Abitur in der Corona-Krise: Darf oder muss ich es schreiben? Ist es anfechtbar?

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Die Kanzlei BUSE HERZ GRUNST Rechtsanwälte berät Sie bundesweit im Schulrecht – Ihr Anwalt für Schulrecht aus Berlin

Kann meine Abschlussprüfung in der Corona-Krise abgesagt werden?

Das letzte Wort in der Entscheidung ob Prüfungen stattfinden oder nicht haben die Länder, denn Bildung ist Ländersache. In Angelegenheiten von überregionaler Bedeutung, wie es bei den meisten Abschlussprüfungen und insbesondere dem Abitur mit und ohne Corona-Krise der Fall ist, stimmen sich die jeweiligen Bildungsminister*innen bundesweit in der sogenannten Kultusministerkonferenz (KMK) ab. Damit soll sichergestellt werden, dass die Abschlüsse ein vergleichbares Niveau haben und deutschlandweit unmittelbar anerkannt werden. Hält sich ein Bundesland nicht an die Vorgaben der KMK, können die anderen Bundesländer die Anerkennung verweigern und zum Beispiel zusätzliche Prüfungen von den Absolventen verlangen, wenn sie sich in dem Bundesland mit ihrem Zeugnis bewerben.

Wenn z. B. Berlin die Prüfungen absagt und die Abschlüsse anhand bisheriger Leistungen erteilt, wie es der Berliner Landesschülerausschuss von der Bildungssenatorin fordert, kann diese dem Wunsch zwar nachkommen, riskiert damit aber die Anerkennung der Abschlüsse dieses Jahrgangs außerhalb Berlins.

Nach Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 25.03.2020 sollen „insbesondere“ die schriftlichen Abiturprüfungen zum geplanten bzw. zu einem Nachholtermin bis zum Ende des Schuljahres stattfinden, soweit dies aus Infektionsschutzgründen zulässig ist.

Aktuell sieht es danach aus, dass alle Bundesländer an diesem Beschluss festhalten und planen, alle Prüfungen zum mittleren Schulabschluss (MSA/eBBR) und zum Abitur und alle Prüfungen an den beruflichen Schulen und Oberstufenzentren stattfinden zu lassen.

Habe ich einen Anspruch auf das Ablegen der Prüfung in der Corona-Krise? Kann mein Anwalt für Schulrecht den Anspruch durchsetzen?

Nach Artikel 7 GG und 12 GG sowie aus Artikel 14 EU-Grundrechtecharta hat man einen Anspruch darauf, das während der Schullaufbahn oder der Ausbildung erworbene Wissen durch einen Abschluss unter Beweis zu stellen. Der Abschluss bildet die Grundlage für die Berufswahl – nicht nur bei Studiengängen mit notenabhängigen Zulassungsbeschränkungen (NC), sondern praktisch bei jeder Bewerbung spielt der Abschluss und seine Note eine gewichtige Rolle.

Damit ist aber noch nicht geklärt, wie man zu diesem Abschluss gelangt. Aufgrund der hohen Relevanz für die beruflichen Möglichkeiten der Absolventen, haben die Gerichte an das prüfungsrechtliche Verfahren besonders hohe Anforderungen gestellt. Kurz gesagt, muss es diskriminierungsfrei zugehen, es darf den Einzelnen nicht benachteiligen und es muss die Möglichkeit bieten, sich angemessen darauf vorzubereiten. Wie die Bundesländer das Prüfungsverfahren der MSA-, Abitur- und Abschlussprüfungen ausgestaltet, unterliegt also strengen Voraussetzungen, die gerichtlich überprüfbar sind.

Muss ich trotz der Corona-Pandemie am Abitur oder der MSA-Prüfung teilnehmen?

