Anwalt bei Vorladung, Anklage, Strafbefehl wegen Vorwurf Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

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§315b StGB, der den Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr unter Strafe stellt, gehört zu den Verkehrsdelikten. Genauer betrachtet handelt es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Dies bedeutet, dass zur Vollendung des §315b StGB eine konkrete Gefahr (Gefahrenerfolg) für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert eintreten muss (dazu später mehr). Nicht zu verwechseln ist dieser Gefahrenerfolg mit dem sogenannten Verletzungserfolg. Es muss also „nur“ eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine Sache von bedeutendem Wert verursacht werden. Ein tatsächlicher Schaden bzw. eine Verletzung des Opfers muss für eine Strafbarkeit nach §315b StGB nicht eintreten.


Welche Strafe droht für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr?

Nun stellt sich die Frage, wie hoch die Strafe für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (315b StGB) ausfällt. Wichtig ist anzumerken, dass dies nicht pauschal beantwortet werden kann, da die Strafe maßgeblich von den Umständen Ihres Einzelfalls abhängt. Im Gesetz sind lediglich Strafrahmen normiert, die einen ersten Einblick in die Höhe der Strafe gewähren.


Darüber welche Strafe realistischerweise in Ihrem Fall drohen kann, kann Sie Ihr Anwalt für Strafrecht beraten. Auch hier können aber nur erfahrungsbasierte Schätzungen abgegeben werden; die Strafzumessung obliegt im Ergebnis dem Gericht. Ein Anwalt für Strafrecht wird aber im Rahmen einer Verteidigungsstrategie auch herausarbeiten, welche Umstände in Ihrem Fall für eine mildere Strafe sprechen können.


In den Fällen des §315b Abs.1 Nr.1-3 StGB droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren.


Wann ist die Strafe für einen Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr höher?

Die Strafe für einen Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr kann in bestimmten Konstellationen (nämlich denen des § 315 Abs.3 StGB) höher ausfallen.

In diesen Fällen droht dann grundsätzlich eine Freiheitsstrafe zwischen einem und 10 Jahren (§ 315b Abs.3 StGB).


Dies ist der Fall, wenn bei der bzw. durch die Begehung des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehrs

  • der Täter die Absicht hat, „einen Unglücksfall herbeizuführen“,
  • der Täter die Absicht hat, „eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“ oder
  • ein anderer Mensch schwer an der Gesundheit geschädigt wird (z.B. Lähmung oder Verlust eines wichtigen Körperglieds) oder
  • eine Vielzahl anderer Menschen eine Gesundheitsschädigung erleiden

(§§ 315b Abs.3, 315 Abs.3 StGB).

Wann ist die Strafe für einen Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr geringer?

Die Strafandrohung wird geringer, wenn man nicht vorsätzlich, sondern lediglich fahrlässig die konkrete Gefahr (den „Beinaheunfall“) verursacht (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, § 315b Abs.4 StGB). Fahrlässig handelt derjenige, der die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt und so die im konkreten Fall sowohl vorhersehbare wie auch vermeidbare Gefahr herbeiführt.

Wird zusätzlich auch noch fahrlässig handelt, so sinkt die Strafandrohung weiter (auf eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe, § 315b Abs.5 StGB).


Wodurch macht man sich wegen Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar?

315b StGB erfasst grundsätzlich von außen kommende, verkehrsfremde Eingriffe. In Abgrenzung zu §315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) geht es hier also um Eingriffe, die nicht zum typischen Straßenverkehr zählen. Vielmehr muss der Eingriff außen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs einwirken. Im Gesetz werden drei unterschiedliche Konstellationen normiert. Die Sicherheit des Straßenverkehrs kann dadurch beeinträchtigt werden, dass


  1. Anlagen oder Fahrzeuge zerstört beschädigt oder beseitigt werden
  2. Hindernisse bereitet werden oder
  3. Ein ebenso gefährlicher Eingriff vorgenommen wird

Was sind Anlagen im Sinne des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr durch Beschädigen oder Zerstören von Anlagen?

Als Anlagen zählen alle dem Verkehr dienenden Einrichtungen.

