Amazon-Betriebsrat fristlos gekündigt: Arbeitszeitbetrug, Reisekosten falsch abgerechnet

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„Schockstarre“ für Verdi und ein vollfreigestelltes Betriebsratsmitglied von Amazon. Das Arbeitsgericht Verden (Aller) 2 Ca 101/23 bestätigt die fristlose Kündigung von Amazon. In einer Presseinformation des Arbeitsgerichts Verden vom 27.09.2023 heißt es wie folgt: „Arbeitsgericht Verden (Aller) bestätigt die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds des Amazon Logistik Zentrums Achim. Die Arbeitgeberin (Beklagte) betreibt am Standort Achim ein Waren- und Logistikzentrum. Der Kläger ist freigestelltes Mitglied des bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrats. Der Kläger meldete sich in seiner Funktion als Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung mit Einverständnis der Beklagten bei dem Seminar „Die Schwerbehindertenvertretung II“ für den Zeitraum vom 6. Februar 2023 bis zum 10. Februar 2023 in Köln an. Die Seminargebühr und die Hotelkosten wurden von der Beklagten getragen. Für die Teilnahme an dem Seminar hatte der Kläger mit Kenntnis der Beklagten einen Mietwagen bei einer Mietwagenfirma angemietet.“

Ohne Wissen von Amazon nimmt das vollfreigestellte Betriebsratsmitglied an einem gewerkschaftlich organisierten Beratungstreffen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil in Berlin teil

„Am Folgetag fuhr der Kläger nach Hannover zu einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen Herrn Stephan Weil. Beide Fahrten unternahm der Kläger mit dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Mietwagen und rechnete die Tankkosten über diese ab. Mit Schreiben vom 07.03.2023, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung. Das Betriebsratsgremium hat dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zugestimmt.“ Zitat aus Presseinformation des Arbeitsgerichts Verden vom 27.09.2023

Kündigungsvorwurf: Falsche Angaben zur Arbeitszeit sowie Reisekosten berechnet, die nicht im Zusammenhang mit der Seminarteilnahme standen

„Die Beklagte wirft dem Kläger vor, seine arbeitsvertraglichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt zu haben, indem er falsche Angaben zur Arbeitszeit tätigte und zudem Reisekosten für Fahrten, die nicht im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Klägers, insbesondere nicht im Zusammenhang mit der von ihm behaupteten Seminarteilnahme, standen, bei der Beklagten geltend gemacht zu haben. Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag des Klägers mit Urteil vom 19.09.2023 abgewiesen. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung liegt vor. Aufgrund der eigenen Einlassungen des Klägers steht fest, dass er entgegen seinen eigenen Angaben am 06.02.2023 und 07.02.2023 nicht bzw. nur zeitweilig am Seminar in Köln teilgenommen hat. Darüber hinaus hat er nicht im Zusammenhang mit der Seminarteilnahme stehende Fahrtkosten über die Beklagte abgerechnet. Die Teilnahme an den Veranstaltungen in Berlin und Hannover liegt auch nicht in der direkten Ausübung seines Betriebsratsmandats begründet. Besonders schwerwiegend ist aber die Verletzung des Vertrauensverhältnisses gegenüber der Beklagten aufgrund der objektiv falschen Angaben des Klägers in Bezug auf die Arbeitszeit und die angefallenen Spesen. In der Gesamtschau dieser Umstände rechtfertigt dieses Verhalten eine außerordentliche Kündigung.“ Zitat aus Presseinformation des Arbeitsgerichts Verden vom 27.09.2023

Arbeitsrecht für Arbeitgeber: Das Urteil des Arbeitsgerichts Verden entspricht der ständigen Rechtsprechung – danach liegt ein Arbeitszeitbetrug grundsätzlich unter folgenden Voraussetzungen vor:

„Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und missbraucht der Arbeitnehmer wissentlich und vorsätzlich das dafür bereitgestellte Arbeitszeiterfassungssystem, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber.“ – zitiert aus: LAG Hamm (13. Kammer), Urteil vom 27.01.2023 – 13 Sa 1007/22; Quelle: Beck-online.de

Wenn also wie im vorliegenden Fall der Arbeitgeber davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer sich auf einem Seminar aufhält, tatsächlich jedoch außerhalb des Seminarortes sich mit Politikern austauscht, so hat das nichts mit seiner Arbeitszeit zu tun. Folgerichtig hat das Arbeitsgericht Verden die fristlose Kündigung des Betriebsratsmitgliedes im Besonderen wegen Arbeitszeitbetruges bestätigt.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.

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