Arbeitsrecht - Mobbing am Arbeitsplatz

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Nach Schätzungen aus Gewerkschaftskreisen sind in Deutschland rund 1,8 Millionen Arbeitnehmer von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen. In 50 % der Mobbingfälle sollen Vorgesetzte dafür verantwortlich oder am Mobbing beteiligt sein. Wenn die Schätzungen auch überhöht erscheinen mögen, so handelt es sich in jedem Fall um ein bedeutendes Problemfeld. Allein der auf das Mobbing zurückzuführende volkswirtschaftliche Schaden soll 15 bis 25 Milliarden Euro betragen. Vor allem aber für die betroffenen Arbeitnehmer selbst geht Mobbing am Arbeitsplatz vielfach mit körperlichen und seelischen Schäden einher.

Aber was ist Mobbing überhaupt?

Nicht jede – im Einzelfall auch einmal harsch formulierte – Kritik durch den Arbeitgeber ist Mobbinghandlung. Vor allem unmotivierte und vorwerfbar hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibende Arbeitnehmer (auch solche gibt es und jeder kennt sie im Kollegenkreis) führen den Begriff Mobbing gerne als Schutzschild gegen berechtigte Arbeitgeberkritik im Munde. Auch steht es dem Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts in den arbeitsvertraglich gesetzten Grenzen frei, dem Arbeitnehmer Aufgaben und Tätigkeiten zuzuweisen, die dessen persönlichen Präferenzen im Einzelfall nicht immer entsprechen mögen. Auch das ist kein Mobbing.

Unter Mobbing im rechtlichen Sinne versteht man erst das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren durch Vorgesetzte oder Kollegen. Systematisch bedeutet, dass die einzelnen Mobbinghandlungen aufeinander aufbauen oder ineinander übergreifen. So stellt das einmalige Ignorieren eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber (beispielsweise durch Übergehen bei der Einladung zu einer Teambesprechung) noch keine Mobbinghandlung dar. Wird ein Arbeitnehmer hingegen systematisch von Besprechungen ausgeschlossen, zu denen andere Arbeitnehmer seiner hierarchischen oder fachlichen Ebene üblicherweise eingeladen werden, oder wird ein Arbeitnehmer gar bei der Einladung zu Fortbildungsveranstaltungen oder Betriebsfesten übergangen, dann ist von Mobbing auszugehen.

Mobbing am Arbeitsplatz kann durch den Vorgesetzten („Bossing“) erfolgen oder auch von Kollegen des Arbeitnehmers ausgehen.

Fallbeispiele für Mobbinghandlungen gibt es in unendlicher Vielzahl. Dazu zählen Angriffe auf die Ehre und das Ansehen des Gemobbten, andauernde Überforderung oder Unterforderung, fortgesetzte unberechtigte Kritik, insbesondere in Gegenwart von Kollegen, Beleidigungen, Gehässigkeiten, die Missachtung üblicher Höflichkeitsformeln, die Verweigerung üblicher und selbstverständlicher Hilfestellung bei der Erbringung der Arbeitsleistung, das Streuen herabwürdigender Gerüchte über den Gemobbten etc.

Was hat der Arbeitgeber damit zu tun?

Gehen die Mobbinghandlungen vom Arbeitgeber selbst aus („Bossing“), hat der Arbeitnehmer einen unmittelbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung dieser Handlungen. Aber auch für den häufigen Fall des Mobbings unter Kollegen ist der Arbeitgeber gefordert. Denn der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber das Persönlichkeitsrecht, die Gesundheit und die Ehre seiner Arbeitnehmer schützen und sie vor psychischer Belastung bewahren muss. Bei Kenntnis von Mobbing-Vorfällen muss er deshalb wirksame Maßnahmen ergreifen, bis hin zur Kündigung des Mobbenden.

Was kann verlangt werden?

