Arbeitsrecht - Zielvereinbarungsgespräche - erfolgreich meistern

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Vorwort aus eigener Erfahrung:


Aus meiner langjährigen Zeit bei der Deutschen Bahn AG kenne ich das noch: Die leidigen Zielvereinbarungsgespräche…jedes Jahr dasselbe…ständig hatte ich das Gefühl, mich zwischen Sinn und Unsinn zu bewegen. Schon Tage davor hat man sich vorbereitet, damit man gute Argumente im Gespräch mit seinem Chef hatte….

Die Zielerreichungsgespräche können nur dann einigermaßen sinnvoll geführt werden, wenn zuvor eine Zielfindung definiert und verschriftlicht wurde, die dann nach Ablauf des WJ bzw. der zu messenden zeitlichen Periode an den Zielfindungen und deren Formulierungen zu messen und zu werten sind. Man stellt bei den Zielvereinbarungsgesprächen nämlich sehr häufig fest, dass die meisten Ziele in einem größeren Unternehmen (oftmals auch schon bei Tech Start-ups) von mehreren anderen Kollegen aus derselben Abteilung und/oder zusätzlich auch noch von anderen Abteilungen im selben Betrieb oder auch von ganz anderen Unternehmensteilen (z.B. Konzerntöchtern als Dienstleister) abhängig sind. Eine solche Verschachtelung ist ganz häufig anzutreffen und führt zu Frustrationen auf Seiten des Arbeitnehmers bei den Zielfindungs- bzw. späteren Zielerreichungsprozeduren, denn man hatte das alles bei der Formulierung der Zielfindung nicht vorhersehen können. Nicht selten fallen dann ganze Teilziele in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Hier ist auf unterjährige Anpassungsmöglichkeiten zu achten und Ziele dann zeitnah möglichst neu zu formulieren bzw. anzupassen. Dies unterliegt jedoch juristischen Grenzen. Dazu sogleich.


Oft bestehen aber keine Anpassungsmöglichkeiten (weil das nicht gewollt ist) oder man sieht noch keinen Bedarf dazu, weil alles so kompliziert im Gebilde eines Konzerns ist und man vieles nicht durchschaut. Ein ständiges Vor- und Zurückrudern bei der Zielfindung würde nicht nur die betriebswirtschaftliche Sinnstiftung dieses Führungsinstruments völlig obsolet werden lassen sondern auch die rechtliche Bindung der Arbeitsvertragsparteien nach Festlegung der Ziele unzulässig in Frage stellen. Eine Einseitige nachträgliche Änderung ist grundsätzlich unzulässig.


Mein Credo: Die Zielerreichung ist nur sinnvoll zu messen, wenn die Zielfindung entsprechend Mitarbeiter-bzw. Arbeitnehmerfreundlich vonstatten ging. Insbesondere schon im Rahmen der individuellen Vorbereitung auf die Zielfindung und Zielerreichungseinschätzung unterstütze ich Sie gekonnt und bestmöglich für Ihre volle Zielerreichung. Auch zum bestmöglichen Gelingen bzw. Ablaufs eines für Sie sicheren Zielfindungs-/Zielerreichungsgesprächs können Sie sich gern an mich wenden. 


Wie sind nun aber Ziele zu finden ( dies wiederum hängt von der konkreten Stellenbeschreibung ab) und entsprechend zu formulieren: Hier kommt das Zauberakronym SMART ins Spiel. Es ist nicht das kleine zeitgemäße Auto aus dem Mercedes Benz Konzern gemeint, sondern dahinter verbirgt sich folgendes, aufeinander abgestimmtes Vokabular: spezifisch, messbar, attraktiv (erreichbar) und terminiert. 


Genau die smarte Zielformulierung zu finden war immer sehr schwer und oft ein Spießrutenlauf an verquaasten Schachtelsätzen. Häufig kommen dann auch noch die Workflow-Organigramme aus den Abteilungen mit ins Spiel, die die Formulierbarbeit einerseits zwar veranschaulichen, durch das Rollenverständnis des Mitarbeiters (z. B Mitwirkung bei…), andererseits aber auch sehr einschränken.



Was sind Zielvereinbarungen?


