Abmahnung erhalten? Tipps für die Verhandlungen: Vom Gegeneinander zum Miteinander

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Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Wenn beim Verhandeln nicht auf die Positionen und konkreten Forderungen abgestellt werde, sondern vielmehr auf die dahinter liegenden Interessen, dann könne eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung erreicht werden. Und fortan leben sie glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage. Soweit die Theorie, die Praxis sieht meist leider etwas anders aus. Verhandlungen über einen zufriedenstellenden Kompromiss oder gar einen Konsens setzen nämlich voraus, dass beide Parteien überhaupt ein Interesse an einer solchen Lösung haben. Gerade dies ist bei Abmahnverfahren jedoch häufig gar nicht der Fall. Der Wettbewerber will schlichtweg, dass ein Wettbewerbsverstoß abgestellt wird. Der Rechteinhaber will schlichtweg, dass die Verletzung seiner Marke, seines Designs oder seines Patents eingestellt wird. In dem folgenden Beitrag gebe ich daher Tipps für den Fall, dass über eine Einigung verhandelt werden soll.

Früher eine gute Idee, heute Rechtsmissbrauch:

Gegenabmahnung androhen und Einigung vorschlagen

Bei einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung war es früher durchaus üblich (und häufig auch zielführend), zunächst einmal den Internetauftritt des Abmahners zu überprüfen. Fanden sich dort gleichartige oder andere Wettbewerbsverstöße folgte häufig der Vorschlag, dass der Abmahner seine Abmahnung zurückzieht und im Gegenzug auf den Ausspruch einer Gegenabmahnung verzichtet wird. Auf diese Weise konnten zwar viele Verfahren einvernehmlich beigelegt werden. Eine „Zusammenarbeit“ zwischen den Gegnern war dies jedoch allenfalls bei einer recht wohlmeinenden Betrachtungsweise, und dann natürlich auch nur im Hinblick auf eine Einigung über die Beseitigung der Wettbewerbsverstöße und die Beilegung des Rechtsstreits, aber immerhin. Da der Verweis auf die Wettbewerbsverstöße des Abmahners in diesen Fällen jedoch ganz offensichtlich vorrangig dazu diente, den Abmahner zu einer Einigung zu bewegen, sehen die Gerichte diese Vorgehensweise als rechtsmissbräuchlich an.

Gute Idee, funktioniert nur leider nicht: 

Großunternehmen eine Zusammenarbeit vorschlagen

Natürlich ist eine Zusammenarbeit häufig eine gute Idee. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass beide Parteien Interesse an einer Zusammenarbeit haben. Großunternehmen, die gegen die Verletzung der Rechte an ihren Marken, Designs oder Patenten vorgehen, verfügen jedoch meist über eigene Marketingskonzepte und Vertriebssysteme. Dementsprechend schwierig ist zu begründen, dass eine Zusammenarbeit zwischen dem Großunternehmen und dem kleinen Unternehmen auch für das Großunternehmen Sinn macht. Dies gilt insbesondere in dem Fall, dass der Anlass für entsprechende Verhandlungen eine Verletzung der Rechte des Großunternehmens ist. In den meisten Fällen wird der Vorschlag einer Zusammenarbeit als Reaktion auf eine Abmahnung somit allenfalls als nicht ernstzunehmender Versuch gewertet, sich irgendwie aus dem Abmahnverfahren herauszuwinden. Ohne wirklich gute Argumente in der Hinterhand macht der Vorschlag einer Zusammenarbeit als Reaktion auf die Abmahnung eines Großunternehmens nach meiner Erfahrung also selten Sinn. Da es in diesen Fällen häufig um Schadensbegrenzung geht, ist in aller Regel ein deeskalierendes Vorgehen angeraten.

Wenn eine Zusammenarbeit Sinn machen könnte:

Verhandlungsstrategie entwerfen

Die richtige Verhandlungsstrategie ergibt sich aus dem Verhandlungsziel. Soll mit den Verhandlungen erreicht werden, dass zum einen die Abmahnung nicht weiterverfolgt wird und zum anderen anschließend auch eine echte Zusammenarbeit mit dem Abmahner erfolgt, spielen bei den Verhandlungen über die Bedingungen für die Zusammenarbeit andere Aspekte eine Rolle als wenn lediglich erreicht werden soll, dass die Abmahnung nicht weiterverfolgt wird. Und nicht vergessen: Dem abmahnenden Unternehmen und seinem Anwalt wird durchaus bewusst sein, dass der Vorschlag einer Zusammenarbeit lediglich eine Finte sein kann.

