dem Bundesverfassungsgericht. Diesem zufolge ist sie auch nicht möglich, solange keine Änderung des zur schriftlichen Einreichung von Anträgen verpflichtenden § 23 Abs. 1 BVerfGG erfolgt (Az.: 1 BvR 2391/18). Gerade mit Blick auf binnen Monatsfrist zu erhebende und zu begründende Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen, die regelmäßig umfangreiche Schriftsätze mit Anlagen verlangen, wäre diese jedoch wünschenswert.  

Ausgenommen von der aktiven Nutzungspflicht bleiben zudem die Gerichte selbst. Anders als die Anwaltschaft mit den Gerichten müssen diese sozusagen in der Gegenrichtung nicht zwingend elektronisch kommunizieren. Auch diese Inkongruenz bei der Kommunikation endet hoffentlich nicht erst ab dem Jahr 2026, wenn in allen Gerichtszweigen die eAkte verpflichtend wird. 

Achtung bei technischer Störung 

Das besondere elektronische Anwaltspostfach ist aufgrund bisheriger Erfahrungen nicht vor Fehlern gefeit. Erst im November 2021 wurde es aufgrund einer kritischen Sicherheitslücke in der populären Programmiersprache Java kurzfristig deaktiviert. Wie schon beim Faxen wird es dann erfahrungsgemäß brisant, wenn das beA gerade dann streikt, wenn eine einzuhaltende Frist unaufhaltsam naht. 

Für den Fall technischer Störungen bestimmen die zur elektronischen Kommunikation verpflichtenden Vorschriften, dass die Übermittlung ausnahmsweise nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist. Dadurch erhalten gerade das Fax und der Brief eine wichtige Rolle. Faxgeräte und Papier haben also alles andere als ausgedient. 

Von besonderer Bedeutung wird dann sein, welche Anstrengungen die Rechtsprechung von Anwältinnen und Anwälten zur gesetzlich geforderten Glaubhaftmachung der technischen Störung verlangt. Erfolgt sie nicht bereits bei der Ersatzübermittlung müssen sie die vorübergehende Unmöglichkeit danach unverzüglich glaubhaft machen. 

Welche Folgen das haben kann, zeigt eine im Rahmen einer Kündigungsschutzklage ergangene Berufungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (Az.: 6 Sa 337/20). Das nördlichste Bundesland hat die Möglichkeit genutzt, die aktive beA-Nutzungspflicht vorzuziehen. Sie gilt dort gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit bereits seit Jahresanfang 2020. 

Im genannten Fall hatte der Anwalt eine Kündigungsschutzklage aufgrund einer beA-Störung per Fax ans Arbeitsgericht Lübeck übermittelt. Über die Störung berichtete auch die beA-Website der BRAK und sie war im Gericht bekannt. Ein vom Prozessbevollmächtigten dem Gericht vorgelegtes Bildschirmfoto, demzufolge kein Nachrichtenversand möglich gewesen sei, genügte diesem nicht zur Glaubhaftmachung. Wesentlich dafür war auch, dass das Gericht den per Telefax und zudem per Post und als elektronisches Dokument versendeten Schriftsatz aus formellen Gründen nicht berücksichtigte und auch deshalb die erforderliche unverzügliche Glaubhaftmachung der Störung verneinte. Insofern ist der Fall auch exemplarisch dafür, wie fallentscheidend die Einhaltung der Anforderungen an elektronische Dokumente sein kann. 

Fragen des richtigen Formats

Der Prozessbevollmächtigte hatte die Kündigungsschutzklage nach Ende der Störung auch per beA ans Gericht gesendet, allerdings als Word-Dokument im docx-Format. Das zum Hinweis verpflichtete Arbeitsgericht verlangte daraufhin per Verfügung die Übermittlung im PDF-Format und ausnahmsweise bei nicht verlustfreier Wiedergabe bildlicher Darstellung im TIFF-Format gemäß Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERRV) i.V.m. Nr. 1 der Bekanntmachung zu § 5 ERRV (ERVB 2019). Noch am selben Tag sandte der Prozessbevollmächtigte die Klageschrift im PDF-Format ans Gericht. Das PDF enthielt jedoch nicht eingebettete Schriftarten. Infolgedessen erließ das Gericht erneut eine entsprechende Verfügung. Das danach übermittelte PDF enthielt zwar alle Schriftarten und war zudem durchsuchbar. Die Heilung der Formvorschriften wurde dennoch abgelehnt mangels Glaubhaftmachung, dass dieses Dokument mit dem zuvor eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Diese Prüfung sei zum Schutz vor Fehlern keine Aufgabe der Gerichte und diene zudem ihrer Entlastung, heißt es im Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein. Ebenso seien Gerichte auch nicht zur Umwandlung von Word-Dokumenten in das PDF-Format verpflichtet. Das Dokument sei deshalb nicht für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet gewesen. 

Mit Beginn der aktiven beA-Nutzungspflicht regelt die neue ERVB 2022 die technischen Standards  i.V.m. § 5 ERRV mindestens bis zum 31. Dezember 2022. Diese ersetzt alle bisher geltenden ERVB und erleichtert einige Anforderungen. Konkret ändert die ERVB 2022 Folgendes: 

  • Zulässig sind PDF einschließlich PDF 2.0, PDF/A-1, PDF/A-2 und PDF/UA sowie TIFF in Version 6.

  • Dokumente müssen druckbar sein.

  • Der Inhalt der Dokumente soll nur orts- und systemunabhängig darstellbar sein. Auch Schriftarten müssen nicht mehr eingebettet sein. 

  • Aussagekräftige Dateinamen sind kein Muss, aber hilfreich. Die Länge darf jedoch 90 Zeichen inklusive Dateiendung nicht überschreiten. Zulässige Zeichen sind zudem nur Buchstaben des deutschen Alphabetes einschließlich der Umlaute ä, ö, ü und ß, alle Ziffern sowie die Zeichen Unterstrich und Minus. Punkte dürfen nur Dateinamen und Dateiendung trennen. Bei mehreren übermittelten Dateien muss eine logische Nummerierung erfolgen. 

  • Angekündigt wird darin zudem eine ab April 2022 erfolgende Anhebung der derzeitigen Beschränkungen auf 100 Dateien und höchstens 60 Megabyte Dateigröße pro Nachricht.

(GUE; ZGRA)   

Foto(s): pixabay.com

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