Anwalt bei Erhalt Strafbefehl, Anklage, Vorladung mit Vorwurf Üble Nachrede, § 186 StGB

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Berichte über eine Person können diese in ihrem Ansehen und damit in ihrer Lebensführung erheblich beeinträchtigen. Strafrechtlichen Schutz genießt deshalb derjenige, über den Tatsachen verbreitet werden, die nicht erweislich wahr sind und zur Missachtung seiner Person führen könnten. Sein Ruf soll so gewahrt bleiben. Die Üble Nachrede nach § 186 StGB wird daher im Volksmund auch teilweise als „Rufmord“ bezeichnet.

Wie hoch ist die Strafe für üble Nachrede?

Den Täter einer üblen Nachrede trifft eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

Wird die üble Nachrede …

  • öffentlich,
  • in einer Versammlung oder
  • durch Verbreiten eines Inhalts (zB durch entsprechende Postings auf Social Media)

begangen, verdoppelt sich der Strafrahmen auf bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

Wann mache ich mich wegen übler Nachrede strafbar?

Wegen übler Nachrede macht sich idR strafbar, wer

  • Tatsachen bezogen auf eine Person,
  • die geeignet sind, fremde Missachtung zu begründen
  • gegenüber einem Dritten behauptet oder verbreitet,
  • wenn diese nicht erweislich wahr sind.

Was sind „Tatsachen“?

Ausgangspunkt der üblen Nachrede ist die Tatsachenbehauptung. Tatsachen sind dem Beweis zugängliche konkrete Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart. Sie weisen einen Realitätsbezug auf. Das Kriterium der Beweisbarkeit skizziert auch die Abgrenzung zum Werturteil, das für eine strafbare üble Nachrede nicht ausreicht (in Betracht kommt hier eine Beleidigung). Da sich Tatsachenaussagen auf konkrete Geschehnisse oder Zustände beziehen, sind sie entweder wahr oder unwahr; Werturteile können einen solchen Wahrheitsgehalt nicht aufweisen.


Die Abgrenzung ist dabei nicht immer ganz einfach, da Äußerungen oft Elemente von Tatsachenbehauptung und Werturteil enthalten. Hier blickt ein fachkundiges Auge durch.

Die Wiedergabe eines Gerüchts ist Tatsachenbehauptung bzgl. seiner Existenz und auch bzgl. seines Inhaltes, wenn das Mitgeteilte als zutreffend suggeriert wird, anstatt sich davon zu distanzieren (OLG Brandenburg, Urt. v.  12. 6. 2002 - 1 U 6/02 -).


Mit anderen Worten: Die üble Nachrede hat objektive Gegebenheiten zum Gegenstand, die Beleidigung bloße subjektive Empfindungen. Wird über einen unbescholtenen rechtschaffenen Bürger ganz nüchtern gesagt, er habe eine Bank überfallen, ist das eine Tatsachenbehauptung. Das Überfallen einer Bank ist ein objektives reales Geschehen; dass dies möglicherweise sozialethisch zu missbilligen sei, ist eine Wertung, die jeder individuell vornimmt. Sagt man über denselben Mann, er sei ein betrügerischer, unehrlicher Mitmensch oder generell „ein Idiot“, ist das als Werturteil eine Beleidigung. Eine trennscharfe Abgrenzung gelingt zumeist erst auf den zweiten Blick.

Umso wichtiger ist es, sich beim Vorwurf der üblen Nachrede der eines sonstigen Aussagedelikts an einen erfahrenen Fachanwalt für Strafrecht zu wenden. Dieser weiß, worauf es bei der Beurteilung eines strafrechtlichen Vorwurfs ankommt und kann auf dieser Grundlage eine geeignete Verteidigungsstrategie gerade für Ihren Fall erarbeiten.

Wann sind Tatsachen geeignet, fremde Missachtung zu begründen?

Strafe droht nur dem, der Tatsachen äußert, die auch dazu geeignet sind, fremde Missachtung zu begründen. Dies ist der Fall, wenn die Tatsachen dazu führen können, das Opfer verächtlich zu machen (Behauptung, die betroffene Person käme ihren sittlichen Pflichten nicht nach) oder es in der öffentlichen Meinung herabzusetzen (Rufschmälerung).

Dass es zu der Missachtung auch tatsächlich kommt, ist nicht notwendig. Es reicht aus, wenn dazu geeignete Tatsachen dargetan werden. Ähnlich wie bei einer strafbaren Trunkenheitsfahrt muss nicht der Schaden (Unfall) „geschehen“, bestraft wird im Grunde schon das Schaffen der Möglichkeit des Schadenseintritts.


Die zu begründende Missachtung muss nach Ansicht eines größeren und individuell unbestimmten Kreises möglich erscheinen.

Was bedeutet Behaupten oder Verbreiten?

Die Tatsachenbehauptung darf auch nicht im stillen Kämmerlein geschehen, sondern muss einem Dritten gegenüber behauptet oder verbreitet werden (sog. Drittbezug). Im Unterschied zur Beleidigung betreffen die Äußerungen dabei nicht den Empfänger selbst, sondern eine dritte Person.

