Arbeiten in der Türkei

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Sie haben in der Türkei eine Firma gegründet und möchten Personal einstellen oder Sie sind Angestellter und möchten zukünftig in der Türkei arbeiten. Um ihre Rechte und Pflichten zu kennen, sollten sie einen Einblick in das türkische Arbeitsrecht erhalten.

Zu beachten ist zunächst unbedingt, dass es Beschäftigungseinschränkungen für Ausländer in der Türkei gibt. Demnach können Ausländer nicht jede Tätigkeit ausüben. Dazu gehören zum Beispiel ärztliche- und zahnärztlichen Tätigkeiten, Tätigkeiten als Krankenschwester, Hebamme, Krankenpfleger, Apotheker, Tierärzte, chefärztliche Tätigkeiten in Privatkliniken, rechtsanwaltliche Tätigkeiten, Notar und Verzollungsagenten. Für Tätigkeiten als Fremdenführer, als Dolmetscher oder als Bedienung im Hotel usw. sind grundsätzlich ein höherer Verwaltungsaufwand und eine komplizierte Antragsstellung erforderlich.

I. Arbeitserlaubnis

Voraussetzung für die Beschäftigung in der Türkei als Ausländer ist zunächst eine gültige Arbeitserlaubnis, welche im Gesetz 4817 „Arbeitserlaubnis für ausländische Mitbürger“ geregelt ist.

Diese wird grundsätzlich vom Arbeitnehmer persönlich bei der Ausländerbehörde oder bei der örtlichen Polizei beantragt, nachdem dieser zuerst mit einem gültigen Visum in die Türkei eingereist ist und eine Aufenthaltserlaubnis beantragt hat. Der Antrag kann auch von Arbeitgeber beantragt werden. Zudem gibt es verschiedene Dienstleister, die Sie mit der Durchführung dieser Aufgabe beauftragen können. Alternativ ist auch, vor Einreise in die Türkei, eine Beantragung bei den zuständigen türkischen Botschaften und bei sonstigen türkischen Auslandsvertretungen am ständigen Wohnsitz möglich. Zu beachten ist aber, dass Ausländer, die eine Arbeitserlaubnis von weniger als sechs Monaten besitzen oder mit touristischen Visa einreisen, verpflichtet sind, ihren Antrag auf Arbeitserlaubnis im jeweiligen Aufenthaltsland zu stellen.

Die Arbeitsgenehmigung ist an einen festen Arbeitsplatz gebunden und kann daher nicht bei Arbeitsplatzwechsel übertragen werden. In der Regel erteilt das Arbeitsministerium eine Arbeitserlaubnis für eine Gültigkeit von einem Jahr, welche vor Ablauf auf Antrag 2 Monate vor Ablauf oder innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf verlängert werden kann. Eine unbefristete Arbeitserlaubnis kann erteilt werden, wenn der Ausländer sich ununterbrochen und legal in der Türkei mindestens seit 8 Jahren aufhält und legal mindestens seit 6 Jahren in einem Beschäftigungsverhältnis steht.

Für bestimmte Personengruppen besteht die Möglichkeit einer Ausnahmearbeitserlaubnis, wie z.B. für Ausländer, die mit einem türkischen Staatsbürger verheiratet sind oder auch für solche, die sich nach der Scheidung weiterhin in der Türkei aufhalten. Kinder eines in der Türkei ansässigen Ausländers, oder Kinder aus einer Ehe mit einem türkischen Staatsbürger oder auch Ausländer, die wegen wissenschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Aktivitäten sich kurzfristig in der Türkei aufhalten können solch eine Ausnahmearbeitserlaubnis beantragen. Die Aufzählung ist hier nicht abschließend.

