Arbeitnehmer können in der Freistellungsphase durchaus anderweitigen Verdienst erzielen – aber nicht bei Turboklausel.

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 23.02.2021 (5 AZR 314/20) klargestellt, wie es sich bei unwiderruflichen Freistellungen mit einem seitens des Arbeitnehmers anderweitig erzielten Verdienst verhält, wie auch bei Aufhebungsvereinbarungen, die eine sog. Turboklausel vorsehen, d.h. eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer und Erhöhung der Abfindung um die ersparten Bruttomonatsgehälter.

In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es darum, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer im September einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30. April des Folgejahres enden sollte. Vorgesehen war weiter, dass der Arbeitnehmer ab dem Vertragsschluss unter Anrechnung aller noch bestehenden Urlaubsansprüche sowie Freizeitguthaben und Fortzahlung des monatlichen Entgelts unwiderruflich von der Arbeit freigestellt wurde. Dem Arbeitnehmer wurde zudem das Recht eingeräumt, mit einer Ankündigungsfrist von 3 Werktagen vorzeitig auszuscheiden und das Arbeitsverhältnis zu beenden, wobei die ersparten Gehälter zusätzlich als Abfindung an ihn gezahlt werden sollten (sog. Turbo- oder Sprinterklausel). Der Arbeitnehmer nahm eine andere Arbeit auf, in der er mehr als bisher verdiente, der alte Arbeitgeber stellte die Lohnzahlungen ein und behauptete, dass der Arbeitnehmer sich sein anderweitiges Einkommen anrechnen lassen müsse, woraufhin dieser auf Lohnzahlung klagte.

Das BAG stellt in seiner Entscheidung zunächst klar, dass bei unwiderruflicher Freistellung – wie es regelmäßig so schön heißt: „unter Anrechnung offener Urlaubsansprüche“ – eine anderweitige Verdienstmöglichkeit besteht und die Verdienste nicht aufeinander zu verrechnen sind. Soll eine Anrechnung erfolgen, so müssen die Arbeitsvertragsparteien dies vereinbaren. Weiter stellt das BAG dann klar, dass für die Fälle, in denen eine ausdrückliche Abrede fehlt, i.d.R. durch Auslegung der Aufhebungsvereinbarung zu ermitteln ist, ob dies konkludent, also stillschweigend erfolgt ist. Die sog. Turbo- oder Sprinterklausel mit vorzeitigem Sonderkündigungsrecht, wie oben beschrieben, stellt eine solch konkludente Vereinbarung dar. Insoweit macht das höchste deutsche Arbeitsgericht deutlich, dass die Vereinbarung gerade so gestaltet ist, dass man davon ausgehen muss, dass anderweitiger Verdienst ausgeschlossen ist, da der Arbeitnehmer es selbst und allein in der Hand hat, die Erhöhung der Abfindung um die ersparten Bruttomonatsgehälter einseitig herbeizuführen. Dies soll regelmäßig dahingehend zu verstehen sein, dass man vor diesem Hintergrund von einer Anrechnung anderweitigen Verdiensts ausgeht, die stillschweigend vereinbart worden ist, da nur eine solche Betrachtungsweise interessengerecht sei, da der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eben insoweit entgegenkommt, als er ihm die Möglichkeit offenlässt, das Arbeitsverhältnis vorzeitig unter Verkürzung der Kündigungsfrist mit entsprechenden finanziellen Vergünstigungen und Kompensationen zu beenden.

Weiter hat das BAG deutlich gemacht, dass beim Fehlen näherer Regelungen zu Urlaub bzw. Urlaubszeitpunkt gerade vor dem Hintergrund der sog. Turboklausel davon auszugehen ist, dass der Urlaub zu Beginn des Freistellungszeitraums im Hinblick auf die vorzeitige Beendigung als genommen gelten soll.

Das BAG hat damit eine interessengerechte und ausgewogene Rechtsposition zu derartigen Konstellationen, wie sie in der Praxis überaus häufig anzutreffen sind, eingenommen. Zugleich hat es aber auch klargestellt, dass bei dem absoluten Verzicht auf die Erbringung der Arbeitsleistung durch einen Arbeitnehmer, wie er in der unwiderruflichen Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung zum Ausdruck kommt, der Arbeitnehmer frei ist, mit seiner Arbeitskraft umzugehen und diese ggf. anderweitig einzusetzen. Weil der Arbeitgeber allerdings einseitig auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers verzichtet, kann er diesem in dieser Konstellation eben nicht entgegenhalten, dass er sich anderweitigen Erwerb anrechnen lassen muss.

Die Praxis beweist, dass dies häufig anders angenommen wird und der Arbeitnehmer zum „Nichtstun“ bestimmt sein soll. Dies gilt aber nur für den Fall, dass eine entsprechende Vereinbarung getroffen ist, wie sie stillschweigend bzw. konkludent in den Aufhebungsverträgen mit Turboklausel zum Ausdruck kommt.

Betroffenen, die im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in einer Abwicklungsphase oder Auseinandersetzung stehen sollten, steht der Unterzeichner jederzeit gern für eine erste Beratung und ggf. Vertretung zur Verfügung.


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