Amazon im Fokus des Kartellrechts

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Das Bundeskartellamt klassifiziert Amazon als „Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“. Damit steht der Online-Riese zukünftig unter der verschärften Aufsicht der Wettbewerbsschützer.

Neue potentielle Eingriffsbefugnisse gegen Amazon

Nach einem gut einjährigen Prüfverfahren kam das Bundeskartellamt im Juli 2022 zu seiner Entscheidung: Amazon, mitsamt seinen zahlreichen Tochtergesellschaften, habe eine marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb. Diese kartellrechtliche Einordnung ermöglicht der Bundesoberbehörde künftig effektiver regulierend einzugreifen, sollten aus der wirtschaftlichen Machtposition des Konzerns nicht oder nur schwer behebbare Wettbewerbsschäden drohen.

Amazon ist marktbeherrschend

Die Amazon.com Incorporated aus Seattle, USA ist eines der umsatzstärksten Unternehmen weltweit. Die Umsatzerlöse im Jahr 2021 beliefen sich auf rund 400 Milliarden Euro, von denen etwa 32 Milliarden in Deutschland erwirtschaftet wurden, der zweitgrößte Umsatzanteil nach dem amerikanischen Heimatmarkt. Mehr als jeder zweite Euro im deutschen Online-Einzelhandel werde laut Einschätzung des Bundeskartellamts (BKartA) auf der Handelsplattform ausgegeben. Als Anbieter digitaler Marktplatzdienstleistungen hält die Behörde Amazon für „marktbeherrschend“ - eine Zuschreibung aus dem Kartellrecht, die bereits die limitiertere, klassische Missbrauchsaufsicht des Unternehmens durch das BKartA ermöglichte.

Ein Hybrid aus Marktplatz, Händler, Streaming-Dienst und mehr

Bei Amazon handelt es sich um ein Unternehmen mit hybrider Struktur: So ist der E-Commerce-Gigant nicht nur Marktplatz für Dritthändler, sondern auch selbst Einzelhändler, sowie Anbieter zahlreicher Dienstleistungen. Diese unvergleichbar breite Angebotspalette bilde laut BKartA ein eigenes digitales Ökosystem, mit dessen Hilfe Endverbraucher derart an den Konzern gebunden werden könnten, dass sie Angebote anderer Wettbewerber nicht oder kaum noch nutzen würden. Eine zentrale Rolle spiele dabei das Prime-Abonnement: Allein auf amazon.de besäßen über 17 Millionen der registrierten Nutzer ein solches kostenpflichtiges Abo, das neben einer versandkostenfreien Lieferung insbesondere Streaming- und Cloud-Dienste beinhaltet. Seiner hybriden Struktur verdankt der Konzern eine immense Fülle wettbewerbsrelevanter Daten. Ein Umstand, den Amazon nutzt, um seine marktbeherrschende Stellung weiter auszubauen.

Große Einflussmöglichkeiten auf gewerbliche Dritthändler

Doch nicht nur Endverbraucher, sondern auch Dritthändler werden auf kartellrechtlich problematische Weise an den Konzern gebunden: Amazon verfügt bei Marktplatzdienstleistungen für gewerbliche Händler in Deutschland über einen umsatzbezogenen Marktanteil von über 70%. Laut BKartA sei der Vorsprung zu den anderen Mitbewerbern immens, möglicherweise uneinholbar. Auf amazon.de vertreten zu sein, ist für viele Händler also unabdingbar. Möchte ein Händler darüber hinaus auf dem Online-Marktplatz auch erfolgreich sein, so kommt er oft nicht umhin, weitere Leistungen von Amazon in Anspruch zu nehmen - etwa in den Bereichen Werbung oder Logistik. Auf diese Weise integriert Amazon die Dritthändler in die eigene Geschäftsstruktur und verstärkt deren Bindungen an sein digitales Ökosystem. Zudem stellt der finanzkräftige Konzern auf seinem Marktplatz, auf dem er auch selber als Einzelhändler auftritt, die Bedingungen. So kann das Unternehmen Einfluss nehmen auf die Geschäftstätigkeit der dort vertretenden Dritthändler - und damit auf deren Erfolg.

Nach Meta und Google nun auch Amazon

Nachdem das BKartA bereits Google, sowie den Facebook-Konzern Meta als Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ eingestuft hatte, folgt mit Amazon nun der dritte der vier großen US-amerikanischen Digitalkonzerne. Damit steht fast das komplette GAFA-Quartett (Google, Apple, Facebook, Amazon) in Deutschland unter verschärfter Wettbewerbsaufsicht. Ein entsprechendes Verfahren gegen den Apple-Konzern ist noch nicht abgeschlossen.

Weitere Prüfverfahren auf Basis der neuen Einstufungen

Ob das BKartA in einem zweiten Schritt auf der Grundlage der neuen Einstufungen rechtlich gegen die Digitalkonzerne vorgehen wird, ist noch offen. Zurzeit laufen hierzu Prüfverfahren gegen konkrete Verhaltensweisen von Google und Facebook. Durch ein früheres Verfahren gegen Amazon im Rahmen der klassischen Missbrauchsaufsicht erwirkte das BKartA 2018 bereits maßgebliche Änderungen der Geschäftsbedingungen zugunsten der Händler auf dem Online-Marktplatz.


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