II. Arbeitsvertrag

Arbeitsverträge können, wie in Deutschland schriftlich oder auch mündlich abgeschlossen werden. Es wird jedoch in jedem Fall geraten einen schriftlichen Arbeitsvertrag abzuschließen. Nach Art. 8 Abs. 2 des Türkischen Arbeitsgesetzes ist jedoch eine Schriftform dann erforderlich, wenn ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Jahr oder mehr Laufzeit vorgesehen ist. Ein Verstoß dagegen führt zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis.

Befristete Arbeitsverträge bedürfen grundsätzlich eines Befristungsgrunds, andernfalls gilt das Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen.

III. Probezeit

Probezeit kann gem. Art. 15 Abs. 1 bis zu zwei Monaten, bei Anwendung eines Tarifvertrages bis zu vier Monaten vereinbart werden.

IV. Arbeitszeiten

Die maximale Arbeitszeit in der Türkei beträgt grundsätzlich wöchentlich 45 Stunden, in Deutschland dagegen 48 Stunden. Für Überstunden gibt es eine gesetzliche maximale Anzahl in Höhe von 270 Stunden pro Jahr, die nicht überschritten werden darf. Wenn im Vertrag keine Vergütung der Überstunden geregelt ist, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnzuschläge von 50 Prozent. Dies wird in der Praxis jedoch selten so umgesetzt.

Arbeitszeiten variieren von Branche zu Branche, in vielen Unternehmen gilt jedoch eine Arbeitszeit von 9 bis 18 Uhr, 5 Tage die Woche. Teilweise wird auch an Samstagen gearbeitet.

Jedoch liegen nach einer Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) „How’s Life“ türkische Bürger bei den Arbeitszeiten an der Spitze der 35 OECD-Staaten. Fast die Hälfte der türkischen Arbeitnehmer arbeiten mehr als 50 Stunden in der Woche. Gut 20 Prozent der Türken machen regelmäßig Überstunden.

V. Urlaub

Der Urlaubsanspruch nach dem Türkischen Arbeitsrecht bestimmt sich nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Während Arbeitnehmer in Deutschland grundsätzlich einen Mindesturlaubsanspruch bin 24 Werktagen haben, hat ein Arbeitnehmer in der Türkei einen Anspruch auf 26 Tage erst bei einem Beschäftigungsverhältnis von 15 Jahren.

Demnach bestehen nach § 53 des Türkischen Arbeitsgesetzes folgende Urlaubsansprüche

  • bei einer Beschäftigungsdauer zwischen 1-5 Jahren (einschließlich 5. Jahr): 14 Tage
  • bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 5 Jahren jedoch unter 15 Jahren: 20 Tage
  • bei einer Beschäftigungsdauer von 15 Jahren und mehr: 26 Tage

In die Tagesberechnung fließen leider auch Wochenenden ein.

Zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer erst einen Anspruch auf bezahlten Urlaub nach Vollendung von einem Jahr Beschäftigungsdauer hat. Selbstverständlich können zu Gunsten des Arbeitnehmers schriftlich abweichende Regelungen getroffen werden.

Außerdem ist zu beachten, dass der Anspruch auf Urlaub bei einem Wechsel des Arbeitgebers jedes Mal erneut beginnt. (Bsp.: Sie haben 10 Jahre in einem Betrieb gearbeitet und hatten zuletzt einen Urlaubsanspruch von 20 Tagen. Wenn sie nun in einen neuen Betrieb wechseln, beginnt ihr Urlaubsanspruch wieder erneut bei 14 Tagen für die Dauer von 5 Jahren.

Hinzu kommen grundsätzlich die gesetzlichen und religiösen Feiertage im Jahr.

Ausländische Arbeitnehmer können grundsätzlich nach Ablauf von 6 Monaten bereits einen Urlaubsanspruch gelten machen.

