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Bereitschaftsdienst: Welche Regeln gelten für die Arbeit auf Abruf?

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Bereitschaftsdienst: Welche Regeln gelten für die Arbeit auf Abruf?

Experten-Autor dieses Themas

Die meisten von Ihnen kennen wahrscheinlich jemanden, der im Bereitschaftsdienst arbeitet. Ob beim Rettungsdienst oder im Krankenhaus, im Pflegedienst, beim Tierarzt, bei Bestattungsinstituten, als Entstörungstechniker oder auch als Seelsorger: Der Bereitschaftsdienst ist ein nicht unwesentlicher Teil der außerhalb der im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitszeit.  

Bei dieser Form der Arbeit hält sich der Arbeitnehmer innerhalb oder in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes auf und bereit, um im Bedarfsfall jederzeit aktiv werden und seine Arbeit aufnehmen zu können. Ein Beispiel dafür sind Ärzte, die während ihres Bereitschaftsdienstes im Krankenhaus übernachten, um bei Notfällen sofort einsatzfähig zu sein, oder Feuerwehrleute, die während ihrer Bereitschaft auf der Wache schlafen.  

Ist Bereitschaftsdienst Arbeitszeit?

Oftmals ist der Einsatz von Fachkräften abends, am Wochenende oder außerhalb der üblichen Geschäftszeiten nötig. Dabei kann der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaft aber ganz normale Tätigkeiten verrichten wie zum Beispiel Fernsehen, essen, ein Buch lesen und sogar schlafen.  

Wichtig dabei ist nur, dass er bei Bedarf schnellstmöglich innerhalb einer vereinbarten kurzen sogenannten Reaktionszeit vollständig arbeits- und einsatzbereit zur Verfügung steht. Die Bereitschaftsdienste dienen auch dazu, eine ständige Anwesenheit von Personal zu verhindern und damit einerseits Personalkosten einzusparen und andererseits eine Dauerbelastung des Personals durch zu viel Mehrarbeit zu verhindern. 

Auch wenn es keine Einsätze während des Bereitschaftsdienstes gibt, ist diese Zeit seit der Novellierung der Arbeitszeitgesetze vom 01.01.2004 Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (§ 2 Abs. 1 ArbZG). Das bestätigte das Europäische Parlament 2008 erneut.  

Wie viel Bereitschaftsdienst ist erlaubt?

Beim Bereitschaftsdienst sind die Höchstgrenzen der täglichen und der wöchentlichen Arbeitszeit sowie die erforderlichen Ruhepausen des Arbeitnehmers (§ 4 ArbZG) einzuhalten, um gesundheitliche Belastungen der Arbeitnehmer zu vermeiden. Abgesehen von Ausnahmeregelungen gemäß § 7 ArbZG – wie beispielsweise aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung – dürfen Arbeitnehmer täglich acht Stunden (bei Zeitausgleich auch zehn Stunden) arbeiten. Wöchentlich soll die Arbeitszeit inklusive Bereitschaftsdienst 48 Stunden nicht überschreiten (wöchentlicher Durchschnitt innerhalb eines Jahres). Zusammengefasst: 

  • Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit, der Bereitschaftsdienst wird bei der Berechnung der Arbeitsstunden der regulären Arbeitszeit gleichgestellt. 

  • Tägliche Arbeitszeit: höchstens acht (beziehungsweise zehn) Stunden 

  • Monatliche Arbeitszeit: höchstens 48 Stunden (Jahresdurchschnitt) 

  • Pause nach mehr als sechs Stunden Arbeitszeit: mindestens 30 Minuten 

  • Pause nach mehr als neun Stunden Arbeitszeit: mindestens 45 Minuten 

  • Zwischen zwei Arbeitstagen beziehungsweise zwischen einer Arbeitszeit von mehr als zwölf Stunden: mindestens elf zusammenhängende Stunden Ruhezeit (§ 5 ArbZG

Wie ist die Vergütung im Bereitschaftsdienst geregelt?

Da während der Zeit des Bereitschaftsdienstes häufig in einer wesentlich geringeren Zeitspanne gearbeitet wird, als dies während der regulären Arbeitszeit der Fall ist, wird der Bereitschaftsdienst deshalb meist auch geringfügiger entlohnt. Dass dies zulässig ist, bestätigte ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom 28.01.2004, Az.: 5 AZR 530/02. Zwar muss die Vergütung fair und gerecht erfolgen, Anspruch auf Höhe des vollen Stundenlohns während der Bereitschaftsstunden besteht aber nicht. 

