Arbeitsweg bei Streik – Welche Konsequenzen drohen Arbeitnehmern, wenn sie nicht zur Arbeit erscheinen können?

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Die Gewerkschaft der Deutschen Lokführer (GDL) ruft in den kommenden Tagen erneut zum Streik auf. Diesmal werden die Züge in ganz Deutschland sogar mehrere Tage lang stillstehen. Viele Arbeitnehmende sorgen sich darum, wie sie ihren Arbeitsweg bestreiten sollen und fragen sich, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen können. 



Ist der Streik der Deutschen Bahn rechtmäßig?


Grundsätzlich steht es Arbeitnehmenden frei, ihre Arbeit vorübergehend als Mittel des Arbeitskampfs zur Durchsetzung eines kollektiven Interesses niederzulegen. Wichtig ist dabei, dass gewisse Grundsätze eingehalten werden. So darf der Streik nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen, er muss von einer Gewerkschaft geführt werden und er darf nicht eine Schlichtungsvereinbarung oder die sog. Friedenspflicht brechen. Zudem muss die Niederlegung der Arbeit das letzte Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen sein. 


Die Einhaltung dieser Grundsätze überprüft auf Antrag das zuständige Arbeitsgericht. Bereits im Jahr 2014 hat es das Landesarbeitsgericht Hessen in seinem Urteil abgelehnt, einen Streik der GDL zu untersagen oder einzuschränken (Urteil vom 07.11.2014, AZ. 9 SaGa 1496/14). Seinerzeit dauerte der Streik fünf Tage, was aus Sicht des Gerichts nicht unangemessen lang war. Der finanzielle Schaden oder die Tatsache, dass es sich um einen Betrieb der Daseinsvorsorge handelt, machten den Streik ebenfalls nach Ansicht des Gerichts nicht rechtswidrig.


Auch diesmal hat das hessische Landesarbeitsgericht Frankfurt a.M. am 09.01.2024 den Eilantrag der Deutschen Bahn zurückgewiesen. Es ist also davon auszugehen, dass auch der kommende sechstägige Stillstand der Deutschen Bahn als rechtmäßig hinzunehmen sein dürfte.



Müssen Arbeitnehmende am Arbeitsplatz erscheinen, wenn die Bahn streikt?


Arbeitnehmende tragen grundsätzlich das sog. Wegerisiko. Auch bei Verspätung oder Verhinderung durch höhere Gewalt, wozu ein Streik zählt. Das bedeutet, dass es allein im Verantwortungsbereich der Arbeitnehmenden liegt, wie sie zur Arbeit kommen. 


Anders wäre es, wenn Arbeitnehmende durch Gründe verhindert wären, die in ihrer Person liegen. Dazu zählt z.B. die Erkrankung des Kindes bzw. dessen Betreuungsbedürftigkeit.


Da ein Streik eben nicht in der Person des Arbeitnehmers / der Arbeitnehmerin liegt, sondern ein allgemeines Ereignis darstellt, fällt dieser Fall nicht unter den Grundsatz der „Vorübergehenden Verhinderung des Arbeitnehmers“ nach § 616 BGB. Dieser lässt den Lohnanspruch nicht entfallen, wenn Arbeitnehmende aus persönlichen Gründen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert sind.


Im Falle von höherer Gewalt durch Streik aber auch z.B. schweren Wetterbedingungen müssen Arbeitnehmende also trotzdem (pünktlich) zur Arbeit erscheinen. Sie haben dafür rechtzeitig Sorge zu tragen, dass sie den Arbeitsweg bestreiten können.



Was passiert, wenn Arbeitnehmende keine Möglichkeit finden zur Arbeit zu kommen?


Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn.“ Wenn Arbeitnehmende nicht wie vertraglich vereinbart und unentschuldigt zur Arbeit erscheinen (können), werden sie ihres Lohn- oder Gehaltsanspruchs für diese Zeit verlustig. Dabei ist – wie bereits erwähnt – ein Streik kein Entschuldigungsgrund. Arbeitgebende haben das Recht, den Lohn einzubehalten.


Arbeitnehmende sind verpflichtet alle zumutbaren Möglichkeiten zu prüfen, um den Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Machen sie das nicht, riskieren sie sogar eine Abmahnung. 


Ist es dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin tatsächlich nicht zumutbar auf andere Verkehrsmittel zurückzugreifen (z.B. weil die Entfernung zur Arbeitsstätte so groß ist, dass eine Taxi-Fahrt mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre und auch sonst keine weiteren Verkehrsmittel zur Verfügung stehen), dürfte eine Abmahnung nicht zu befürchten sein. Denn in einem solchen Fall ist es dem Arbeitnehmer / der Arbeitnehmerin unmöglich, seine Arbeitsleistung im Betrieb anzubieten und zu erbringen.



Müssen Arbeitgebende dann Urlaubstage oder Überstunden abziehen?


Der Arbeitgeber / die Arbeitgeberin muss für die Zeit des Streiks bzw. des Arbeitsausfalls weder Urlaub noch Überstundenabbau gewähren. Es bleibt Arbeitnehmenden unbenommen für diese Zeit Urlaub oder Überstundenabbau zu beantragen. Die Gewährung liegt jedoch im Ermessen des Arbeitgebers / der Arbeitgeberin.



Haben Arbeitnehmende ein Recht auf Homeoffice?


Der Ort der Erbringung der Arbeitsleistung wird arbeitsvertraglich geregelt. Wenn der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin zur Erbringung der Arbeitsleistung im Betrieb verpflichtet ist, so besteht auch bei einem Streik keine Ausnahme. Wenn zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in die Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice vereinbart wurde, kann der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin von ihrem Recht Gebrauch machen.



Wie sollen sich Arbeitnehmende am besten verhalten?


Wichtig ist eine offene Kommunikation zwischen den Parteien. Wenn Arbeitnehmende nach Prüfung aller Möglichkeiten des Bestreitens des Arbeitsweges zu dem Schluss kommen, dass es unmöglich oder unverhältnismäßig sein dürfte im Betrieb zu erscheinen, sollte mit dem Arbeitgeber / der Arbeitgeberin eine Lösung angestrebt werden. 


Bestenfalls genehmigt der Arbeitgeber / die Arbeitgeberin eine Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice für die Zeit des Arbeitskampfs. Falls eine Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice nicht möglich oder vom Arbeitgeber nicht genehmigt wird, sollte Urlaub oder Überstundenabbau zumindest beantragt werden. 


Sollten die Fronten stark verhärtet sein und der Arbeitgeber / die Arbeitgeberin auf das Erscheinen im Betrieb bestehen, sollten Arbeitnehmende unbedingt die Prüfung des Bestreitens des Arbeitsweges schriftlich dokumentieren, um eine Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung glaubhaft machen zu können. Andernfalls riskieren sie eine Abmahnung.  Dennoch müssen sich Arbeitnehmende darauf einstellen, dass das Gehalt einbehalten wird. 


Die meisten Arbeitgebenden haben jedoch Verständnis für die schwierige Lage und ermöglichen sogar ein Nacharbeiten der verpassten Zeit. Ein Anspruch hierauf besteht jedoch nicht.


Sollten Sie eine Abmahnung oder gar eine Kündigung erhalten, nachdem Sie nicht (pünktlich) zur Arbeit erscheinen konnten, nehmen Sie das nicht hin und kontaktieren Sie mich gerne per E-Mail unter info@kanzleisandkaemper.de oder per Telefon unter 05436/2419965. 


Ich berate und vertrete Sie gerne.

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Foto(s): Justine Sandkämper

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