Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen in den Familiensachen zwischen Polen und Deutschland

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I. Rechtliche Grundlagen

Es ist recht einfach auf dem Papier: die innerhalb der europäischen Union erlassenen Urteile in Familiensachen werden in anderen Mitgliedsstaaten anerkannt und vollstreckt. Solche Urteile brauchen nur mit entsprechenden Formularen versehen zu werden und in die Landessprache des Landes, wo sie vollstreckt werden sollten, übersetzt werden. So stipuliert es u.A. die EU-Verordnung Nr 2201/2003, die in ganz Europäischer Union außer Dänemark gilt.

Das heißt: eine in Deutschland gefallene Scheidung wird in Polen eingetragen, eine in Polen vereinbarte Umgangsregelung entfaltet rechtliche Wirkung in Deutschland.

II. Praktische Schwierigkeiten

Manchmal wird jedoch die Sache schwieriger. Gerade in den grenzüberschreitenden, deutsch-polnischen Umgangs und Sorgerechtssachen können dann erhebliche Schwierigkeiten entstehen, wenn das Kind der Parteien ins Ausland gebracht wird und der ein Elternteil dort eine Neuregelung der Sache beantragt.

Schauen wir auf ein aussagekräftiges Beispiel aus der Deutschen-Polnischen Praxis, die durch unsere Kanzlei bearbeitet wurde:

Der Vater und die Mutter sind Deutsche Staatsangehörige und wohnten bis zur Scheidung in Berlin. Mutter hat noch zusätzlich polnische Staatsangehörigkeit. Aus der Ehe ist ein Kind hervorgegangen, welches gemäß der Absprache der Eltern nach Polen, wohin die Mutter umgezogen ist, gebracht wurde. Beiden Eltern steht ungeteiltes und volles Sorgerecht zu. Gleichzeitig einigten sich die Parteien über den Umgang, welcher alle 14 Tage am Wochenende, einmal in Polen am Wohnsitz der Kindesmutter, einmal in Deutschland, am Wohnsitz des Kindesvaters, stattfinden sollte. Ein paar Monaten nach dem Umzug hört die Kindesmutter auf nach Berlin mit dem Kind (noch vor der Pandemie) zu reisen und der Vater darf das Kind nur einmal pro Monat, in Anwesenheit der Mutter, wenige Stunden sehen. Die Kindesmutter verweigert jegliche Kindesangelegenheiten mit dem Vater mitzuentscheiden.    

Der Kindesvater beantragt die Vollstreckung der in Deutschland geregelten Umgänge, indem auf die entfremdende Mutter Ordnungsgeld für jeden vereitelten Umgang auferlegt wird. Damit schützt er das Recht des Kindes auf gesunde Erziehung, denn es ist unstrittig, dass ein Kind sowohl den Vater wie als auch die Mutter braucht.

Was geschieht danach? Ein polnisches Gericht macht zunächst nichts, es vergehen mehrere Monate ab Antragstellung bis die erste Verhandlung festgelegt wird. Inzwischen erfährt durch amtliche Zustellung selbstverständlich die Kindesmutter von der Antragsstellung und stellt eigenen Antrag, damit die Umgänge neu geregelt würden und zwar auf solche Art und Weise, damit der Vater das Kind nur einmal pro Monat in Polen, in Ihrem Beisein, sehen dürfte. Als Gründe dafür nennt die Kindesmutter: Sie sei ungerecht durch ein deutsches Gericht behandelt worden, das Reisen mit den Kindern zu den Umgängen sei zu umständlich, der Vater sei eine böse Person gewesen, habe Sie misshandelt und stelle eine Gefahr für das Kind dar (wofür aber weder Anhaltspunkte noch Beweise vorliegen und nie früher behauptet wurde) etc.

Daraufhin erlässt ein polnisches Gerichte eine vorläufige Regelung, wodurch die Umgänge des Vaters wesentlich eingeschränkt werden. Es wird ausgeführt, die Regelung des Deutschen Gerichts sei zu unbestimmt gewesen um vollstreckt zu werden und es stehe im Widerspruch zum Kindeswohl, weil das Kind zu klein sei um jede Woche insgesamt 4 Stunden auf dem Wege zum Vater zu verbringen... Diese vorläufige Regelungen ersetzt das Deutschen Urteil, welches dann nicht mehr vollstreckt werden kann.

