Abweichende Festsetzung bzw. Erlass der Steuern bei Kryptogeschäften aus Billigkeitsgründen

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Neben dem Trading gibt es noch weitere Möglichkeiten, mit Kryptowährungen Geld zu verdienen. Wer sich ein passives Einkommen aufbauen möchte, kann dies z. B. mit Staking und Liquidity Mining tun, denn die ausgeschütteten Rewards bringen eine regelmäßige Rendite.

Die Besteuerung der Rewards

Für die Besteuerung der Einnahmen durch Staking kommt es zunächst darauf an, ob diese mittels aktivem oder passivem Staking generiert wurden. Während das BMF beim Forging grundsätzlich von einer gewerblichen Tätigkeit ausgeht und demnach die Einkünfte gemäß § 15 EStG zu versteuern wären, handele es sich bei Rewards aus passivem Staking um sonstige Einkünfte aus Leistungen i. S. d.
§ 22 Nr. 3 EStG, welche ab einem Betrag von 256 Euro mit dem individuellen Einkommensteuersatz besteuert würden. Maßgeblich für die Besteuerung sei dabei der Tag des Zuflusses. Der Reward gelte zudem an diesem Tag als angeschafft i. S. v. § 23 EStG und sei nach § 8 Abs. 2 S. 1 EStG mit dem Marktkurs zum Anschaffungszeitpunkt für die Berechnung der Steuer anzusetzen.

Für die Praxis bedeutet das: Erhaltene Rewards werden zum Zeitpunkt des Zuflusses (in Fiat umgerechnet) besteuert, unabhängig davon, ob sie unmittelbar nach Anschaffung oder zu einem späteren Zeitpunkt (in Fiat) verkauft bzw. umgetauscht werden. In einem zweiten Schritt könnte es zu einer weiteren Besteuerung kommen, und zwar, wenn die erhaltenen Rewards innerhalb der Spekulationsfrist verkauft werden. Bei den erzielten Gewinnen handelt es sich um Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft, welche nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig wären. Die Frage, ob Rewards jedoch als angeschafft i. S. v. § 2 EStG gelten, ist jedoch umstritten. Falls dem nicht so wäre, wäre der Anwendungsbereich des § 23 EStG auch nicht innerhalb der Spekulationsfrist eröffnet.

Steuerliche Risiken im Zusammenhang mit Rewards

Im Umkehrschluss können also Steuern verhindert werden, wenn die erhaltenen Rewards für mindestens ein Jahr gehalten werden. Doch diese Strategie birgt aufgrund der hohen Volatilität der Kryptowährungen steuerrechtliche Gefahren. Bei stabilen oder gar steigenden Kursen können Anleger in jedem Fall ohne Verluste ihre Rewards verkaufen. Kommt es jedoch zu einem Kursverfall einer Kryptowährung, hat dies zur Folge, dass der Wert der gehalten Coins- einschließlich des Rewards- sinkt. Dies ist insofern problematisch, da bereits mit dem Zufluss des Rewards die Steuer für diese entsteht.

Beispiel: Ein Anleger hält im Jahr 2021 Coins im Wert von 100.000 Euro, erzielt durch Staking eine Rendite von 10 % und hält damit insgesamt Coins im Wert von 110.000 Euro. Im Jahr 2022 fällt der Kurs der Währung so stark ab, dass die Coins aus den Rewards nur noch 1.000 Euro wert sind. Aufgrund des Zuflussprinzips müssen die erhaltenen Rewards im Wert von 10.000 Euro versteuert werden.

Dies kann vor allem dann problematisch werden, wenn nicht genügend finanzielle Rücklagen in Fiat-Währungen geschaffen wurden, jedoch alsbald die Steuerzahlung fällig ist.

