Abgesagte Reise, darf der Veranstalter bereits vereinnahmte Stornokosten behalten? Neues Urteil des LG München

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Mit Berufungsurteil vom 4. Februar 2022 (30 S 8691/21) hat das Landgericht München entschieden, dass ein Reiseveranstalter keine Rücktrittsentschädigung verlangen kann, wenn er die Reise nach einem vom Reisenden erklärten Rücktritt selbst „absagt“.

Was war geschehen?

Die Klägerin buchte für sich und drei weitere Mitreisende eine Pauschalreise nach Teneriffa für den Zeitraum vom 17. September 2020 bis zum 26. September 2020. Die vertraglich vereinbarte Anzahlung in Höhe von 1.740,80 € hat sie an den in München ansässigen Reiseveranstalter gezahlt. Infolge des weltweit zu beobachtenden Infektionsgeschehens hat die Klägerin Anfang August 2020 den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag erklärt. Die Beklagte hat die vereinnahmte Anzahlung mit einem Anspruch auf sogenannte Stornokosten verrechnet und daher keine Rückzahlung geleistet. Zu einem späteren Zeitpunkt hat die Beklagte alle Reisen in das Zielgebiet der Kanarischen Inseln abgesagt. Davon wäre auch die von der Klägerin ursprünglich gebuchte Reise betroffen gewesen. Die Klägerin hat Klage vor dem Amtsgericht München erhoben und die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung gefordert.

Das Urteil des Amtsgerichts

Mit dem Urteil vom 31. Mai 2021 gab das Amtsgericht München der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass wegen der Nichtdurchführbarkeit der Reise kein Anspruch auf Stornokosten bestehe.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Das Verfahren vor dem Landgericht 

Das Landgericht hat sich in dem Berufungsurteil umfassend mit den von den Parteien ausgetauschten Argumenten und den bereits ergangenen Urteilen, insbesondere Landgericht Frankfurt am Main (siehe Rechtstipp https://www.anwalt.de/rechtstipps/weitere-verbraucherfreundliche-entscheidung-zum-ruecktritt-vom-pauschalreisevertrag-infolge-der-corona-pandemie-191963.html ) auseinandergesetzt.

Anfangs des Verfahrens war das Landgericht geneigt, der Auffassung einer anderen Kammer beim Landgericht München (14. Zivilkammer) zu folgen, wonach es zur Beurteilung der Rechtsfolgen eines Rücktritts vom Pauschalreisevertrag lediglich auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ankommt. Die Richter der 14. Zivilkammer vertreten die Auffassung, wenn die notwendigerweise vor dem Rücktritt anzustellende Prognose im Hinblick auf die zu erwartenden Gefahren während der Reise nicht objektiv zur Annahme der Undurchführbarkeit der Reise führt, entstehe demnach der Anspruch auf die Rücktrittsentschädigung und bleibt auch dann bestehen, wenn der Reiseveranstalter zu einem späteren Zeitpunkt die Reise selbst absagt.

In der mündlichen Verhandlung wurden die Entscheidungen anderer Gerichte, so beispielsweise das oben zitierte Landgericht Frankfurt a. M. oder auch Landgericht Düsseldorf (zum Beispiel mit Urteil vom 25. Oktober 2021 – 22 S 77/21- wird in Heft 1 Reiserecht aktuell 2022 veröffentlicht) diskutiert und zudem weitere Argumente, die für die Rechtsposition der Klägerin sprachen, ausgetauscht.

Das Landgericht ist dann erfreulicherweise den von Advocatur Wiesbaden vorgetragenen Argumenten gefolgt und hat das Urteil des Amtsgerichts München bestätigt und die Beklagte nun zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung verurteilt. Zugleich hat das Landgericht die Revision gegen dieses Urteil zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob der Reiseveranstalter von diesem Rechtsmittel tatsächlich Gebrauch macht.

Für die Beratung zu den Ansprüchen nach dem Rücktritt vom Reisevertrag steht Ihnen Advocatur Wiesbaden – die Spezialkanzlei für Reise- und Luftverkehrsrecht gerne zur Verfügung. Mit unserer Erfahrung aus vielen hundert Prozessen mit Inhalt der Rückforderung von Stornokosten vor vielen Amts- und Landgerichten der Bundesrepublik Deutschland können wir ein Optimum an anwaltlichem „know-how“ bieten. 

Eine Vielzahl von Mandanten stammt nicht aus unserer Region, dem Rhein-Main-Gebiet. Wir vertreten selbstverständlich auch Reisende, die weiter weg wohnen. Durch die modernen Kommunikationsmittel ist die optimale Vertretung auch bei größeren Entfernungen zwischen Mandant und Anwaltskanzlei jederzeit gewährleistet.

Foto(s): Holger Hopperdietzel

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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