Die in Ihrem Entfremdungshaltung verstärkte Kindesmutter erschwert weiterhin die richtige Ausübung des Sorgerechts vom Kindesvater. Das Kind verliert immer mehr die Bindung zu Deutschland, verlernt die Deutsche Sprache. Das polnische Gericht schickt den Fall zur Begutachtung, was weitere 6 Monaten in Anspruch nimmt. Die Gutachten bestätigt die Sichtweise des polnischen Gerichts in lapidaren Worten: „sowie das Gericht vorläufig entschieden hat, entspricht dem Kindeswohl“. Dies, widerholt sämtlichen Argumenten zum Trotz, das Endurteil.

III. Ratschläge für effektive Durchsetzung des Kindesrechts auf gutes Verhältnis mit beiden Elternteilen

Es ist keinesfalls optimistisch, wenn Gerichte die Rechte der Kinder auf Beteiligung der Kindesväter (viel seltener: der Kindesmütter) an der Erziehung missachten. Die Steigerung der nationalistischen Stimmung in Europa trägt aber leider dazu bei, die Entscheidungen der „fremden“ Gerichte werden leicht als schlechte bzw. „kindesschädliche“ abgetan. Insbesondere wenn eine Partei ein Ausländer ist. Die Bevorzugung eigener Staatsbürger ist aber kein polnisches Phänomen: diese Tendenz ist in ganz Europa zu verzeichnen; es hat psychologische und soziologische Erklärungen, die tief in der menschlichen Natur liegen.

Im Endergebnis verlieren dadurch nur die Kinder, denen Eskalationen und widersprüchliche Entscheidungen keine gute Abhilfe schaffen.

Um diesem vorzubeugen, können folgende Hinweise bedenkenswert sein:

1) Vertrauen Sie immer mehr auf die Mediation mit der Gegenseite und lassen Sie sich bereits in diesen Verhandlungen ausführlich beraten. Die Erfahrung zeigt, dass gerichtliche Regelungen viel schwächer sind als Vergleiche, die im langen Kommunikationsweg erarbeitet werden.

2) Gestalten Sie Ihre Umgangsregelung ganz konkret, mit Vorschriften für den Fall eines Umgangsausfalles sowie Umgangsvereitelung. Etwa: die gängige Formel, die in den Deutschen Entscheidungen vorkommt: „bei Zuwiderhandlung gegen die genannte Umgangsregelung gegenüber d. Verpflichteten Ordnungsgeld bis zu 25.000 Euro (...) angeordnet werden kann.“ soll lieber mit einer solchen ersetzt werden, die eine konkrete Strafe vorsieht (etwa „200 Euro für jeden vereitelten Umgang“) und beschreiben Sie welche Situationen als vereitelten Umgang zu verstehen sind, wann ein Ersatztermin dem berechtigen Elternteil zusteht, bis wann der Umgang spätestens wirksam verschoben werden kann etc. Je konkreter die Regelung ausgestellt wird, desto höhere Chancen, dass ein ausländisches, darunter ein polnisches oder deutsches Gericht sich gezwungen fühlt es zu vollstrecken. Dafür sprechen auch gravierende psychologische Gründe: ein detailliertes Regelwerk schafft erhöhtes Bewusstsein, welche Regeln gelten und welche Konsequenzen deren Missachtung hat.

3) Versuchen Sie einen Erziehungsplan für die gemeinsamen Kinder mit der Gegenseite bereits in der Trennungsphase zu erarbeiten.

Die Trennungsphase ist häufig durch starke Emotionen gekennzeichnet: Vorwürfe und Anschuldigungen über die Versagen der Gegenpartei multiplizieren sich. Eine häufige Konsequenz ist leider eine Instrumentierung der Kinder, was weder zulässig noch kindesgerecht ist. Um zu versuchen dieses zu vermeiden, es ist sehr empfehlenswert künftige Fragen der Kindererziehung sachlich (sogar mit Teilnahme eines Mediators) zu besprechen, wie etwa die Schulwahl des Kindes, Sprachedukation, Passausstellung, Handy für Kind. Nur sehr wenige Eltern können darauf in der Trennungsphase einen Blick werfen, die jedoch die es mutig machen, erziehen die besten Resultate für Ihre Kinder.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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