Ist der Anlass für die Verhandlungen über eine Zusammenarbeit eine Verletzung der Rechte des abmahnenden Unternehmens, besteht nachvollziehbarerweise zunächst ein Misstrauen, das zerstreut werden muss. Gelingt dies und können gute Gründe für eine Zusammenarbeit präsentiert werden, gibt es jedoch üblicherweise auch Möglichkeiten, die Interessen beider Parteien im Rahmen einer Einigung zu berücksichtigen. Und in genau diesen Fällen macht es Sinn, beim Verhandeln nicht auf die Positionen und konkreten Forderungen abzustellen, sondern vielmehr auf die dahinter liegenden Interessen. Ein paar Beispiele aus einer Praxis:

  • In einem Fall wurde für den Fall des Zustandekommens einer Einigung über die Lizenzierung einer Marke im Rahmen der Verhandlungen in Aussicht gestellt, dass auf die Abgabe einer Unterlassungserklärung verzichtet wird. Im Ergebnis konnte tatsächlich eine Einigung erzielt werden.
  • In einem anderen Fall war dem abmahnenden Unternehmen wichtig, dass das abgemahnte Unternehmen vor der Aufnahme von Verhandlungen über eine Zusammenarbeit eine Unterlassungserklärung abgibt, während die noch offenen Ansprüche auf Auskunfterteilung, Schadenersatz und Kostenerstattung (Anwaltskosten) im Rahmen der Verhandlungen über die Zusammenarbeit bei den konkreten Konditionen berücksichtigt worden sind.
  • In einem weiteren Fall war dem abmahnenden Unternehmen wichtig, dass das abgemahnte Unternehmen trotz der bereits vorbesprochenen Einigung über eine Zusammenarbeit eine Unterlassungserklärung abgibt, wobei die Geltendmachung von Ansprüchen aus dieser Erklärung erst nach einer Beendigung der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen möglich sein sollte.

So unterschiedlich die Ausgangslagen und Interessen sein können, so unterschiedlich können auch die Einigungen ausfallen. Wenn ein Wille zu einer Einigung besteht, findet sich in aller Regel auch ein Weg zu einer Einigung.

Sich eigene Interessen bewusst machen und die Interessen der Gegenseite ernst nehmen

Bevor sie anfangen zu verhandeln: Machen Sie sich Ihre eigenen Interessen bewusst. Legen Sie fest, welche Interessen im Rahmen einer Einigung zwingend gewahrt werden müssen und welche Interessen Sie gegebenenfalls zurückstellen können. Machen Sie sich auch Gedanken darüber, in welchen Fällen eine Einigung keinen Sinn macht.

Wie auch immer Sie die Interessen der Gegenseite bewerten: Wenn der Gegenseite bestimmte Interessen wichtig sind, dann sollten Sie diese Interessen nicht nur ernst nehmen, sondern im Rahmen der Verhandlungen über eine Einigung auch thematisieren, wie diese Interessen gewahrt werden könnten. Gewinnt die Gegenseite den Eindruck, dass ihre Interessen nicht ernst genommen werden, kann damit für die Gegenseite die Grundlage für Verhandlungen über eine Einigung insgesamt entfallen.

Spielen Sie die verschiedenen Szenarien des weiteren Vorgehens gedanklich durch und werden Sie sich klar darüber, was Sie erreichen möchten bzw. was Sie vermeiden möchten. Überlegen Sie in diesem Zusammenhang auch, was die Gegenseite möglicherweise erreichen bzw. vermeiden möchte. Gern unterstütze ich Sie hierbei.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de ständig Abgemahnte und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Weitere Informationen zu mir und meiner Tätigkeit können Sie meinen Rechtstipps und meinem Bewertungsprofil entnehmen.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch.

Im Rahmen meiner Beratung erörtere ich mit Ihnen nicht nur die Rechtslage, sondern auch mögliche Handlungsstrategien. Selbstverständlich erhalten Sie von mir auch konkrete Empfehlungen für das weitere Vorgehen. 

Sie haben eine Abmahnung erhalten und wünschen eine Beratung?

Wenn Sie eine Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes oder wegen der Verletzung der Rechte an einer Marke, an einem Design oder an einem Patent erhalten haben und sich hierzu beraten lassen möchten oder wenn Sie eine zweite Meinung zu der von Ihrem Anwalt empfohlenen Vorgehensweise wünschen:

  • Rufen Sie mich einfach an.
  • Schicken Sie mir eine E-Mail.
  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ eine Mitteilung zukommen.

Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Weitere Anregungen für Verhandlungen bei Abmahnverfahren:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/abmahnung-erhalten-tipps-fuer-die-verhandlungen-mit-der-gegenseite-der-ton-macht-die-musik-199087.html



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