10 Scheidungsmythen, die man kennen sollte

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Kaum jemand beschäftigt sich mit dem Thema „Scheidung“, bis es einen selbst oder jemanden aus dem nahen Umfeld trifft. Dementsprechend ranken sich viele Mythen um das Scheidungsverfahren. Kann ein Partner die Scheidung blockieren? Braucht jeder Partner einen Anwalt? Wird beim Vermögen immer 50/50 geteilt? Im Folgenden nehmen wir die 10 gängigsten Scheidungsmythen genauer unter die Lupe.

Scheidung nach der Devise: „Wir sehen uns vor Gericht“

Es ist richtig, dass nur das örtlich für Ihren Wohnort zuständige Familiengericht Ihre Scheidung beschließen und Ihre Ehe auflösen kann. Dazu müssen Sie und Ihr Ehepartner persönlich vor Gericht erscheinen. In bestimmten Fällen kann die Verhandlung im Rahmen der Online-Scheidung auch per Videokonferenz erfolgen.

Es ist aber nicht richtig, dass Sie sich Ihre Rechte immer vor Gericht erstreiten müssen und es keine andere Option gäbe. Denn: Sie können sich die mit einem Gerichtsverfahren so gut wie immer verbundenen hohen Gerichts- und Anwaltskosten, einen nicht kalkulierbaren zeitlichen Aufwand und die mit einem Gerichtsverfahren einhergehende emotionale und nervliche Belastung ersparen, wenn Sie in einer Scheidungsfolgenvereinbarung außergerichtlich alles regeln, was wichtig ist. Das Familiengericht braucht nur noch Ihre Scheidung zu beschließen.

„Jeder Partner braucht einen eigenen Anwalt“

Es ist richtig, dass Sie anwaltlich vertreten sein müssen, um Ihren Scheidungsantrag einzureichen. Schließlich gilt für das Scheidungsverfahren Anwaltszwang.

Es ist aber nicht richtig, dass jeder Partner bei der Scheidung einen eigenen Anwalt bräuchte. Denn: Stimmt der andere Ehepartner Ihrem Scheidungsantrag zu, braucht er bzw. sie sich nicht anwaltlich vertreten zu lassen. Soweit er oder sie wegen der Trennung und Scheidung rechtlichen Informations- und Beratungsbedarf hat, kann er bzw. sie sich jederzeit anwaltlich beraten lassen und nach Maßgabe dieser Beratung außergerichtlich eine Scheidungsfolgenvereinbarung verhandeln und idealerweise notariell dokumentieren.

Der Ehepartner, der dem Scheidungsantrag des anderen zustimmt, muss zwar im mündlichen Scheidungstermin persönlich erscheinen, braucht sich aber nicht anwaltlich vertreten zu lassen. Da die Ehe über die außergerichtlich verhandelte Scheidungsfolgenvereinbarung abgewickelt wird, gibt es vor Gericht nichts mehr zu verhandeln. Das Familiengericht beschließt dann noch die Auflösung Ihrer Ehe.

„Wir nehmen uns einen gemeinsamen Anwalt“

Wer weiß, dass nicht jeder Ehepartner seine eigene anwaltliche Vertretung braucht, irrt oft darüber, dass es sich bei dem einen Anwalt dann um einen gemeinsamen Anwalt handelt. Beauftragen Sie einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, darf der Anwalt nur den Ehepartner vertreten, der ihn beauftragt hat. Er darf wegen des potentiell möglichen Interessenkonflikts nicht zugleich auch den anderen Ehepartner vertreten. Es gibt also keinen gemeinsamen Anwalt bei der Scheidung. Nur derjenige, der die Scheidung beantragt ist anwaltlich vertreten. Der andere Ehepartner zwar nicht, er benötigt aber auch keinen Anwalt, da er keine Anträge stellen muss.

Hat der andere Ehepartner Beratungsbedarf, kann er sich jederzeit anwaltlich informieren und beraten lassen, braucht sich aber trotzdem nicht im Scheidungstermin anwaltlich vertreten zu lassen.

„Bei der Scheidung ist es zu spät für einen Ehevertrag“

Sie können einen Ehevertrag in jeder Phase Ihrer Beziehung abschließen, sei es vor der Eheschließung, während Ihrer Ehe oder im Hinblick auf Ihre Trennung und Scheidung. Möchten Sie Ihre Rechte und Pflichten im Hinblick auf Trennung und Scheidung regeln, heißt der Ehevertrag nur anders. Und zwar: Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung.

Damit ermöglichen Sie eine einvernehmliche Scheidung und ersparen Sie sich die streitige Auseinandersetzung vor dem Familiengericht und einen oft damit einhergehenden Rosenkrieg. Sie schließen mit Ihrer ehelichen Vergangenheit ab und verlieren sich nicht in einem emotionalen Sumpf, der Zeit, Nerven und Kraft kostet.

„Eine Scheidung kann nicht online durchgeführt werden“

Auch die Justiz geht mit der Zeit. Sie können Ihre Scheidung durchaus online auf den Weg bringen. Dazu brauchen Sie nicht persönlich im Büro einer Anwaltskanzlei zu erscheinen. Stattdessen kommunizieren Sie mit Ihrem Rechtsanwalt oder Ihrer Rechtsanwältin per E-Mail, Telefon, Telefax oder tauschen sich in einer Videokonferenz aus. Bei der Kommunikation sind Sie nicht auf die Bürozeiten der Kanzlei angewiesen.