Fair und gerecht ist jedoch zumindest die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns während des Bereitschaftsdienstes. Das sah auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinem Urteil vom 29.06.2016 so (Az.: 5 AZR 716/15). Außerdem gilt seit 11. August 2014 das Mindestlohngesetz (MiLoG), das vorschreibt, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn mit jeder geleisteten Arbeitsstunde entsteht: 

„Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen“ (§ 3 Mindestlohngesetz). 

Auch eine Stunde des Bereitschaftsdienstes muss aktuell also mindestens in einer Höhe von derzeit 12 € brutto vergütet werden (Stand August 2023). Geregelt wird der Bereitschaftsdienst mit seiner entsprechenden Vergütung meist im Arbeitsvertrag. In jedem Fall wäre es von Vorteil, wenn Ihnen zu Be- oder Nachweiszwecken darüber etwas Schriftliches vorliegt. 

Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft: Welche Unterschiede gibt es?

Diese beiden Elemente sehen auf den ersten Blick sehr ähnlich aus und sind deshalb für viele schwer voneinander zu unterscheiden. Eine kleine Gedankenstütze: Je kürzer die vereinbarte Reaktionszeit ist – Zeitdauer bis zum Erreichen des Arbeits- oder Einsatzortes vom Aufenthaltsort des Arbeitnehmers während des Bereitschaftsdienstes –, desto eher wird angenommen, dass es sich um eine Tätigkeit im Bereitschaftsdienst und damit um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes handelt. Dabei gehen die Meinungen auseinander und es ist oft von acht Minuten Reaktionszeit beim Bereitschaftsdienst die Rede.  

Meistens wird diese Zeit vorher zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer genau definiert, damit die entsprechende Tätigkeit bei Bedarf schnellstmöglich aufgenommen werden kann. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sind folgende: 

Bereitschaftsdienst 

  • Bereithalten im Unternehmen oder in unmittelbarer Nähe des Unternehmens 

  • Findet innerhalb der regulären Arbeitszeit gemäß § 3 ArbZG vergütungspflichtig statt 

  • Keine individuelle Freizeitgestaltung aufgrund der örtlichen Beschränkung 

  • Kurze, zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbarte Reaktionszeit 

Rufbereitschaft

  • Möglichkeit, sich außerhalb des Unternehmens aufzuhalten 

  • Außerhalb der regulären Arbeitszeit und zulässigen Höchstarbeitszeit (beispielsweise wird dem Arbeitnehmer noch eine Rufbereitschaft von 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr auferlegt) 

  • Keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, deshalb erfolgt die Vergütung der Rufbereitschaft beispielsweise als Pauschale oder in Höhe der tatsächlichen Einsatzzeit (siehe vertragliche Regelung) 

  • Freizeitgestaltung trotz Rufbereitschaft möglich 

  • Aufenthaltsort kann selbst bestimmt werden 

  • Erreichbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit zum Beispiel durch Pieper oder Telefon 

  • Längere, zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbarte Reaktionszeit 

Auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 09.03.2021 (Az.: C-580/19) verdeutlicht, dass der Unterschied zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft nicht immer sofort eindeutig zu erkennen ist. Hier bemängelte ein Feuerwehrmann, dass er neben seiner regulären Arbeitszeit regelmäßig Rufbereitschaft zu leisten habe. Diese umfasste eine Reaktionszeit in Höhe von 20 Minuten, in denen der Feuerwehrmann sich in Arbeitskleidung mit seinem Dienstfahrzeug bei der Arbeitsstelle einfinden muss.  

Weil die Stadt Offenbach am Main diese Rufbereitschaft nicht als Arbeitszeit ansah, klagte der Feuerwehrmann vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Dieses bat den Europäischen Gerichtshof um eine Vorentscheidung. Der Europäische Gerichtshof war der Auffassung, dass die Rufbereitschaft nur vom Bereitschaftsdienst abgelöst wird, wenn durch die Rufbereitschaft die Freizeitgestaltung „ganz erheblich“ getrübt wird. Anderenfalls sind nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden als Arbeitszeit zu bewerten.

Foto(s): ©Adobe Stock/wavebreak3

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