Verkehrszeichen, Ampeln, Absperrungen, sogar die Straße selbst mit ihrem Zubehör wie einem Gullydeckel ist hiervon umfasst (vgl. BGH, Beschluss v. 2. 7.2022- 4 StR 174/02).

Nach §315b Nr.1 StGB muss eine solche Anlage nun zerstört, beschädigt oder beseitigt worden sein. Denkbar sind Fälle, in denen eine Ampel eingeworfen oder ein PKW mit Steinen beworfen wird.

Wann macht man sich wegen Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr durch Bereiten eines Hindernisses strafbar?

Die zweite Variante des §315b StGB erfasst die Fälle, in denen ein Hindernis bereitet wird.

Hier ist jeder Vorgang erfasst, der geeignet ist den regelmäßigen Verkehr zu hemmen oder zu verzögern. In Abgrenzung zu §315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) fallen hierunter abermals keine Vorgänge des fließenden oder ruhenden Verkehrs. Plötzliche Bremsmanöver beispielsweise wären also grundsätzlich nur ggf. als Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB strafbar. Hingegen sind klassische Konstellation des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach §315b StGB zum Beispiel das Legen von Gegenständen, wie Steinbrocken auf die Fahrbahn.

Der BGH bejahte eine Strafbarkeit wegen Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach §315b StGB in einem Fall, in dem ein Fahrer einem anderen absichtlich den Weg abschnitt, ohne durch die Umstände des Verkehrs dazu veranlasst worden zu sein. Eine Strafbarkeit nach §315b Abs.1 Nr.2 StGB kommt gegebenenfalls auch in Betracht, wenn der Täter beispielsweise einen Polizeibeamten am Überholen hindert, weil dieser ihn wegen eines vorherigen Verkehrsverstoßes stellen will (vgl. BGH, Beschluss v. 1.9.1967- 4 StR 340/67).


Der eigene Körper als Hindernis im Sinne des §315b Nr.2

Für das Bereiten eines ist Hindernisses sind keine Gegenstände erforderlich. Ausreichend ist es, sich selbst bzw. den eigenen Körper einzusetzen. So in einem Fall, in dem ein Mann absichtlich auf die Motorhaube eines fahrenden Autos sprang. Dies stellte eine konkrete Gefahr für die Insassen des Autos dar und somit einen Eingriff in den Straßenverkehr durch das Bereiten eines Hindernisses (Vgl. OLG Zweibrücken NZV 1997, 239).

Wann liegt ein ebenso gefährlicher Eingriff (§315b Nr.3) vor?

Für einen solchen Eingriff wird eine grobe Einwirkung mit einigem Gewicht vorausgesetzt. Gefordert wird ein Verhalten, welches nicht von §315b Nr.1 und 2 StGB erfasst wird, jedoch ähnliche, vergleichbare, Gefährlichkeit aufweist.


Strafbarer Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nur, wenn Leben, körperliche Unversehrtheit oder fremdes Eigentum hierdurch gefährdet wird

Durch den von außen kommendem Eingriff wird eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs geschaffen. Diese abstrakt bestehende Gefahr muss wiederum zu einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine Sache von bedeutendem Wert geführt haben.

Wann spricht man von einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer Sache von bedeutendem Wert?

Um eine konkrete Gefahr zu bejahen, muss es zu einem sogenannten „Beinahe- Unfall“ gekommen sein. (vgl. BGH, Beschluss v. 30.08.2022 – 4 StR 215/22). Dies ist dann der Fall, wenn es in der Situation nur noch vom Zufall abhing, ob die betroffene Person verletzt wird oder nicht.

Wann ist die Sache von bedeutendem Wert?