Arbeiten wir das Thema also einmal grundlegend juristisch auf:

I. Allgemeines 

    1. Überblick. In Zielvereinbarungen wird bestimmt, dass der Arbeitnehmer über die feste Arbeitsvergütung am Ende des Wirtschaftsjahres einen Bonus erhält, der dem Grunde und der Höhe nach vom Erreichen vereinbarter Ziele abhängig ist. Der Zweck liegt häufig in der Leistungssteigerung des Arbeitnehmers. Oft wird die Erreichung persönlicher Ziele des Arbeitnehmers mit unternehmerischen Zielen verbunden, wie oben bereits ausgeführt. Ihre Rechtsgrundlage finden Zielerreichungsgespräche, sehr häufig in den Arbeitsverträgen. Es kommen aber aber auch Betriebsvereinbarungen in Betracht. (Schaub Arbeitsrechtshandbuch, 20. Aufl. 2023, § 77 Rn.1). Während eines laufenden Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber nicht auf einmal Teile des festen Arbeitsentgeltes im Rahmens eines Direktionsrechts von der Erreichung bestimmter Ziele abhängig machen. Das muss vertraglich vorher geregelt werden.

2. Abgrenzung: Zielvereinbarungen zwischen AN und AG sind von einseitigen Zielvorgaben des AGs strikt zu unterscheiden. Ziele und die daran anknüpfenden Zahlungen müssen in einer einvernehmlichen Regelung getroffen werden. Die Zielvereinbarung muss die Anspruchsvoraussetzungen angemessen und transparent ausgestalten (307 Abs. 1 BGB). Sowohl die konkreten Ziele als auch die Höhe bei der Erreichung der Ziele zu gewährenden Vergütung sind als Hauptleistungspflichten keiner Inhaltskontrolle zugänglich.

Bei der Zielvorgabe legt der AG die zu erreichenden Ziele einseitig fest. Die Zielfestsetzung durch den AG unterliegt der Billigkeitskontrolle. Ist arbeitsvertraglich vereinbart, dass der Mitarbeiter in Abhängigkeit vom Erreichen jährlich neu festgelegter Ziele einen Bonus erhält, muss durch Auslegung festgestellt werden, ob der AG die Ziele einseitig bestimmen kann oder die Ziele von beiden Parteien einvernehmlich vereinbart werden. (Schaub aaO, § 77 Rn 3).

3. Erfolgsabhängigkeit. Die in Zielvereinbarungen vereinbarte Vergütung ist erfolgsabhängig und eine unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung. Der Anspruch auf eine solche Zuwendung entsteht während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig. 

Es ist unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, 1 BGB, trotz erbrachter Arbeitsleistung und auch dann, wenn der AN die vereinbarten Ziele erreicht hat, den Vergütungsanspruch entfallen zu lassen (BAG Rspr.). Anderes gilt nur für Vorstände einer AG. Hier besteht kein Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung.

4. Stichtagsklausen: Von einigen Ausnahmen abgesehen können in vertraglichen Zielvereinbarungen festgesetzte Bonuszahlungen wegen ihres Entgeltcharakters nicht dem Grunde nach vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängig gemacht werden (anders nur in Tarifverträgen und kirchlichen Arbeitsverträgen). Derartige Vereinbarungen sind unangemessen im Sinne von § 307 1,1 BGB (Schaub, § 77 Rn. 5). Das Arbeitsentgelt kann dem AN über eine Stichtagsklausel oder eine andere Zahlungsbedingung nicht wieder entzogen werden, wenn der vorleistungspflichtige AN die geschuldete Leistung (innerhalb und auch außerhalb des Bezugszeitraums) erbracht hat. Entscheidend ist nämlich die Qualität der Arbeitsleistung und nicht die Stichtagsbezogenheit.

Ausnahmen: 

  • Arbeitsleistung hat gerade vor einem bestimmten Stichtag besonderen Wert (z.B. bei Saisonbetrieben)
  • Unternehmenserfolg kann nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eintreten, danach nicht mehr.

Scheidet der anspruchsberechtigte Arbeitnehmer im Laufe des Jahres aus, hat er einen Anspruch pro rata temporis auf die Bonuszahlung.

In Betriebsvereinbarungen vereinbarte Stichtagsregelungen dürfen nicht unter die auflösende Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag nach Ablauf des Leistungszeitraums gestellt werden.