Neben einem – sicherlich vordringlichen – Anspruch auf Unterlassung der Mobbinghandlungen gegen Arbeitgeber/Vorgesetzte oder Kollegen steht dem Gemobbten auch ein Schmerzensgeldanspruch gegen den Mobber zu. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der Dauer und Intensität der Mobbinghandlungen. Der Schmerzensgeldanspruch reicht von rund 2000 € für eine Einzelhandlung (Bezeichnung einer Arbeitnehmerin als „faulste Mitarbeiterin Deutschlands“ und „Königin der Tagediebe“, veröffentlicht in einem vom Arbeitgeber herausgegebenen Anzeigenblatt) bis zu 25.000 € für ein über 2 Jahre andauerndes Mobbing (der Arbeitnehmer musste auf Anweisung des Arbeitgebers über diesen langen Zeitraum täglich zum Dienst erscheinen, ohne dass ihm eine Arbeit zugewiesen wurde und er somit beschäftigungslos am Arbeitsplatz versauerte). Sofern die Mobbinghandlungen zugleich Benachteiligungen zum Gegenstand haben, die nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sanktioniert sind (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Lebensalter oder sexuelle Identität), steht dem Arbeitnehmer zusätzlich ein Entschädigungsanspruch nach dem AGG zu.

Wer muss was beweisen?

Wer Ansprüche (Unterlassung, Schmerzensgeld) erhebt und durchzusetzen gedenkt, muss die Voraussetzungen dafür beweisen. Die Beweislast für die Mobbinghandlungen liegt demnach beim Arbeitnehmer. Er sollte daher entsprechende Beweise (beispielsweise E-Mail Korrespondenz, aus der sich Anfeindungen und Schikanen ergeben) sichern. Der Arbeitnehmer sollte darüber hinaus in einem „Mobbing-Tagebuch“ die beanstandeten Geschehnisse möglichst detailliert dokumentieren: wer (Name/Funktion im Betrieb) hat wann (Datum, Uhrzeit) in wessen Gegenwart (Name/Funktion im Betrieb) wo (Ort) was getan (möglichst genaue Beschreibung der Handlungen, gegebenenfalls unter wortgenauer Wiedergabe des Gesagten) und welche konkreten Auswirkungen/Folgen hatte dies für den Gemobbten? AU-Bescheinigungen und gegebenenfalls ärztliche Atteste über mobbingbedingt eingetretene Erkrankungen sind aufzubewahren.

Sind Fristen zu beachten?

Ja. Tarif- und Arbeitsverträge enthalten vielfach Ausschlussfristen, nach deren Verstreichen Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden können. Ansprüche nach dem AGG sind innerhalb einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend zu machen.

Wie sollte in Fällen von Mobbing vorgegangen werden?

Das auch in diesem Rechtstipp angeratene Mobbing-Tagebuch ist wichtige Hilfestellung bei der Durchsetzung von Arbeitnehmeransprüchen wegen Mobbings. Es kommt aber nur dann zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer die beanstandeten Mobbinghandlungen über einen gewissen Zeitraum erduldet. Ein solches Vorgehen kommt nur für Betroffene mit erheblich robuster psychischer Konstitution in Betracht.

Allen anderen von Mobbinghandlungen betroffenen Arbeitnehmern sei ein rechtliches Vorgehen nach dem Motto des „präventiven Erstschlags“ angeraten: sobald sich erste Anzeichen eines systematischen Mobbings zeigen, also spätestens nach der 2. oder 3. Mobbinghandlung, sollte hierauf mit aller zur Verfügung stehenden rechtlichen Schärfe reagiert werden. Der Mobber (Vorgesetzter oder Kollege) ist – im hier angeraten Fall anwaltlich – anzuschreiben, die konkret zu benennende Handlungsweise zu rügen, deren sofortige Unterlassung einzufordern und dem Mobber für den Fall einer Fortsetzung seiner Handlungen die Geltendmachung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen anzudrohen. Nach hiesiger Erfahrung führt dies entgegen üblicher Befürchtung Gemobbter nicht etwa zur Eskalation, sondern zur – in der Regel nachhaltigen – Befriedung der Situation. Der Mobber gibt keine Ruhe, wenn man ihn gewähren lässt. Gegenwind verträgt die niedere Spezies des Mobber hingegen nicht.


Michael Timpf

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht


Stichworte: Arbeitsrecht, Mobbing am Arbeitsplatz, Bossing, Persönlichkeitsrecht, Schadensersatz, Schmerzensgeld, Fürsorgepflicht, Mobbing Tagebuch, Entschädigung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, AGG. Arbeitsgericht, Mobbing-Hilfe.

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