Wenn Sie zu einer Prüfung geladen wurden, müssen Sie grundsätzlich auch teilnehmen. Aufgrund der Gefährdungslage durch Covid-19-Erkrankungen und die Schließung der Schulen muss die Verwaltung jedoch Ausnahmen und Härtefallregelungen vorsehen, um individuelle Härten auszugleichen. Jedes Bundesland hat die Kriterien dazu selbst festzulegen. Wenden Sie sich hierzu unmittelbar an die jeweilige Schule oder Schulbehörde und stellen Sie gegebenenfalls schriftlich oder per E-Mail einen Antrag. Wenn Sie vorab eine Beratung wünschen, stehen wir Ihnen dazu gerne zur Verfügung. Wird Ihnen keine Ausnahme bewilligt, stellt dies einen belastenden Verwaltungsakt dar, der rechtlich angreifbar ist. Spätestens jetzt sollten Sie sich an einen Anwalt im Verwaltungsrecht werden. Im direkten Kontakt mit der Schule oder im gerichtlichen Eilrechtsschutz können wir als auf das Bildungsrecht spezialisierte Anwälte häufig schnell und unbürokratisch gute Ergebnisse für unsere Mandanten erzielen.

Wie wird die Abiturnote festgelegt, wenn keine Prüfung stattfindet?

Die Entscheidung obliegt dem jeweiligen Bundesland. Eine Möglichkeit ist das Durchschnittsabi. Dabei soll ein Durchschnitt der vergangenen vier Halbjahre errechnet und als Abiturnote festgelegt werden. Das so entstandene Zeugnis muss den rechtlichen Voraussetzungen ebenso genügen, als wenn eine gesonderte Prüfung durchgeführt worden wäre. Rechtliche Bedenken ergeben sich besonders im Hinblick darauf, ob ein unter diesen Bedingungen zustande gekommenes Zeugnis den Verfahrensanforderungen genügt. Denn bei Ablegen der Prüfungen in den letzten Jahren gingen die Schüler jeweils von einer anderen Zusammensetzung der Bewertung aus. Im Fall eines Durchschnittsabiturs dürfte entscheidend sein, ob es für die Schüler die Möglichkeit gibt, freiwillig eine gesonderte Prüfung abzulegen.

Kann ich mich gegen die Abiturnote mit einem Anwalt für Schulrecht wehren?

Abschlussnoten und Zeugnisse sind sogenannte Verwaltungsakte. Sie sind für die Absolventinnen und Absolventen von großer, über den schulinternen Kreis hinaus-gehender Bedeutung und daher auch gerichtlich überprüfbar. Durch die Maßnahmen der Corona-Krise ist der reguläre Schulbetrieb vollständig zum Erliegen gekommen. Wie sich das im Einzelnen auf die Bewertung auswirkt ist noch vollkommen offen. Seitens der Politik ist versprochen worden, dass dem Einzelnen keine Nachteile entstehen. Ob dieses Versprechen gehalten werden kann, bleibt abzuwarten.

Die Länder sind in der Gestaltung des „Corona-Abis“ nicht frei, sondern müssen zu einer gerechten, die Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler wahrenden Lösung kommen. Jede Entscheidung zum Verfahren und zur Bewertung hat drauf Einfluss.

Beispielsweise wird aktuell diskutiert, ob zum Nachholtermin schreiben muss oder darf, wer einer Covid-19-Risikogruppe angehört oder mit Personen aus Risikogruppen zusammenlebt. Die Entscheidung ob und zu welchem Termin der Kandidat zur Prüfung zugelassen wird, ist rechtlich angreifbar. Wer zum Nachholtermin schreiben kann, hat beispielsweise eine längere Vorbereitungszeit, was sich auf die Chancengleichheit auswirkt.  

Entscheidungen über die Zusammensetzung der Note haben auch immer gleichheitsrechtliche Auswirkungen. So werden schriftlich stärkere Schüler*innen bevorzugt, sollten die mündlichen Prüfungen weniger stark gewichtet werden oder ausfallen und mündlich stärkere Schüler*innen bevorzugt, sollten vorangegangene mündliche Noten stärker in die Abiturnote einfließen.

Als spezialisierte Anwälte für Schulrecht können wir Sie über Ihre Rechte und deren Durchsetzung effektiv beraten und Ihnen dabei helfen gegen Benachteiligungen vorzugehen. Nutzen Sie die Erfahrung aus mannigfachen betreuten Verfahren im Bildungsrecht, um die bestmöglichen Bedingungen für Ihre Kinder zu erreichen.


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