Abweichende Leistungsausführung – nicht immer besteht der Gewährleistungsanspruch!

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Der Bauherr (AG) beauftragte den Unternehmer (AN) mit der Errichtung eines Drogeriemarkts. Dem Restwerklohnanspruch des AN stellte der AG entgegen, der Fliesenbelag sei abweichend von der Baubeschreibung nicht im Dünnbettverfahren verlegt, sondern (zusätzlich) gerüttelt worden. Außerdem gewährleiste die Bodenplatte nicht die vertraglich vereinbarte Nutzlast. Der AG erklärte die Aufrechnung mit einem Kostenvorschussanspruch in Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten. Der AN klagt.

Das OLG Koblenz erteilte der Haltung des Bauherrn eine Absage. Richtig sei, dass hinsichtlich der Verlegung der Fliesen und auch in Bezug auf die Nutzlast der Bodenplatte von der vereinbarten Beschaffenheit abgewichen worden sei. Jedoch könne der AG daraus keine Gewährleistungsansprüche herleiten, weil beide Abweichungen zu einer qualitativ hochwertigeren Ausführung geführt hätten. Denn das zusätzliche Einrütteln der Fliesen habe deren Bruchfestigkeit erhöht und auch die Belastbarkeit der Bodenplatte übersteige sogar den vertraglich vereinbarten Wert deutlich. Das Verhalten des AG verstoße in diesem Lichte gegen Treu und Glauben.

Die Entscheidung stützt zunächst einmal das oft wahrgenommene Argument, "eine höherwertige Ausführung als die vereinbarte könne keinen Mangel darstellen". Indes steht das nicht im Einklag mit der seit 2002 geltenden Gesetzessystematik. Diese stellt auf den versprochenen Erfolg und die subjektiven Wünsche des Bestellers ab und nicht auf die vielleicht aus objektiver Sicht vorzugswürdige Ausführungsart. Erst wenn es keine Beschaffenheitsvereinbarung gibt, kommt es auf die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die für die gewöhnliche Verwendung erforderliche Funktionstauglichkeit des Werks an (§ 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB). 

Im Grundsatz stellt jede noch so geringe Abweichung von einer Beschaffenheitsvereinbarung einen Mangel dar, selbst wenn sich die Ausführung für den Besteller als technisch oder wirtschaftlich vorteilhafter erweist. 

Für den Unternehmer ergeben sich in diesem Spannungsfeld folgende Möglichkeiten: Grenzen für die Nachbesserung setzen § 275 Abs. 2, 3 und § 635 Abs. 3 BGB (unverhältnismäßig hohe Kosten). Für den möglichen Rücktritt des Auftraggebers sind § 634 Nr. 3 und § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB (unerhebliche Pflichtverletzung) zu beachten. Außerdem kann – wie die vorliegende Entscheidung zeigt – die Berufung auf Gewährleistungsansprüche nach Treu und Glauben verwehrt sein. Man wird aber – abweichend von der Begründung des OLG Koblenz – nicht nur auf die Höherwertigkeit der Ausführung abstellen dürfen, sondern (wie auch andere Obergerichte) muss zusätzlich in Betracht ziehen, ob der Besteller auf die vereinbarte Ausführungsart auch keinen besonderen Wert gelegt habe. 

(OLG Koblenz vom 23.02.2017, 6 U 150/16; BGH, Beschluss vom 18.12.2019 - VII ZR 68/17, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)   

Dr. Thomas Gutwin

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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