Aufklärungspflichten und Organisationsverschulden in der Anlageberatung

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Sachverhalt

Die beklagte AG übernahm den Vertrieb einer Aktienneuemission für eine weitere Aktiengesellschaft (Anlagegesellschaft), an der sie über eine Tochterfirma indirekt beteiligt war. Die Beklagte sollte für die Kapitalbeschaffung im Wege der Aktienneuemission eine Provision von 3 % des Nennbetrags erhalten.

Die Klägerin zeichnete nach einem Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten 1.000 Stück Namensvorzugsaktien zu einem Gesamtpreis von 12.000 €. Die Beklagte leitete den Zeichnungsschein an die emittierende Anlagegesellschaft weiter, die die vereinbarte Provision bezahlte. Die Provisionszahlung und die Verflechtung zwischen der Beklagten und der emittierenden Anlagegesellschaft wurden der Klägerin nicht offengelegt.

Die Klägerin schloss sodann mit der Beklagten einen honorarfreien Vermögensberatungsvertrag. Darin verpflichtete sich die Beklagte, Marktinformationen und Vorschläge für Anlageentscheidungen mit der Auftraggeberin abzustimmen und über für zweckmäßig erachtete Veränderungen zu informieren. Die Klägerin hat u.a. vorgetragen, die Beklagte habe die Verflechtungen zwischen den Gesellschaften und die den verflochtenen Gesellschaften gewährten Vergütungen pflichtwidrig verschwiegen.

Entscheidung des BGH

Der BGH nutzt die Gelegenheit, die Grundsätze der Haftung von Anlageberatern bei Vermögensberatungsverträgen zu wiederholen und sodann auf den Fall anzuwenden.

Ist – wie im vorliegenden Fall – ein Auskunftsvertrag anzunehmen, verpflichtet dieser den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist weiter anerkannt, dass es als Mittel der Aufklärung genügen kann, wenn dem Interessenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und dem Interessenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen wird. Vertreibt der Vermittler die Anlage anhand eines Prospekts (hier: „Businessplan”), muss er aber, um seiner Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls darauf überprüfen, ob er ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich richtig und vollständig sind

st. Rspr., vgl. nur BGH vom 12. Februar 2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 116 und vom 5. März 2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739 Rn. 11 f.

Zu den Umständen, über die der Anleger entweder mündlich oder durch den Prospekt zu unterrichten ist, gehört auch eine Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen der Anlagegesellschaft, ihren Organen und beherrschenden Gesellschaftern einerseits sowie andererseits den Unternehmen, deren Organen und beherrschenden Gesellschaftern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die durchzuführenden Vorhaben ganz oder teilweise gelegt hat (hier u.a. die Beklagte). Die für diesen Personenkreis vorgesehenen und gewährten Sonderzuwendungen und -vorteile müssen ebenfalls offengelegt werden.

BGH vom 29. Mai 2008 – III ZR 59/07, NJW-RR 2008, 1129 Rn. 25 und vom 31. Oktober 2013 – III ZR 66/13, BeckRS 2013, 19776 Rn. 11; BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 344 f.

Ferner weist der BGH zur Frage des Vorliegens eines vorsätzlichen Aufklärungspflichtverstoßes darauf hin, dass ein vorsätzliches Organisationsverschulden der Beklagten vorläge, wenn sie ihre Verpflichtung zur Aufklärung gekannt oder zumindest für möglich gehalten und es gleichwohl unterlassen hätte, ihre Mitarbeiter anzuweisen, die Kunden entsprechend aufzuklären.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – XI ZR 586/07, NJW 2009, 2298 Rn. 14

Die Beklagte als Vermögensberaterin trägt außerdem die Darlegungs- und Beweislast für fehlenden Vorsatz. Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB muss der Schuldner beweisen, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, wobei innerhalb des Entlastungsbeweises keine Differenzierung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit stattfindet. Ob vorsätzliches Handeln vorliegt, betrifft eine innere Tatsache des Schuldners, über die er ohne weiteres Auskunft geben kann, während sie dem Gläubiger regelmäßig verschlossen ist. An dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ändert auch der Umstand nichts, dass im vorliegenden Fall die ohne Zweifel vorliegende fahrlässige Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten nach § 37a WpHG aF verjährt ist und damit nur noch eine Vorsatzhaftung im Raum steht.

Fazit

Der BGH wiederholt hier, dass Anlageberater bzw. Vermögensberater

  • kapitalmäßige und personelle Verflechtungen mit der Anlagegesellschaft sowie
  • gewährte Sondervorteile -oder Vergütungen

offenzulegen haben. Dies gilt auch, wenn der Vermögensberater direkt oder indirekt die Zeichnung der Anteile übernimmt.

Ferner sollten zur Vermeidung eines „Organisationsverschuldens” alle Mitarbeiter angewiesen werden, den Aufklärungspflichten gegenüber dem Kunden nachzukommen.



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