5. Leistungszweck immer zu erfragen: Ob eine Sonderzahlung als Entgelt für geleistete Arbeit oder ob mit ihr ausschließlich andere davon unabhängige Zwecke verfolgt werden, ist durch Auslegung zu ermitteln. Insbesondere ist die Frage zu stellen, ob mit der Zahlung erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergütet werden soll oder ob nur andere Zwecke als die Vergütung verfolgt werden. Das Erreichen von quantitativen oder qualitativen Zielen genügt dem Vergütungscharakter. Eine Abhängigmachung vom Betriebsergebnis steht ebenfalls dem Vergütungscharakter nicht entgegen (Schaub, § 77 Rn 5).

6. Sonderzahlungen mit Mischcharakter aus zu vergütender Betriebstreue und Entgeltcharakter dürfen nach neuerer Rechtsprechung ebenfalls nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden.

7. Festsetzung nach billigem Ermessen iSv. §315 BGB. Das Bestimmungsrecht nach § 315 BGB setzt grundsätzlich eine ausdrückliche oder stillschweigende, rechtsgeschäftliche Vereinbarung oder eine entsprechende Regelung in einer Betriebsvereinbarung voraus, die einer Partei das Recht gibt, durch einseitige Willenserklärung den Inhalt einer Vertragsleistung zu bestimmen. (Schaub, aaO, Rn 8). Auch auf der Grundlage eines Budgets nach einem Jahresabschluss erst ermittelbare Sonderzahlungen fallen unter ein solches Leistungsbestimmungsrecht und sind grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sind die Maßstäbe für die Ausübung des billigen Ermessens in der Zielvereinbarung festgelegt, ist der AG hieran gebunden. Billig ist das Ermessen, wenn der AG die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. (Schaub aaO, Rn. 9). 

Gerichtlich überprüfbar ist das billige Ermessen. Hat der AG im Prozess hierzu nichts entsprechendes vorgetragen, ist die getroffene Leistungsfestsetzung nach § 315 III BGB unverbindlich. In diesem Fall kann die Bestimmung der Höhe durch Urteil erfolgen. Legt ein AG für die Beschäftigten, die einer Bonus-Regelung unterliegen im laufenden Geschäftsjahr einen Mindestbonus-Pool in bestimmter Höhe fest, ist der AG hieran gebunden, da eine nach § 315 BGB getroffene einseitige Leistungsbestimmungen rechtsgestaltende Wirkung hat und grundsätzlich unwiderruflich ist (Schaub, aaO, Rn 10).

II. Vereinbarung der Ziele: 

  1. Überblick: Diese erfolgen üblicherweise zweiteilig. Im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung  wird eine Rahmenregelung vereinbart, die dann Jahr für Jahr konkretisiert wird. Die Rahmenvereinbarung enthält die Grundsätze, nach denen in der Folge konkrete Ziele vereinbart werden. Hieraus folgt die Verpflichtung des AG, mit dem AN über die in der jeweiligen Periode zu erreichenden Ziele zu verhandeln. Der AG muss nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose Ziele vorschlagen, die der AN in der Zielperiode erreichen kann. (Schaub, aaO, Rn 11,12). 

    Anmerkung: Wie erwähnt, kenne ich es aus meiner eigenen Praxis eher so, dass der AN selbst die Zielfindung mindestens vorschlägt und verschriftlicht (zumal dann, wenn das Arbeitsverhältnis schon längere Zeit andauert), und sodann beide (bei gutem Verhältnis und flachen Hierarchien) an der Ausfüllung der Ziele mitwirken. Werden Ziele angeboten, die der AN nicht erreichen kann, so kann der AG sich dennoch nicht von seiner Verpflichtung  zur Zahlung einer vereinbarten variablen Vergütung entziehen.

Eine Leistung mittlerer Art und Güte wird bereits mit dem Grundgehalt abgegolten. Ziele gelten auch dann als erreichbar, wenn sie nur unter überdurchschnittlichem Einsatz erreichbar sind. Das Nichterreichen dieser Ziele an sich darf keine kündigungsrechtliche Relevanz für den AN haben (Löw, DB 2017, 1904).

2. Inhalt und Grenzen: Grundsätzlich können die Arbeitsvertragsparteien bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit oder des gesetzlichen Mindestlohns eine zielabhängige Vergütung vereinbaren. Unwirksam ist eine Vereinbarung dann, wenn der AN aus von ihm nicht beeinflussbaren Gründen kein die Grenzen der Sittenwidrigkeit oder des gesetzlichen Mindestlohns überschreitendes Entgelt erzielen kann.