Die Rechtsprechung nimmt grundsätzlich ab einem Wert von mindestens 750 Euro an, dass die Sache von bedeutendem Wert ist. (vgl. BGH, Beschluss v. 13.04.2017 – 4 StR 581/16). Wichtig ist, dass der tatsächlich eingetretene Schaden geringer sein kann, als der drohende Schaden (sog. Gefährdungsschaden). Auf letzteren kommt es jedoch maßgeblich an. (vgl. BGH, Beschluss v. 31.01.2017 – 4 StR 597/16 m.w.N.). Das liegt daran, dass man bei einer Verurteilung wegen Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nicht wegen der Verursachung eines Schadens bestraft wird, sondern weil man eine solche Handlung vornimmt, die zum Einen für sich allein betrachtet schon sehr gefährlich für den Straßenverkehr ist (z.B. das Bereiten von Hindernissen im Straßenverkehr) und die Ursache für eine brenzlige Situation, einen „Beinaheunfall“ ist, sodass nahezu ein Schaden eingetreten wäre. Man wird für die konkrete Gefährdung bestraft. Deren Wert kann von dem dann tatsächlich eingetretenen Schaden abweichen (indem sich ein Teil der Gefährdung eben nicht durch den Eintritt eines Schadens realisiert).

Außer Betracht bleibt ein Schaden, der an dem Fahrzeug entsteht, welches vom Täter geführt wird. Dabei ist es unerheblich, ob das Fahrzeug sein eigenes ist oder einer anderen Person gehört. (vgl. BGH, Beschluss v.10.04.2019 – StR 86/19).


Kann das plötzliche Öffnen der Autotür im Straßenverkehr einen strafbaren Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr darstellen?

Wie schon oben verdeutlicht, umfasst §315b StGB im Grundsatz nur von außen wirkende Eingriffe, die nicht Teil des Verkehrs sind. Fehlverhalten innerhalb des Straßenverkehrs wird grundsätzlich durch den Straftatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs abschließend mit Strafe bedroht. Jedoch ist in der Rechtsprechung eine Ausnahme, eine Erweiterung der Strafbarkeit des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in einer bestimmten Konstellation anerkannt. Man spricht vom  sog. „verkehrsfeindliche Inneneingriff“, der ebenfalls vom Tatbestand des §315b StGB erfasst ist. Ein solcher verkehrsfeindlicher Inneneingriff liegt vor, wenn der Täter

1. ein Fahrzeug bewusst zweckwidrig in verkehrsfeindlicher Einstellung einsetzt und

2. dabei mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz handelt (das ist der Fall, wenn er die Möglichkeit der Verursachung eines Schadens durch sein Verhalten erkennt und dies billigend in Kauf nimmt).


Ist dies der Fall, so ist das Verhalten derart dem üblichen Verhalten im Straßenverkehr fremd, dass es im Grunde keine Teilhabe am Straßenverkehr mehr, sondern faktisch eine Art Eingriff von außen darstellt.


So bejahte das Oberlandesgericht Hamm zum Beispiel einen verkehrsfremden Inneneingriff für einen Fall, in dem ein Fahrradfahrer durch einen PKW abgedrängt wurde, der Beifahrer gezielt die Autotür öffnete und der Fahrradfahrer in der Folge stürzte. In diesem Fall bedarf es aber im Ergebnis keines Rückgriffs auf dieses erweiternde Verständnis der Strafnorm, da dieses Verhalten bereits ein Hindernis Bereiten im Sinne des § 315b Abs.1 Nr.2 StGB darstelle. Vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 31.01.2017 – 4 RVs 159/16 in openJur 2019, 16224.

Kann ein solcher Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr auch strafbar sein, ohne dass es zu einem Beinaheunfall kommt?

Grundsätzlich kann man sich auch dann wegen Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar machen, wenn es zu keiner brenzligen Situation, keinem „Beinaheunfall“, gekommen ist.

Denn auch der Versuch eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ist gem. §315b Abs.2 strafbar. Der Versuch einer Straftat kann dann bejaht werden, wenn der Täter zur Begehung der Tat entschlossen war (also wissentlich und willentlich im Hinblick auf die strafbarkeitsbegründenden Merkmale handelte) und auch bereits unmittelbar zur Tat angesetzt hat, sowie rechtswidrig und schuldhaft handelte. Wann genau unmittelbar zur Tat angesetzt wird, ist eine Frage des Einzelfalles und von verschiedenen Faktoren abhängig.



Wenn sie eine polizeiliche Vorladung als Beschuldigter, eine Anklage oder sogar bereits einen Strafbefehl wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr erhalten haben, ist es ratsam einen Fachanwalt für Strafrecht aufzusuchen. Dieser kann Sie aufgrund seiner umfassenden Expertise und seinem juristischen Fachwissen angemessen beraten.


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