Behaupten meint das als nach eigener Überzeugung als wahr ausgeben der Tatsache. Ob sich dabei eines Dritten als Quelle bedient wird, ist unerheblich.

Das Verbreiten umschreibt die Weitergabe einer fremden Tatsachenäußerung – für die Richtigkeit tritt der Weitergebende selbst dabei nicht ein. Ein solches Verbreiten kann schon in der Mitteilung eines Gerüchts gesehen werden. Beides reicht zur Begründung einer Strafbarkeit aus.

Handelt es sich um eine strafbare üble Nachrede, wenn alle Tatsachen wahr sind?

Eine Strafbarkeit trifft selbstverständlich nur denjenigen, der Tatsachen wie oben beschrieben dartut, die nicht erweislich wahr sind. Keinen Schutz verdient in der Regel derjenige, über den nachweislich wahre Tatsachen verbreitet werden.

Große Bedeutung kommt hier jedoch der Beweisbarkeit zu. Bestraft wird nicht das Verbreiten unwahrer Tatsachen, sondern solcher, die nicht erweislich wahr sind.

Diesen Beweis, dass die dargetanen Tatsachen wahr sind, muss der Täter führen. Er trägt das volle Risiko auch dafür, dass die Tatsachen nicht mehr bewiesen werden können (zB durch den Verlust von Aufzeichnungen oder den Tod von Zeugen). Es soll nämlich auch der Fall erfasst werden, dass man „ins Blaue hinein“ Gerüchte verbreitet.


Zusammengefasst: Niemand ist geschützt, kompromittierende Aussagen zu verbreiten, die nicht erweislich wahr sind, mögen sie auch der Realität entsprechen.

Hier zeigt sich auch der Unterschied zur Verleumdung – diese begeht, wer bestimmte unwahre Tatsachen behauptet oder verbreitet, und zwar wider besseren Wissens. Der Vorwurf wiegt hier schwerer: nicht eine nicht erweisliche, sondern eine Tatsache, von deren Falschheit der Täter weiß. Deshalb trifft den Täter einer Verleumdung auch eine höhere Strafandrohung als den der üblen Nachrede.

Ist eine versehentliche Üble Nachrede strafbar?

Interessant sind jene Fälle, in denen der Beschuldigte nicht wissentlich und willentlich gehandelt hat. Grundsätzlich wird nur ein solches Handeln bestraft – der Täter muss also zum Beispiel auch billigend in Kauf nehmen, dass die Tatsachenäußerung von einem Dritten zur Kenntnis genommen wird.

Eine Strafbarkeit scheidet jedoch nicht schon deshalb aus, weil der Beschuldigte nicht wusste, dass die dargetane Tatsache unwahr oder nicht zu beweisen ist. Hier hat er die Obliegenheit, sich vor seinen Äußerungen zu erkundigen. Auch ein Wille zum Beleidigen ist für die üble Nachrede nicht erforderlich.

Wenn zwei sich streiten … sind sie mitunter straffrei

Auf eine üble Nachrede wird nicht selten auf dieselbe Weise reagiert. Zu diesem Sachverhalt verhält sich auch das Strafgesetzbuch, indem es in seinem § 199 dem Richter die Möglichkeit gibt, den Täter für straffrei zu erklären. Diese Handlungsoption rührt vom Gedanken der Kompensation her. Bei beidseitiger Beleidigung, übler Nachrede und dergleichen scheint es teilweise angemessen, von einer Bestrafung gänzlich abzusehen.

Wird jede üble Nachrede strafrechtlich verfolgt?

Eine Strafbarkeit der üblen Nachrede steht nur im Raum, wenn ordnungsgemäß ein Strafantrag gestellt wurde; die üble Nachrede ist ein sog. Antragsdelikt. Den Strafantrag kann der Geschädigte binnen drei Monaten stellen, nachdem er von der Straftat Kenntnis erhält. Die Prüfung, ob ein solcher Strafantrag form- und fristgerecht eingereicht wurde, ist Gegenstand jeder Strafverteidigung bei dem Vorwurf der üblen Nachrede.

Höhere Strafe durch Öffentlichkeit, Versammlung oder Verbreiten eines Inhalts – Wird eine üble Nachrede im Internet härter bestraft?

Wird die üble Nachrede öffentlich, auf einer Versammlung oder durch das Verbreiten eines Inhalts begangen, verdoppelt sich die Strafandrohung (s. dazu schon oben).

Eine öffentliche Äußerung liegt vor, wenn die Tatsache von einem größeren, nach Zahl und Zusammensetzung unbestimmten und nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis zur Kenntnis genommen werden kann.

Die üble Nachrede durch Verbreiten eines Inhalts kommt praktisch am häufigsten im digitalen Raum auf Social Media vor.


Auch hier zeigt sich, dass es immer einer Einzelfallbetrachtung bedarf. Das geschulte Auge eines Anwalts für Strafrecht bringt Licht ins Dunkle und leistet eine fachkundige Beratung und Strafverteidigung.

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