VI. Kündigung

Wie im deutschen Arbeitsrecht können Arbeitsverhältnisse im türkischen Recht durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung, einvernehmlich durch Aufhebung, durch Tod oder bei befristeten Verträgen durch Fristablauf beendet werden. Dagegen können unbefristete Verträge unter Einhaltung bestimmter Fristen ordentlich gekündigt werden. Die Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber für die ordentliche Kündigung bemisst sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses. Demnach sind folgende Kündigungsfristen zu beachten:

  • bei einer Beschäftigungsdauer von 0-6 Monate: Kündigungsfrist 2 Wochen
  • bei einer Beschäftigungsdauer von 6-1,5 Jahren: Kündigungsfrist 4 Wochen
  • bei einer Beschäftigungsdauer von 1,5 Jahre-3 Jahren: Kündigungsfrist 6 Wochen
  • bei einer Beschäftigungsdauer ab 3 Jahren: Kündigungsfrist 8 Wochen

Diese Fristen können jedoch durch den Arbeitgeber jedoch durch Zahlung einer Entschädigung umgangen werden.

Die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei Vorlage eines Kündigungsgrundes durchgeführt werden. Die Gründe, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, sind im Gesetz aufgeführt. Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber die fristlose Kündigung innerhalb von sechs Tagen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes aussprechen muss, spätestens jedoch binnen eines Jahres. Zudem muss die Schriftform für die Kündigung eingehalten werden. Ganz wichtig ist allerdings, dass nach Art. 19 Abs. 1 bei jeder Kündigung der Grund sich klar aus dem Kündigungsschreiben ergeben muss.

Für Betriebe mit einer Beschäftigtenzahl über 30 Arbeitnehmern gelten Besonderheiten zu Gunsten des Arbeitnehmers (In Deutschland dagegen liegt diese Mindestanzahl bei 10 Arbeitnehmern). Diese Arbeitnehmer genießen Kündigungsschutz. Demnach kann innerhalb eines Monats nach Kündigung eine Kündigungsschutzklage erhoben werden, wenn man 6 Monate Beschäftigungsdauer aufweisen kann. Hat die Klage Erfolg, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einstellen oder, wenn er dies nicht will, eine vom Gericht bestimmte Entschädigung zahlen, die zwischen vier und acht Monatslöhnen liegt. Zusätzlich gibt es für die ausgefallene Arbeitszeit eine Entschädigung von maximal vier Monatslöhnen.

Eine ordentliche Kündigung ist grundsätzlich ohne Vorlage von Gründen möglich.

VII. Abfindung

In der Türkei können Arbeitnehmer bei einer Kündigung nach mindestens zwölf Monaten Beschäftigungsdauer einen Anspruch auf Betriebszugehörigkeitsentschädigung geltend machen.

Diese Abfindung setzt sich zusammen aus 30 Tagen Lohn pro Beschäftigungsjahr, wobei eine jährlich aktualisierte Obergrenze besteht.

VIII. Sozialabgaben

Arbeitgeber müssen ihre Arbeitnehmer bei der SGK – Sosyal Sigotalar Kurumu – versichern. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst dagegen sind bei der Emekli sandığı versichert. Für Selbstständige und Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ist die Bağ-Kur zuständig. Die Versicherungen bieten Schutz bei Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfällen, Behinderungen, Berufskrankheiten sowie eine (meist geringfügige) Altersversorgung.

Einige Arbeitgeber bieten zusätzliche Leistungen im sozialen und medizinischen Bereich, wie z. B. Behandlungen in privaten Krankenhäusern. Andernfalls ist eine kostenlose Behandlung in den staatlichen Krankenhäusern durch die Versicherung beı der SGK z.B. abgedeckt.

Aus der Bundesrepublik entsendete Arbeitnehmer können im Rahmen eines entsprechenden bilateralen Abkommens vom 30.04.1964 ihre Angehörigkeit zur deutschen Sozialversicherung für einen begrenzten Zeitraum behalten. Auch Arbeitnehmer, die bei einem Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland beschäftigt sind, können weiterhin ihre Mitgliedschaft bei der deutschen Sozialversicherung beibehalten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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