Im Regelfall müssen Sie für den finalen Gerichtstermin zwar trotzdem persönlich vor dem Familiengericht erscheinen. Vor allem bei einer einvernehmlichen Scheidung sind Familiengerichte jedoch zunehmend bereit, den mündlichen Scheidungstermin auch online im Wege einer Videokonferenz abzuhalten, wenn die technische Ausstattung vorhanden ist. Ihren Scheidungsbeschluss erhalten Sie dann mit der Post.

„Ohne Geld kann man sich eine Scheidung nicht leisten“

Ihr Scheidungsverfahren kostet Geld. Sie müssen Gerichtskasse und Anwalt bezahlen. Haben Sie kein Geld oder verdienen nur wenig eigenes Geld, und kann auch Ihr Noch-Ehepartner keine finanzielle Unterstützung leisten, haben Sie Anspruch auf staatliche Verfahrenskostenhilfe (VKH). Dann übernimmt der Staat die Kosten für Ihr Scheidungsverfahren. Ihr Anwalt bzw. Ihre Anwältin rechnet die Anwaltsgebühren direkt mit der Gerichtskasse ab. Ab einer gewissen Einkommensgrenze müssen Sie damit rechnen, dass Sie die von der Gerichtskasse verauslagten Gebühren ratenweise wieder an die Gerichtskasse erstatten müssen. Auf jeden Fall ist Ihre fehlende Liquidität kein Grund, dass Sie nicht die Scheidung beantragen.

„Sagt der Partner „Nein“, kann man sich nicht scheiden lassen“

Möchten Sie unbedingt geschieden werden, kann auch der Partner Ihre Scheidung langfristig nicht aufhalten. In Ausnahmefällen, etwa bei häuslicher Gewalt, kommt Ihre Scheidung bereits vor Ablauf des Trennungsjahres in Betracht, wenn es Ihnen aufgrund des vorwerfbaren Verhaltens Ihres Ehepartners nicht zuzumuten ist, das Trennungsjahr abwarten zu müssen. Ansonsten werden Sie spätestens nach Ablauf von drei Jahren geschieden, ohne dass der Ehepartner die Scheidung aufhalten könnte.

„Es ist eine unüberwindbare Hürde, wenn der Partner vermisst oder untergetaucht ist“

Ist Ihr Partner vermisst oder untergetaucht, sind Sie zunächst verpflichtet, alles zu unternehmen, um dessen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Erweisen sich Ihre Recherchen nachweislich als ergebnislos, kann das Familiengericht Ihren Scheidungsantrag im Wege der öffentlichen Zustellung an der Gerichtstafel aushängen. Nach Ablauf einer gewissen Frist beschließt das Familiengericht über Ihre Scheidung, auch wenn Ihr Ehepartner keine Kenntnis vom Verfahren hat.

„Das Familiengericht entscheidet über die Kinder“

Es ist nicht richtig, dass der Elternteil, der das gemeinsame Kind nach der Trennung und Scheidung nicht in seiner Obhut betreut, das Sorgerecht für das Kind verliert. Richtig ist vielmehr, dass das gemeinsame Sorgerecht beider Elternteile auch nach der Trennung und Scheidung fortbesteht und nur dann aufgehoben wird, wenn das Gericht im Hinblick auf die mangelnde Erziehungskompetenz eines Elternteils das Sorgerecht einem Elternteil alleine zuerkennt.

Der nicht betreuende Elternteil hat ein gesetzlich verbrieftes Umgangsrecht und muss in Angelegenheiten, die für die Erziehung und Entwicklung des Kindes von erheblicher Bedeutung sind, immer noch seine sorgerechtliche Zustimmung erteilen. Idealerweise verständigen sich die Elternteile darauf, wer das Kind nach der Scheidung betreut und wie das Umgangsrecht des anderen Elternteils ausgestaltet wird. Es empfiehlt sich, die Absprachen außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung festzuschreiben. Eine gerichtliche Klärung sollte sich damit erübrigen.

„Bei der Scheidung hat der Partner Anspruch auf die Hälfte meines Vermögens“

Richtig ist, dass Sie alles, was Sie werden Ihrer Ehe gemeinsam angeschafft und erwirtschaftet haben, nach der Scheidung aufteilen müssen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Partner Anspruch auf die Hälfte Ihres Vermögens hätte. Vermögenswerte, die Sie in die Ehe eingebracht, geschenkt bekommen oder geerbt haben, bleiben außen vor.

Lediglich der Vermögenszuwachs, der den Vermögenszuwachs Ihres Ehepartners während der Ehe übersteigt, muss bei der Scheidung geteilt werden. Gleiches gilt umgekehrt, wenn Ihr Ehepartner einen höheren Vermögenszuwachs hat als Sie selbst. Der damit einhergehende Zugewinnausgleich hat zur Folge, dass Sie den Partner mit Geld oder sonstigen Vermögenswerten abfinden müssen, bedeutet aber nicht, dass Sie Ihre Vermögenswerte hälftig teilen müssen. Idealerweise verständigen Sie sich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung, wie Sie den Partner abfinden oder Ihre Vermögenswerte aufteilen.

Fazit

Möchten Sie Ihre Scheidung beantragen, sollten Sie sich frühzeitig anwaltlich informieren und beraten lassen. Lassen Sie sich von irgendwelchen Scheidungsmythen nicht davon abhalten, Ihre Scheidung einzureichen oder zu Zugeständnissen drängen, für die es keine rechtliche Grundlage gibt. Bei weiteren Fragen können Sie sich jederzeit vertrauensvoll an mich wenden.


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