Aktuelles Urteil: Berufsunfähigkeit bei stufenweiser Reduzierung der Arbeitszeit - 18.11.2022, 7 U 113/20

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OLG Frankfurt vom 18.11.2022, 7 U 113/20

Das OLG Frankfurt beschäftigte sich hier mit der Frage, mit welchem Stundenumfang eine nun gesundheitlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit für die Berufsunfähigkeitsversicherung zu vergleichen ist, wenn die versicherte Person die Arbeitszeit (zumindest auch krankheitsbedingt) in mehreren Schritten reduziert hat.

Der Fall

Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen liegt in aller Regel vor, wenn die tatsächliche berufliche Tätigkeit, so wie sie „in guten Tagen“ aussah, nur noch zu 50 % oder weniger ausgeübt werden kann.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte des Falls hatte langjährig gemeinsam mit ihrem Mann eine Arzt-Praxis für Gynäkologie betrieben. Schon im Jahr 2013 reduzierte sie aber – zumindest auch gesundheitsbedingt – die Arbeitszeit maßgeblich. Von vorher 40-48 Stunden verminderte sie ihre Tätigkeit auf nun 15 bis 20 Stunden pro Woche. Da in den Folgejahren weitere Belastungen dazu kamen, beantragte sie später gegenüber ihrer BU-Versicherung den Leistungsfall. Nach einem dann für die Versicherung erstellten Gutachten sollte die Ärztin an einer leichten bis mittleren depressive Episode leiden und sie könne noch zu 15 bis 20 Stunden pro Woche arbeiten.

Weil die Klägerin und Berufungsbeklagte aber wie gesagt bereits vor diesem Zeitpunkt nur noch für 15 bis 20 Stunden tätig war ging die Versicherung nun davon aus, dass dieser Rahmen eben mehr als 50 % der Arbeitszeit „in guten Tagen“ ausmache und verweigerte die Leistung.

Die Entscheidung

Ebenso wie die Vorinstanz schloss sich das OLG Frankfurt dieser Auffassung aber nicht an. Bereits vorher erfolgte gesundheitsbedingte Reduzierungen der Tätigkeit hätten bei der Betrachtung und Bewertung außer Acht zu bleiben.

Die Gerichte waren – anders als die Versicherung – auch nicht der Auffassung, dass die Versicherungsnehmerin beweisen müsse, dass vorherige Reduzierungen „ausschließlich“ gesundheitsbedingt erfolgt seien. Vielmehr war es für das Gericht ausreichend, dass für den gerichtlich bestellten Gutachter nahelag, dass diese Gründe im konkreten Fall für die Reduzierung (zumindest auch) maßgeblich waren.

Im Ergebnis wurden die Ansprüche der Versicherungskundin bestätigt.

Bewertung

Die Entscheidung setzt sich unter erfreulich klaren Aussagen und im Ergebnis überzeugend mit der Situation auseinander, dass Betroffene der Erfahrung nach eben gerade nicht frühzeitig in die Berufs- und/oder Erwerbsunfähigkeit gehen wollen, sondern erst einmal alles versuchen, um weiter berufstätig sein zu können. Wenn dieser gute Wille dann aber später bei einer doch beantragten Versicherungsleistung sogar noch zum „Bumerang“ für die Kunden werden soll, so ist das schwer nachzuvollziehen.

Der Versicherungsnehmer wird in solchen Fällen auf der anderen Seite aber zumindest Umstände vortragen müssen, die nahelegen, dass die vorgeschalteten Reduzierungen bereits mit gesundheitlichen Einschränkungen zusammenhingen.  

Rechtsanwalt Dr. Jan-Hendrik Simon

Hannover    


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