Kein Zugriff auf die Börse infolge einer Insolvenz, eines Scams oder ähnlichem

Ein ähnlich gelagerter Fall liegt vor, wenn Anleger sich ihre erzielten Gewinne nicht in Fiat auszahlen lassen haben, sprich das Entgelt wurde nicht von der Börse auf ein Bankkonto überwiesen. Ist es nun z. B. in Folge einer Insolvenz der Börse nicht mehr möglich, auf die Vermögenswerte zuzugreifen, kann das insofern problematisch sein, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Coins versteuert werden muss, ohne dass der Anleger einen tatsächlichen finanziellen Vorteil erlangt hat.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind zu erfüllen

Grundsätzlich gilt: Wurde die Steuer gesetzeskonform festgesetzt und erhoben, sind der Steuerpflichtige sowie das Finanzamt daran gebunden. Doch welche Möglichkeiten haben Steuerpflichtige, die sich in einer solch prekären finanziellen Situation befinden?

Sofern die Erhebung oder die Festsetzung der Steuer unbillig ist, kann diese niedriger festgesetzt oder gar erlassen werden. Über das Vorliegen von Unbilligkeit entscheidet die Finanzverwaltung nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Hierbei ist auch das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Ertragsteuerrecht zu beachten.

Abweichende Festsetzung oder der Erlass der Steuer

Gemäß § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt und Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Steuerfestsetzung unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer unbillig wäre. Sofern die Steuer bereits festgesetzt wurde, kann im Rahmen des Erhebungsverfahrens die Steuer nach § 227 AO teilweise oder vollständig vom Finanzamt erlassen werden. Voraussetzung ist hier ebenfalls das Vorliegen von Unbilligkeitsgründen. Die Unbilligkeit kann sich aus sachlichen oder persönlichen Verhältnissen ergeben, wobei der Begriff der Unbilligkeit keinesfalls weit ausgelegt werden darf. Sachliche Unbilligkeitsgründe liegen beispielsweise vor, wenn die Steuerfestsetzung zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, sie jedoch nach dem Telos der Norm den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft.

Persönliche Unbilligkeitsgründe sind anzunehmen, sofern beim Steuerpflichtigen die Erlassbedürftigkeit, sowie die Erlasswürdigkeit positiv festgestellt wird. Ein Steuerpflichtiger ist erlassbedürftig, wenn die Einziehung der Steuer die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten würde. Sofern die Existenzgefährdung durch die Gewährung einer Ratenzahlung beseitigt werden kann, sind die Voraussetzungen einer Erlassbedürftigkeit nicht erfüllt und eine abweichende Festsetzung oder der Erlass der Steuer ist nicht möglich.

Kumulativ zur Erlassbedürftigkeit muss die Erlasswürdigkeit vorliegen. Der Steuerpflichtige darf die mangelnde Leistungsfähigkeit nicht zu vertreten haben oder gar mit seinem Verhalten gegen das Interesse der Allgemeinheit verstoßen haben. Dies wäre regelmäßig anzunehmen, wenn sich der Steuerpflichtige bereits der Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat. Ferner muss feststellbar sein, dass der Steuerpflichtige in der Vergangenheit seinen steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist.

An die Normen der §§ 163, 227 AO sind hohe rechtliche Anforderungen geknüpft, denn das Finanzamt würde trotz des rechtmäßig entstandenen Anspruchs zumindest auf einen Teil der Steuer verzichten. Aus diesem Grund wird bei der Ermessensentscheidung des Finanzamtes für jeden Einzelfall streng geprüft, ob alle Voraussetzungen vorliegen. Aufgrund der hohen Anforderrungen sollte daher ein Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung oder Steuererlass stets vollständig und argumentativ sauber ausgearbeitet sein. Vor allem im Bereich der Besteuerung von Krypto bedarf es daher eines Experten, der die Komplexität der Thematik im Einzelfall erfassen und für einen Antrag verständlich aufarbeiten kann.

Zu den Themen Steuererlass und abweichende Steuerfestsetzung sowie zu allen anderen (steuerrechtlichen/erbrechtlichen) Themen beraten wir Sie gern umfassend. Sie erreichen uns unter der Rufnummer 040/528 403 – 0 oder per E-Mail unter info@rugefehsenfeld.de.


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