Aktienoptionen – Urteil des BGH zum Vorrang der Insolvenzordnung vor Rahmenvertrag

  • 3 Minuten Lesezeit

Durch Urteil vom 9. Juni 2016, IX ZR 314/14, hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die Regelung für den Insolvenzfall in einem Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte – hier ging es um Aktienoptionen – nicht anwendbar ist, da sie dem Zweck der anderslautenden Regelung in der Insolvenzordnung zuwiderläuft.

Der Fall

Es ging um Aktienoptionsgeschäfte, die eine gemeinnützige Stiftung und eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, beide in Deutschland ansässig, mit einer Handelsgesellschaft englischen und walisischen Rechts (ein Unternehmen der Lehmann-Gruppe) abgeschlossen hatten. Den Optionsgeschäften lag ein Rahmenvertrag zugrunde, welcher im Fall der vorzeitigen Beendigung, u.a. bei einer Insolvenz, die Leistung von Ausgleichszahlungen vorsah.

Am 15. September 2008 wurde seitens der Beklagten ein Insolvenzantrag nach englischem Recht gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren noch Optionsgeschäfte über je 2 Millionen SAP-Aktien offen, für die als Ausübungsstichtag der 18. Dezember 2009 vereinbart war.

Die Klägerinnen hatten zunächst die Feststellung verlangt, dass der Beklagten keine Ansprüche mehr zustehen. Nach Erhebung der Widerklage, mit der die Beklagte Ausgleichszahlungen gemäß dem Rahmenvertrag – bezogen auf den Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung – forderte, wurde die klägerische Feststellungsklage für erledigt erklärt. Das Landgericht stellte die Erledigung der Feststellungsklage fest und wies die Widerklage ab. Nach Berufung der Beklagten verurteilte das Berufungsgericht die Klägerinnen auf die Widerklage hin zur Zahlung nahezu der vollen geforderten Ausgleichsbeträge von jeweils mehr als 12 Millionen Euro.

Das Berufungsgericht stützte sich dabei auf den Rahmenvertrag und den von der Beklagten behaupteten Wert der Aktienoptionen am Tag des Insolvenzantrags.

Die Lösung des BGH

Der Bundesgerichtshof hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hin die Entscheidung aufgehoben und zur neuen Verhandlung zurückgewiesen.

Zentrales Argument für die Aufhebung des Berufungsurteils war, dass die Rechtsfolgen der Insolvenz für die Aktienoptionsgeschäfte sich nach § 104 Insolvenzordnung (InsO) und nicht nach der abweichenden Regelung im Rahmenvertrag richten. Im Leitsatz des Urteils hat der Bundesgerichtshof ausgeführt: „Treffen Parteien von Aktienoptionsgeschäften, die dem deutschen Recht unterliegen, für den Fall der Insolvenz einer Partei eine Abrechnungsvereinbarung, die § 104 InsO widerspricht, ist diese insoweit unwirksam und die Regelung des § 104 InsO unmittelbar anwendbar.“

Aus der Anwendung von § 104 der InsO folgt, dass der Bewertungsstichtag für Ausgleichszahlungen erst zwei Tage nach dem Insolvenzantrag liegt, also – anders als von dem Berufungsgericht angesetzt – erst am 17. September 2008.

Weiterer Grund für die Aufhebung war, dass das Berufungsgericht trotz gegenteiligen Beweisantrags der Klägerinnen für die Höhe der Ausgleichszahlungen ein von der Beklagten eingereichtes Privatgutachten als maßgeblich erachtet hat, ohne weiteren Beweis zu erheben. Zu klären bleibt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs insbesondere, ob sich für den maßgeblichen Stichtag überhaupt ein Marktwert bestimmen lässt. Diesbezüglich führt der Bundesgerichtshof aus, vgl. Rn. 80:

„Im Rahmen der nachzuholenden Beweisaufnahme zum Marktwert der Optionen am 17. September 2008 wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob die Ermittlung eines Marktwerts der Optionen überhaupt möglich ist. Die Klägerinnen haben erstinstanzlich vorgetragen, dass es wegen der mangelnden Handelbarkeit der Optionen keinen Marktpreis dafür gebe und für diese Behauptung Sachverständigenbeweis angeboten, während die Beklagte Beweis für die gegenteilige Behauptung angeboten hat. Die Beweisaufnahme über diese Vorfrage wurde nicht dadurch entbehrlich, dass das Berufungsgericht auf das Anwaltsschreiben vom 17. April 2009 und das Privatgutachten der w. GmbH & Co. KG verwiesen hat, aus denen sich die Feststellbarkeit eines Marktpreises ergebe. Ebenso wurde die Beweisaufnahme über diese Vorfrage nicht durch den Verweis auf eine Literaturstelle entbehrlich. Für den Marktpreis ist im Übrigen nicht die Handelbarkeit der Optionen maßgeblich, sondern die bestehende Möglichkeit einer Ersatzeindeckung für denselben Ausübungsstichtag.“

Die Entscheidung dürfte über den Einzelfall hinaus auch auf andere Fälle von Finanzderivaten Bedeutung erlangen. Denn die Formulierungen in dem Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte entsprachen dem Muster des Bundesverbands Deutscher Banken. Gleichartige bzw. ähnliche Rahmenverträge wurden beispielsweise auch als Grundlage für Einzelabschlüsse von Swap-Geschäften vereinbart.

Im Insolvenzfall sollten Betroffene, welche Finanzderivate abgeschlossen haben, daher genau prüfen, ob überhaupt Abschlusszahlungen, welche in dieser Konstellation regelmäßig von den Anbietern entsprechender Produkte gefordert sind, geschuldet werden. Dies kann, wie der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall zeigt, maßgeblich davon abhängen, ob für die entsprechenden Finanzprodukte zum fraglichen Zeitpunkt ein entsprechender Markt vorhanden und damit eine Ersatzeindeckung überhaupt möglich war.

Rechtsanwalt Ingo M. Dethloff verfügt über außergerichtliche und gerichtliche Erfahrung im Bereich von Finanzderivaten. Betroffene sollten sich von einem entsprechend spezialisierten Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht beraten lassen.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Ingo M. Dethloff

Beiträge zum Thema