Aufgepasst im Baurecht!

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Der 1. Fall behandelt die verspätete Fertigstellung durch den Auftragnehmer.

Im Mittelpunkt stand die verspätete Ausführung von Metallbauarbeiten zur Erweiterung einer Justizvollzugsanstalt. Der Auftraggeber geht hin und verweigert die Zahlung der Schlussrechnung des Auftragnehmers mit der Begründung von Zurückbehaltungsrechten und Schadensersatzansprüchen. Der Auftraggeber begründet seine Ansprüche damit, dass wiederholt Fertigstellungstermine auch wegen zahlreichen Mängeln seitens des Auftragnehmers nicht eingehalten wurden, was zu einem Mietausfall von insgesamt 135.000,00 € geführt hat. Erstinstanzlich wurden dem Auftraggeber diese 135.000,00 € auch zugesprochen. Der Auftragnehmer zog dann vor das Berufungsgericht, dem OLG Köln, welches dann mit Urteil vom 29. Dezember 2016 festgestellt hat, dass der Auftragnehmer seiner Schlussrechnung den Mietausfallschaden für einen Monat in Höhe von 45.000,00 € entgegenhalten lassen muss. Der Auftraggeber hat mehrere E-Mails vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass ein Fertigstellungstermin vereinbart wurde und zwar zwischen dem Auftragnehmer und dem beauftragten Architekten des Auftraggebers. Es wurde eine Fertigstellung der Werkhalle bis zur 35. Kalenderwoche verbindlich vereinbart. Diese mündliche Abrede bestätigt der Architekt am Folgetag per E-Mail. Der Auftragnehmer widerspricht leider nicht.

Damit sitzt der Auftragnehmer in der Falle.

Der fehlende Widerspruch kostet ihn 45.000,00 €. Deshalb ist größte Sorgfalt auch bei E-Mails geboten. Das OLG Köln kommt hier zu der Auffassung, dass eine E-Mail des Architekten wie ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben wirkt, dass nicht an eine Schriftform gebunden ist, sondern auch per Fax oder E-Mail versendet werden kann. Durch den fehlenden Widerspruch kann das Oberlandesgericht den vereinbarten Fertigstellungstermin feststellen und somit der Schadensersatzforderung des Auftraggebers auf Mietausfall stattgeben. Deshalb soll nochmals das Augenmerk darauf gerichtet werden, unverzüglich solchen E-Mails, Faxen oder anderen Schriftstücken zu widersprechen, sofern man anderer Auffassung ist. Unverzüglich meint innerhalb von 2 bis höchstens 3 Tagen, am besten noch am selben Tag. Wichtig ist, dass dieser Widerspruch auch in geeigneter Weise an den Auftraggeber übermittelt wird, so dass der Zugang beim Vertragspartner dokumentiert wird. Dafür bietet sich vorab per Telefax und bei wichtigen Dingen, so auch bei Fertigstellungsterminen, wenn diesen widersprochen werden soll, ein Einwurf-Einschreiben an. Mithin ist festzustellen, dass sich der Auftragnehmer vor derartigen E-Mails schützen und auch überlegen muss, rechtzeitig Behinderungstatbestände aufzuzeigen. In diesem Fall hat er solche Behinderungstatbestände nicht dargelegt. Also Obacht geben vor E-Mails, die leise daher kommen.

Auch der 2. Fall ist interessant und gibt Anlass einmal wieder seinen Blickwinkel auf die VOB/B zu richten. Diese Vorschrift ist unter Baupraktikern relativ unbekannt. Es geht um den § 6 Absatz 7 VOB/B. Diese Vorschrift sollte man sich zu Nutze machen, um sich aus einem unliebsamen Vertragsverhältnis zu verabschieden. Im § 6 Abs. 7 VOB/B ist geregelt:

Dauert eine Unterbrechung länger als drei Monate, so kann jeder Teil nach Ablauf dieser Zeit den Vertrag schriftlich kündigen. 

Das bedingt, dass eine Unterbrechung länger dauert als drei Monate. Es ist möglich, dass jeder Vertragsteil sich von dem Vertrag schriftlich durch Kündigung lösen kann. Das bedeutet, dass sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber diese Vorschrift nutzen können. Einer Fristsetzung vor der Kündigung bedarf es nach der Vorschrift nicht. Von einer Unterbrechung ist auch dann nach der Rechtsprechung auszugehen, wenn die Leistung zum vorgesehen Zeitpunkt nicht begonnen werden kann. Das bedeutet, dass sich der Arbeitsbeginn auf der Baustelle verschiebt und das für länger als drei Monate. Danach ist dann der Auftragnehmer bzw. Auftraggeber berechtigt, bei einem VOB-Vertrag ohne vorherige Fristsetzung diesen sofort schriftlich zu kündigen.

Damit hat sich das OLG Naumburg mit Urteil vom 5. April 2016 beschäftigt. Hier ging es darum, dass ein Auftraggeber den Auftragnehmer beauftragte, innerhalb von vier Monaten auf einem ehemaligen Deponiegelände eine Photovoltaikanlage zu errichten. Jedoch konnte der Auftragnehmer nicht mit seinen Leistungen beginnen, weil es an der Baugenehmigung fehlte. Das OLG Naumburg hat diese Richtigkeit der VOB-Vorschrift in § 6 Abs. 7 VOB/B nochmals bestätigt. Ausdrücklich hat es festgestellt, dass auch von einer Unterbrechung auszugehen ist, wenn der Auftragnehmer erst gar nicht mit der Ausführung seiner Leistungen beginnen kann.

Somit sollte der Auftragnehmer stets im Hinterkopf haben, dass sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber bei einer Unterbrechung, die länger als drei Monate dauert, kündigen kann. Das ist vielfach gut für den Auftragnehmer, wenn er einen Auftrag nur angenommen hat, um zum Beispiel die Winterzeit zu überbrücken, jedoch dann einen anderen lukrativeren Auftrag erhält und dann der andere Auftrag ihm im Wege steht. Dann hat er die Möglichkeit den unliebsamen Vertrag rechtssicher zu kündigen, wenn eine Unterbrechung von länger als drei Monaten vorliegt. Die Rechtsfolgen sind jedoch nicht vergleichbar mit einer freien Kündigung, denn der § 6 Abs. 7 VOB/B bezieht sich für die Abrechnung auf die Absätze des § 6 Abs. 5 und 6 VOB/B. Deshalb kommen die Rechtsfolgen für eine freie Kündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B, nämlich voller Vergütungsanspruch abzüglich ersparter Aufwendungen für den Fall der Kündigung wegen Unterbrechung nicht in Betracht. Vielmehr kann der Auftragnehmer meist gar nichts abrechnen, da noch keine Leistungen erbracht wurden. Jedoch ist er zumindest rechtlich sicher, aus dem Vertragsverhältnis auszusteigen. Es gilt ja ansonsten der Grundsatz: Verträge sind zu halten. Ein weiteres Urteil des Kammergerichts Berlins vom 10. Januar 2000 sagt, dass eine Kündigung gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B nicht unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 BGB ist und damit als Allgemeine Geschäftsbedingung auch wirksam ist.

Mithin sollte der Auftragnehmer, wenn er sich aus einem unliebsamen Vertragsverhältnis verabschieden will sowohl den § 6 Abs. 7 VOB/B als auch den § 650f BGB (Bauhandwerkersicherung) im Kopf haben. Das Wissen um seine Rechtsposition hilft dem Auftragnehmer oftmals weiter.

Carsten Seeger 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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