AG Bühl folgt EuGH: Ryanair hat Vermittlungsgebühr für Flugtickets zu erstatten

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Verbraucher erwerben Flugtickets im Regelfall über Vermittler, die wiederum hierfür eine Provision entgegennehmen. Das Amtsgericht Bühl hat in seinem Schlussurteil vom 09.04.2021 – 7 C 143/20 (das Urteil kann hier abgerufen werden) nun entschieden, dass für den Fall, dass ein Flug annulliert wird – hier wegen Corona –, die jeweilige Fluggesellschaft – hier die irische Fluggesellschaft Ryanair – die Provision zu erstatten hat. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass die Fluggesellschaft nicht beweisen kann, dass sie von der Vereinnahmung einer Vermittlungsgebühr keine Kenntnis hatte.


Rechtlicher Ausgangspunkt

Ausgangspunkt des Urteils des AG Bühl ist zunächst Art. 5 („Annullierung“) der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004). Dieser sieht in Abs. 1 vor:


„Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten, 

(…)“


Art. 8 („Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung“) der Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen

a) - der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, (…)“


Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 12.09.2018 (Az. C-601/17) entschieden, dass ein „Flugschein“ ein Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch ausgestellte Berechtigung darstellt, das bzw. die von einem Luftfahrtunternehmen oder einem von ihm zugelassenen Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde. Dieser Definition ist zu entnehmen, dass die verschiedenen Bestandteile eines solchen Flugscheins – darunter sein Preis – auch dann, wenn er nicht von dem Luftfahrtunternehmen selbst ausgestellt wird, jedenfalls von ihm genehmigt werden müssen und somit nicht ohne sein Wissen festgelegt werden dürfen.


Vermittlungsgebühren sind also grundsätzlich Teil der zu erstattenden Flugscheinkosten, es sei denn, die Provision wurde ohne Wissen des Luftfahrtunternehmens festgelegt.


Das Urteil des AG Bühl vom 09.04.2021 – 7 C 143/20

Das Amtsgericht Bühl hat nun – nachdem Ryanair während des Verfahrens die Kosten der Flugtickets ohne Vermittlungsprovision bezahlt (der Rechtsstreit konnte insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt werden) und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen für die Zahlungsschuld in Höhe der Flugtickets anerkannt hat (Teil-Anerkenntnisurteil) – mit Schlussurteil entschieden, dass die Fluggesellschaft auch die Vermittlungsgebühren zu übernehmen hat. 


Dabei hat das AG Bühl die Fluggesellschaft in der Beweislast gesehen für die Behauptung, dass sie keine Kenntnis habe von der Erhebung einer Vermittlungsgebühr bzw. dass es keine vertragliche Absprache zwischen der Fluggesellschaft und dem Vermittlungsunternehmen gebe. Dies folgt aus der sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebenden grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit und der Formulierung in dessen Urteil „es sei denn“, die für eine Befreiung im Ausnahmefall spricht.


Die Fluggesellschaft hat das hierfür zunächst angebrachte Beweismittel, einen Zeugen, wieder zurückgenommen.


Als weiteres Beweismittel wurde ein weiterer Zeuge angeboten. Dieser Beweis konnte allerdings nicht erhoben werden, da der Zeuge für das Gericht nicht erreichbar war.


Der Versuch der Fluggesellschaft, nun eine schriftliche Zeugenaussage aus einem anderen Verfahren einzuführen, ist ebenfalls gescheitert, da die vom AG Bühl gestellten Fragen damit nicht beantwortet wurden.


Der Beweis der Unkenntnis von der Erhebung der Vermittlungsgebühren bzw. dem Nichtvorhandensein einer vertraglichen Abrede ist der Fluggesellschaft im Ergebnis damit nicht gelungen, weshalb sie auch zur Zahlung der Vermittlungsgebühr verurteilt worden ist.


Im Übrigen wollte sich die Fluggesellschaft auch auf das Leistungshindernis der Unmöglichkeit berufen, da sie infolge der Corona-Pandemie eine Rückerstattung nicht habe durchführen können.


Auch dem erteilte das AG Bühl jedoch eine Absage mit der überzeugenden Begründung, dass eine Möglichkeit, sich von der Rückerstattung bei Annullierung zu befreien, wie es etwa bei der Ausgleichsleistung nach Art. 7 durch Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 der Fall sein kann, in Art. 8 Abs. 1 a) VO (EG) 261/2004 gerade nicht vorgesehen ist. Überdies ergäbe sich dann gleichwohl eine Rückerstattungspflicht nach § 326 Abs. 1 BGB.


Zudem ist die Rückerstattung eine Geldschuld. Gegenüber einer Geldschuld kann sich ein Schuldner nach allgemeiner Meinung nicht auf Unmöglichkeit berufen.


Rechtliche Einordnung

Das AG Bühl folgt hier dem EuGH im Grundsatz, dass Fluggesellschaften auch die beim Kauf von Flugtickets vereinnahmten Vermittlungsgebühren zu erstatten haben. Zu beachten ist allerdings, dass der Fluggesellschaft die Möglichkeit offensteht, zu beweisen, dass sie von einer Entgegennahme der Vermittlungsgebühren keine Kenntnis hatte. Ob ihr dies jedoch gelingt, ist stets eine Einzelfrage, deren Klärung dem jeweiligen Gericht obliegt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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