3. Zielarten: Meist unterscheidet man zwischen persönlichen und unternehmensbezogenen Zielen. Die persönlichen Ziele können ganz unterschiedlich bestimmt werden. Es können harte Ziele sein, zum Beispiel Abschluss eines Projekts zu einem bestimmten Zeitpunkt, erzielter Umsatz, Akquisitionserfolge), bis hin zu weichen Zielen (Personalführungskompetenz, Teamfähigkeit, etc.) oder Gruppenziele. Bei unternehmensbezogene Zielen sind meist wirtschaftliche Kennziffern (KPIs) wie Umsatz oder Gewinn heranzuziehen (Schaub aaO, Rn 14).

4. Feststellung der Zielerreichung.

a.) Grundsatz: Hier ist es wichtig, ein konkretes Verfahren vorzufinden, nachdem später die konkreten Ziele festgelegt werden und was zu geschehen hat, wenn kein Einvernehmen erzielt wird. Zum Beispiel Durchführung eines Schlichtungs- oder Mediationsverfahrens. Bei Vorliegen eines Tarifvertrages kann auch auf betrieblicher und tariflicher Ebene eine paritätisch besetzte Gremienentscheidung als Schlichtung in Betracht kommen. Meist erfolgt die Feststellung der Zielerreichung durch billige Ermessensausübung seitens des AG. Durch Vereinbarung ist zu klären, ob der Bonus nur bei voller Zielerreichung oder ob auch Anspruch auf anteilige Bonuszahlung besteht, wenn die Ziele nur teilweise erreicht werden. Meist werden auch Zielerreichungsgrade oder Noten verteilt.

b.) Darlegungs- und Beweislast im Prozess:  Geht es um die Verbindlichkeit einer einseitigen Leistungsbestimmung, trägt der Bestimmungsberechtigte (regelmäßig der AG) die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie billigem Ermessen entspricht. Bei Streit hierüber gilt ein abgestuftes System der Darlegungslast (Schaub, aaO, Rn 16). Viele Einzelheiten sind hier streitig und bedürfen vertiefter juristischer Analyse im konkreten Fall. Auch hier ist wieder zwischen harten und weichen Zielen zu unterscheiden. Häufig fehlen dem AN bei der Beurteilung weicher Ziele (Führungsverhalten) Informationen, die er dann nur im Wege einer Stufenklage oder eines Auskunftsanspruches substantiiert vorbringen kann.

IV. Probleme: 

Schwierigkeiten entstehen zum Beispiel dann, wenn es zwar eine Rahmenvereinbarung über abzuschließende konkrete Ziele gibt, aber später eine solche Vereinbarung nicht zustande kommt. Dies kann auf mangelndem Konsens beruhen, aber auch auf Unterlassen. Aus dem Fehlen einer Zielvereinbarung kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass dieser Vergütungsanteil entfällt. Ansonsten würde die Bonuszahlung in das für den AN unkalkulierbare Belieben des AG gestellt. Schwierig sind auch Fälle zu beurteilen, wo die unternehmerische Wirklichkeit an den einmal festgelegten Grundsätzen in der Rahmenvereinbarung abweicht und damit eine stillschweigende Aufhebung der Rahmenvereinbarung in den Mittelpunkt der Prüfung gelangen könnte. Es gibt noch viele weitere Problemstellungen, die hier nicht dargestellt werden können und nur am konkreten Fall beurteilt werden können.

Schadensersatz kann es beispielsweise dann geben, wenn der AN den AG vergeblich auffordert, eine Zielvereinbarung mit ihm abzuschließen. In einem solchen Fall wäre die Vereitelung einer Zielvereinbarung treuwidrig. Kommt eine Zielvereinbarung nicht zustande, ist der AG nach Ablauf der Zielperiode bei von ihm zu vertretendem Nichtabschluss dem AN an zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Mitverschulden des AN für den Nichtabschluss ist jedoch immer zu berücksichtigen. Auch ein Geschäftsführer muss sich nicht vertrösten lassen, eine zugesagte Tantieme sei so lange nicht geschuldet, bis eine Bemessungsgrundlage durch die Gesellschaft erarbeitet werde. Hier hat der BGH entschieden, dass dann nach billigem Ermessen eine Bemessungsgrundlage zu bestimmen ist.

Wie sieht es bei Ihnen aus? Lassen Sie uns gern ihren Fall und Ihre Ziele besprechen. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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